Borussia Mönchengladbach Salzburgs Hinteregger geht künftig am Niederrhein auf die Jagd

Mönchengladbach · Mit der Verpflichtung von Martin Hinteregger hat die Borussia mal wieder einen Coup auf dem Transfermarkt gelandet. Der österreichische Nationalspieler ist am Freitag ins Trainingslager geflogen. Doch wer ist der 23-Jährige, über den so viel erzählt wird?

Martin Hinteregger: Ein kurzes Intermezzo bei Borussia Mönchengladbach
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Das ist Martin Hinteregger

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Foto: afp, HER

Martin Hinteregger ist ein heimatverbundener Mensch. So war es im vergangenen Sommer wenig verwunderlich, dass er eines seiner am meisten beachteten Interviews dem Regionalportal "meinbezirk.at" gab. Im Lokalteil "Kärnten, Feldkirchen " erschien die Schlagzeile: "Leipzig war nie Thema für mich." Das kam im Red-Bull-Kosmos nicht gut an, schließlich spielt Hinteregger seit fast zehn Jahren für die Salzburger Filiale, und zwischen den beiden Standorten scheint es eine Transferautobahn zu geben.

"Schön langsam zipft mich dieses Thema auch an", hatte der 23-Jährige gesagt, sprachlich äußert sich die Heimatverbundenheit also ebenfalls. In perfektem Hochdeutsch hätte Hinteregger wohl gesagt, es gehe ihm auf die Nerven, dauernd auf einen möglichen Vereinswechsel angesprochen zu werden. Bereits da war er umworben. Später ließ er seine Worte über die Facebook-Seite des Klubs relativieren, was dann eher danach klang, als spreche die Social-Media-Abteilung in Hintereggers Namen: "Wenn ich einmal wechseln sollte, dann hat die Red Bull-Familie Priorität."

Ein halbes Jahr später verlässt der 1,84 Meter große Verteidiger nun die "Familie", seine sportliche sowie seine private. In der Stadt Feldkirchen in Kärten wurde Hinteregger 1992 geboren. Im winzigen Sirnitz (300 Einwohner) wuchs er auf und spielte dort bis zu seinem 14. Lebensjahr bei der SGA, lange auch unter seinem Vater Franz, der Nachwuchsleiter war. Geografisch geht es für den österreichischen Nationalspieler nun ein paar hundert Meter runter, sportlich im besten Fall weiter nach oben.

Um 16.30 Uhr am Freitag hat Borussia den Transfer bestätigt:

Hinteregger hat in seiner Karriere schon mehr als 200 Profispiele absolviert, darunter 138 in der österreichischen Bundesliga, 42 im Europapokal und zehn für die Nationalmannschaft. Zuletzt war er Stammspieler in der ÖFB-Auswahl, die in der EM-Qualifikation zur Furore sorgte. Dort hat er unter anderem den Ex-Bremer Sebastian Prödl und den ehemaligen Kölner Kevin Wimmer ausgestochen.

Wimmer könnte auch einer der Gründe gewesen sein, warum sich Hinteregger für die Borussia und gegen einen Wechsel nach England entschieden hat, Überraschungsklub Leicester City wurde Interesse nachgesagt. Denn Wimmer ging vergangenen Sommer nach Tottenham und wartet noch immer auf seinen ersten Ligaeinsatz. Hinteregger will spielen bei der EM in Frankreich, in Mönchengladbach stehen die Chancen gut, dass er sich dafür empfehlen darf.

Denn zum Rückrundenstart wird Granit Xhaka drei Spiele fehlen nach seiner Tätlichkeit gegen Darmstadt. Damit ist zwei Wochen vor dem Duell gegen Dortmund fast klar, dass Havard Nordtveit von der Innenverteidigung auf die Sechser-Position rücken wird. Dann würde Hinteregger um einen Platz kämpfen mit Martin Stranzl, der in zehn Monaten nur einmal gespielt hat, mit Roel Brouwers, der unter André Schubert erst ein paar Minuten ran durfte, und mit Nico Elvedi, der neben Andreas Christensen der zweite 19-Jährige in der Viererkette wäre.

Gegen Schalke traf Hinteregger mal aus 60 Metern ins Tor:

Sportlich macht Hintereggers Profil den Eindruck, als komme da ein typischer Borussia-Spieler auf Leihbasis aus Salzburg: Der Linksfuß begann seine Karriere bei Red Bull hinten links, rückte dann nach innen, sammelte aber auch Erfahrung vor der Abwehr. Was die Vielseitigkeit angeht, klingt das nach einem "linken Nordtveit". Beobachter der österreichischen Liga loben zudem seine hervorragende Spieleröffnung.

Eine kolportierte Ablösesumme von bis zu zwölf Millionen Euro, die im Sommer fällig würde, erschreckt zunächst ein wenig. Aber es wären andere zwölf Millionen als einst für Luuk de Jong, die Inflationsrate im Profigeschäft ist derzeit immens. Realistischer dürfte außerdem ein hoher einstelliger Millionenbetrag sein. Dank des Januar-Deals kann sich Sportdirektor Max Eberl zumindest auf dieser Position heraushalten, wenn der Transfermarkt in einer paar Monaten, und davon ist auszugehen, aufgrund der Premier League zur Hölle wird.

Menschlich verpflichtet die Borussia einen Spieler, dem einige Eskapaden nachgesagt werden. Worum ging es? Im Frühjahr 2012, mit 19 Jahren, erhielt Hinteregger von Salzburgs damaligem Trainer Ricardo Moniz die Kapitänsbinde. Kurz darauf leistete sich der Youngster nach einer Niederlage einen Ausflug ins Nachtleben und wurde für drei Tage suspendiert. "Ja, Martin war nach dem Spiel in der Stadt unterwegs, hat zwei Bier getrunken und war um zwei Uhr früh wieder daheim. Und sonst war da gar nichts", sagte sein Berater den "Salzburger Nachrichten". Selbst Moniz meinte: "Ich sehe die Sache nicht so tragisch."

Der Trainer erlebte später bei 1860 München übrigens einen verblüffend ähnlichen Vorfall: Gerade hatte er den 18-jährige Julian Weigl zum Kapitän gemacht, als der mit ein paar Kollegen um die Häuser zog. Weigl wurde degradiert und suspendiert. Anderthalb Jahre später ist er bei Borussia Dortmund zum Shootingstar geworden und auf dem Sprung in die Nationalmannschaft.

Hinteregger selbst gab im Interview mit dem Klubmagazin der Salzburger verblüffend offen zu: "Ich habe in den ersten beiden Jahren richtig viel Scheiße gebaut und etliche Fehler gemacht." Er habe nicht gut damit umgehen können, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. "Roger Schmidt hat mir diesen jugendlichen Leichtsinn aber dann ausgetrieben, dank ihm bin ich erwachsen und viel reifer geworden und habe gelernt, wie ein Fußballprofi sich zu verhalten hat", sagte Hinteregger.

Das war jedoch vor einer Phase im vergangenen Herbst, als es dann noch einmal nicht so gut lief. Mehrere Wochen setzte Hinteregger eine rätselhafte Knieverletzung außer Gefecht, bis auf einen Nasenbein- und Augenhöhlenbruch seine einzige schwerere Verletzung. Zuvor war Red Bull Salzburg, mal wieder mit Champions-League-Ambitionen in die Saison gegangen, überraschend aus dem Europapokal geflogen und kriselte in der Liga. In dieser Zeit soll Hinteregger nicht immer ganz bei der Sache gewesen sein, auch aus privaten Gründen. "Es geht darum, dass er es nicht geschafft hat, sich zu konzentrieren. Es fällt ihm derzeit sehr schwer, auch nach eigenen Angaben", sagte Trainer Peter Zeidler, der mittlerweile entlassen ist. Zwischen ihm und Hinteregger soll es nicht gepasst haben.

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Foto: Dirk PŠffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Als glattgebügelter Profil gilt Hinteregger keinesfalls, mit der einen oder anderen Aussage hat er sich schon eine blutige Nase geholt. "Wir müssen überlegen, vom Kinderfußball wieder zu dem Fußball zurückzukommen, den wir unter Roger Schmidt gelernt haben", sagte er 2015 nach dem Aus in der Champions-League-Qualifikation. Als 2013 die Meisterschaft so gut wie verloren war, sendete Hinteregger an Tabellenführer Austria Wien, damals trainiert vom heutigen FC-Coach Peter Stöger, die Botschaft: "Es ist auf jeden Fall noch was drinnen, weil die Austria scheißt sich schon an." Tat sie, das nur am Rande, letztendlich nicht.

Die Borussia scheint sich auf jeden Fall einen Typen geangelt zu haben, der sportlich wie menschlich nicht zu den 08/15-Profis zählt. Hintereggers größtes Hobby ist die Jagd. Diese Leidenschaft sorgte für eine Episode, die wiederum das Salzburger Klubmagazin als "kleines Hoppala" bezeichnete. Vor einer Reise mit dem Team nach Leipzig fand Hinteregger seine Sporttasche nicht, also packte er alles in seinen Jagdrucksack. "Leider hatte ich vergessen, dass im Seitenfach noch ein paar Patronen steckten", erzählte er. Vor dem Hinflug habe das noch niemand bemerkt, vor dem Rückflug löste Hinteregger beim Security-Check einige Unruhe aus. Bleibt zu hoffen, dass er in Belek, wo er am Freitagabend erwartet wird, die richtige Tasche dabei hat.

(jaso)
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