Derby-Erinnerungen Für Roses Zeit in Gladbach war das letzte Duell mit Köln der Kipp-Punkt

Mönchengladbach · Die Derby-Pleite gegen Köln war mindestens so verheerend für den Rest der vergangenen Saison wie Marco Roses Abschiedsankündigung. Der Trainer gab unmittelbar vor dem 1:2 ein bemerkenswertes Interview. Und der FC lag in jener Woche eigentlich am Boden.

 Marco Rose im Regen: Die Niederlage gegen Köln war zwar die erste des Jahres, doch keine andere unter dem Trainer dürfte so eine verheerende Wirkung gehabt haben.

Marco Rose im Regen: Die Niederlage gegen Köln war zwar die erste des Jahres, doch keine andere unter dem Trainer dürfte so eine verheerende Wirkung gehabt haben.

Foto: imago images/Norbert Schmidt/Norbert SCHMIDT via www.imago-images.de

Vor dem Derby am 6. Februar kam der Wind noch von der Seite. Marco Rose stellten sich die Haare auf, was in seinem „Sky“-Interview auch im übertragenen Sinn der Fall war. Borussias Trainer antwortete genervt zu seiner Zukunft und patzig zur verblüffenden Rotation mit sieben Startelf-Änderungen. Zwei Stunden später nach einem peinlichen 1:2 gegen den kriselnden 1. FC Köln blies Rose der Wind dann mitten ins Gesicht – es sollte sich bis zu seinem Abschied nicht mehr ändern.

Neun Tage nach der Derby-Pleite gab Borussia bekannt, dass Rose den Verein am Saisonende verlassen und zur anderen Borussia aus Dortmund wechseln wird. Anschließend gingen sieben Spiele nacheinander verloren und es schien vor allem abseits des Niederrheins glasklar zu sein, dass die Abschiedsankündigung des Trainers, in Anlehnung an eine Formulierung des Fanprojekt-Vorsitzenden Thomas Ludwig, der Saison „den Stecker gezogen“ hatte. Doch es gibt genügend Indizien, warum dieser Samstagabend mit Eisregen der größte Kipp-Punkt der Rose-Zeit war.

Fünf Derbys hat Borussia in den vergangenen 15 Jahren verloren, sie alle hatten Konsequenzen: 2008 wurde Jos Luhukay nach einem 1:2 entlassen, 2015 schmiss Lucien Favre nach einem 0:1 und der sechsten Niederlage in Folge hin, 2016 leitete ein Last-Minute-1:2 endgültig die finale Krise von André Schubert ein, 2018 zum Jahresauftakt traf Simon Terodde in der Nachspielzeit für das abgeschlagene Schlusslicht, wovon sich Gladbach unter Dieter Hecking lange nicht erholte. Nur zwei der folgenden zehn Spiele wurden gewonnen, Europa verpasst. Luhukay und Favre blieben noch eine Nacht, Schubert einen Monat, Rose dreieinhalb Monate, Hecking immerhin anderthalb Jahre.

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Dass der Abend des 6. Februar so verheerend wurde, hing nicht nur mit der damaligen Verfassung des FC zusammen, die noch Thema sein wird. Kredit verspielte Rose bereits in einem vierminütigen Interview mit „Sky“-Reporter Ecki Heuser. Los ging es mit den allgegenwärtigen Fragen nach Roses Zukunft, seit Ende Oktober schwirrten die Gerüchte um den BVB konkret herum.

Heuser: „‚Max weiß Bescheid‘, hat Marco Rose gesagt. Schönen guten Abend erstmal. Worüber weiß Max denn Bescheid, haben Sie sich entschieden?“

Rose [kopfschüttelnd]: „Es ist spannend, wie dann gerne wieder so ein Satz rausgenommen wird und interpretiert wird.“

Heuser: „Das heißt, der Satz hat gar keine Bedeutung mehr?“

Rose: „Der Satz hat schon eine Bedeutung. Max weiß über den Status quo Bescheid, wir tauschen uns täglich aus über meine Gedanken, über unsere Mannschaft in erster Linie und dann möglicherweise irgendwann auch mal über meine Zukunft. Aber das Wichtigste ist, dass ich unter Vertrag stehe bei Borussia Mönchengladbach, dass wir eine Menge zu tun haben, dass ich sehr gerne hier bin und dass wir diese Saison Ziele haben. Die wollen wir erreichen. Da packe ich all meine Energie rein. Das ist glaube ich das, was zählt.“

Nach einigen Nachfragen schwieg Rose einfach, acht Sekunden lang. Dann: „Ecki, können wir jetzt zum Fußball kommen und weitermachen?“ Das Sportliche wurde allerdings nicht angenehmer, mit sieben Veränderungen im Vergleich zum 2:1-Erfolg im DFB-Pokal-Achtelfinale beim VfB Stuttgart drei Tage zuvor überraschte Rose, einige Fans waren schon vor dem Anpfiff verprellt.

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Heuser: „Sie rotieren wahnsinnig viel. Haben Sie ein bisschen Angst, dass Sie den Erfolg dadurch gefährden? Oder sind Sie guter Dinge?“

Rose: „Das ist halt auch wieder so ‘ne Frage. Ich gehe davon aus, dass wie es immer im Fußball ist mittlerweile: Dass das Ergebnis genau das dann bestätigen oder nicht bestätigen wird. Wenn wir heute gewinnen sollten, hat der Rose alles richtig gemacht, ist der Meister der Rotation. Und wenn wir nicht erfolgreich sind, dann hat er den Sieg wahrscheinlich wegrotiert.“

Drei Punkte nannte Rose für seine gewagte Aufstellung: erstens Vertrauen in den Kader, zweitens Frische, drittens Schonung vor den Englischen Wochen. Wobei Borussia nach dem Derby erst acht Tage später wieder ran musste beim VfL Wolfsburg. Irgendwann zwischen Köln und Wolfsburg soll Rose in Eberls Büro gekommen sein und ihm seine Entscheidung für den BVB mitgeteilt haben. Dass trotz oder gerade wegen der Geisterspiele die Emotionen der Fans so hochkochten nach dem Tag der Verkündung, hing auch damit zusammen, dass die Pleite gegen Köln sie auf 180 gebracht hatte und sie gut eine Woche später im Schnitt immer noch bei 162 waren. „Mit dem Derby spielt man nicht“, schrieb das Fanprojekt nach dem Spiel.

Roses Analyse stellte seiner Mannschaft und indirekt dem Trainerteam ein Armutszeugnis aus. „Köln hat das Spiel so gespielt und gekämpft, wie man das in einem Derby tun muss. Sie waren einfach in den Zweikämpfen galliger und griffiger als wir“, sagte er. „Es ging in Teilbereichen um das Thema Haltung. Da hatte uns Köln etwas voraus in diesem Derby. Und wir schenken zwei Tore her, da musst du schon wieder drei machen. Auch das traue ich meiner Mannschaft zu, aber das haben wir heute nicht hingekriegt.“

Der FC, der sich am Saisonende erst in der Relegation rettete, gewann in Gladbach sein letztes Spiel unter Trainer Markus Gisdol, zwei Punkte weniger und Köln wäre direkt abgestiegen. Gisdol freute sich mit brüchiger Stimme über den Sieg, seine Mannschaft imitierte vor dem leeren Gästeblock den Eckfahnen-Jubel, den Marcus Thuram nach dem letzten Zuschauer-Derby 2019 erfunden hatte.

Hinter dem FC lag eine Horrorwoche: Zuerst die Posse um die geplante Einstellung eines ehemaligen „Bild“-Reporters als Medienchef, der mit AfD-freundlichen-Kommentaren und Fan-Beschimpfungen aufgefallen war, dann das Pokal-Aus bei Zweitligist Jahn Regensburg nach Elfmeterschießen und schließlich die „Spacken“-Affäre kurz vor dem Derby. Es war ein Video aufgetaucht, aufgenommen im Mannschaftsbus bei der Abfahrt am Geißbockheim, die von zahlreichen Ultras mit Bengalos angefeuert wurde. „Solche Spacken!“, war die Stimme von FC-Profi Dominick Drexler zu hören. Die Fans schäumten, Lukas Podolski twitterte Böses und Drexler bat noch vor dem Spiel in Gladbach um Entschuldigung.

Borussia empfing am 6. Februar also einen Gegner, der am Boden war. Elvis Rexhbecaj traf in der dritten Minute zur Kölner Führung, Florian Neuhaus glich in der 16. aus, wieder Rexhbecaj sorgte in der 55. für die Entscheidung. Für Gladbach war es die erste Niederlage des Jahres nach sieben ungeschlagenen Spielen. Trotz eines 0:4 gegen den Wolfsberger AC oder eines 0:6 gegen den FC Bayern traf wohl keine Pleite der Rose-Zeit die Borussia-Fans so hart.

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