Borussia Mönchengladbach Mahner, Kümmerer, Integrationsbeauftragter

Mönchengladbach · Borussia musste erst ein neues soziales System finden. Die entstandenen Strukturen müssen sich nun weiter schärfen.

Torwart Yann Sommer (links) ist ein "Kümmerer" bei Borussia, Ibo Traoré (rechts) ein "Integrationsbeauftragter", Raffael wirkt im Hintergrund.

Torwart Yann Sommer (links) ist ein "Kümmerer" bei Borussia, Ibo Traoré (rechts) ein "Integrationsbeauftragter", Raffael wirkt im Hintergrund.

Foto: Imago

Als die vorige Saison begann, gab es bei Borussia ein Führungsspieler-Vakuum. Martin Stranzl, Roel Brouwers, Havard Nordtveit und Granit Xhaka waren weg, alle vier waren weit vorn in der sozialen Struktur des Teams gewesen. Lars Stindl war der neue Kapitän. Er kannte die Rolle aus Hannover, war aber voller Respekt, sie nun in einem Klub wie Gladbach zu spielen. Die Strukturen waren aufgeweicht, mussten sich neu bilden. Im Rückblick war das eine wesentliche Problemzone im ersten Saisonteil.

Ex-Trainer André Schubert setzte auf flache Hierarchien, wollte den Spielern mehr Kumpel als Boss sein, er setzte auf viel Flexibilität, sportlich und hierarchisch. In guten Zeiten war dies die Basis für erfrischenden Hurra-Fußball, als es kriselte, war das Konstrukt labil. Dieter Hecking kam und gab dem Team als erstes eine klare Ordnung auf und neben dem Platz. Der Trainer ist der Dirigent, dem Team tat das gut. Die Spieler hatten weniger Freiheiten, aber übernahmen mehr Verantwortung. Mehr und mehr differenzierte sich die neue Struktur heraus, auch, weil die Führungsspieler nun mit Leistung vorangingen.

Stindl nahm die Rolle als Vorarbeiter nun ganz anders an. "Man lernt, auch mal Kante zu zeigen", sagte er im Interview mit unserer Redaktion. Auch Yann Sommer und Christoph Kramer waren nun präsenter, sportlich und in Sachen Teamführung. Hinzu kam Tony Jantschke, der mit seiner sportlichen und sozialen Routine als Borusse ein wichtiger Faktor im Gefüge ist. Begreift man eine Fußball-Mannschaft als soziales System, gibt es verschiedene Akteursrollen auf der Führungsebene.

Raffael ist ein Schweiger, doch er muss nicht reden, um allen Respekt zu haben. "Maestro" nennen ihn die Mitspieler fast ehrfürchtig. Seine Könnerschaft ist sein Führungsstil. Jantschke und Christofer Heimeroth sind im Bedarfsfall das Gewissen des Teams, die Mahner (zuvor war das Stranzl, der diesen Part mehr in Richtung Grantler interpretierte). Beide sind im Mannschaftsrat, Jantschke ist zudem Kassenwart und Heimeroth Organisator für Team-Aktivitäten. Vor allem kennen beide Borussias jüngere Vergangenheit in den Tieflagen der Tabelle als erlebte Geschichte. Das schärft den Blick - und wenn mal einer den Boden unter den Füßen verliert, gibt es klare Ansagen, wenn nötig auch öffentlich.

Eine Sonderrolle im sozialen System Borussias haben auch Sommer und Ibo Traoré. Der Torwart hat nicht nur als verlässlicher Rückhalt in der Rückrunde geglänzt, er ist auch einer der "Kümmerer". Zuletzt verriet er der "Berner Zeitung", dass er einigen jüngeren Kollegen Nachhilfe in Ernährungsfragen gibt. "Der Klub hat gesehen, dass gewisse Jungen Werte aufwiesen, die den Schluss zulassen, dass sie sich bewusster ernähren konnten", sagte Sommer. Er betreibt im Internet den Blog Sommerkocht.ch, daher "kamen die Spieler auf mich zu". Es gab einen Kochabend mit Sommer, "bei dem ich den Spielern gezeigt habe, wie man sich gesund ernähren kann". Jeder Teilnehmer bekam am Ende ein kleines Sommer-Kochbuch mit nach Hause.

Sozialer Auftrag für Sommer und Traoré

"Yann ist in die Führungsrolle reingewachsen", sagte Manager Max Eberl. Wie Sommer hat auch Traoré einen sozialen Auftrag. "Er ist ein wichtiger Spieler für uns", sagte Eberl, als der Vertrag des Flügelstürmers bis 2021 verlängert wurde. Traoré sei so etwas wie der ,Integrationsbeauftragte'", sagte Eberl. Traoré ist ein absoluter Familienmensch, hat immer viele Menschen um sich und in Paris in vielen Facetten gelernt, wie soziale Gefüge funktionieren.

Dass Traoré wie der in der Westschweiz geborene Sommer Französisch spricht, ist hilfreich, da es inzwischen doch einige Französisch sprechende Borussen gibt. So hatten Männer wie der lange verletzte Mamadou Doucouré oder der nicht zum Zug gekommene Timothée Kolodziejczak schnell Anknüpfungspunkte. In Mickaël Cuisance und dem in Genf geborenen Denis Zakaria bekommt Traoré sozusagen zwei neue Klienten dazu.

Aus der Führungs-Etage fällt in diesem Sommer keiner weg, das ist ein Vorteil. Die in der Rückrunde entstandenen Strukturen müssen sich nun weiter schärfen. Spieler wie Jannik Vestergaard, Thorgan Hazard oder Fabian Johnson müssen mehr nach vorn treten. Vincenzo Grifo ist wohl einer mit Potenzial in dem Bereich, doch hat sich in den vergangenen Jahren (siehe Sommer, Stindl) gezeigt, dass man selten qua Bestimmung Führungsspieler ist, sondern in die Rolle hineinwachsen muss. Es kommen viele junge Spieler, da ist ein gesundes Gefüge wichtig, um ihnen möglichst schnell ein Zuhause zu geben und sich entfalten zu können. Die kommende Saison wird auch ein Härtetest für Borussias neues soziales System.

(kk)
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