Borussia Mönchengladbach Liebling Neuville

Mönchengladbach · Wenn heute Bayer Leverkusen auf Borussia Mönchengladbach trifft, ist Oliver Neuville hin- und hergerissen. Für beide Klubs ging er auf Torejagd, beide Fanlager huldigten dem heute 43-Jährigen.

Das ist Oliver Neuville - Co-Trainer in Gladbach, DFB-WM-Held
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Das ist Oliver Neuville

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Melancholische Stimmung wabert durch das VIP-Zelt des Bökelbergstadions an diesem 22. Mai 2004. Soeben ist das letzte Spiele in diesem ehrwürdigen, aber gealterten Stadion zu Ende gegangen. Mit dem 3:1 gegen 1860 München hat Borussia einen schönen Abschluss der Saison hingekriegt, doch der Abschied von der Kultstätte drückt die Stimmung. Plötzlich macht eine Meldung die Runde, die Borussen schauen auf, ja, das klingt gut, das ist die richtige Ansage für die Zukunft, die im Borussia-Park stattfinden wird: Oliver Neuville, der Nationalspieler, wird Borusse. Neuville, der im WM-Finale zwei Jahre zuvor dabei war. Ein Star, nicht mehr der Jüngste mit 31 Jahren, aber einer, der für Tore steht, der flink ist, ein Typ. An diesem Abend ist sein Name ein gutes Mittel gegen die Melancholie.

Zwölfeinhalb Jahre später sitzt Neuville, inzwischen 43, in der Sportsbar des Borussia-Parks und nippt an seinem Cappuccino. Er ist jetzt Co-Trainer der Gladbacher U 19, mit seiner Erfahrung aus 494 Profispielen, in denen er 127 Tore schoss und 87 vorbereitete, soll er dem Nachwuchs helfen. Doch seinen Rat können vielleicht auch die Profis der Borussia gebrauchen. Sie haben ein Torschuss-Problem. Er, der frühere Weltklasse-Stürmer, kennt das, "so etwas hatte ich auch, das ist meistens Kopfsache", sagt er.

Dass mal ein Ball nicht reingeht, sei normal. Neuville selbst hat das auf höchster Ebene erlebt, 2002 im WM-Endspiel gegen Brasilien. Sein strammer Freistoß klatschte an den Pfosten. Es wäre das 1:0 für Deutschland gewesen. Was dann geworden wäre mit diesem Endspiel? Ob es auch verloren gegangen wäre? "Ich glaube nicht", sagt Neuville. Wenn er Phasen hatte, in denen er nicht traf, hat er nach dem Training minutenlang einfach aufs leere Tor geschossen. Um das Gefühl zu kriegen, dass der Ball drin ist. "Es geht darum, die Dinger einfach rein zu machen. Irgendwann geht es dann auch im Spiel wieder", sagt er.

Sollten es die Borussen heute wieder hinkriegen, wenn sie bei Bayer Leverkusen antreten, dann könnte sein zweiter Ex-Verein, für den er die meisten Pflichtspiele (227) machte und die meisten Tore schoss (56), verlieren. Normalerweise gefällt Neuville das ebenso wenig wie Gladbacher Niederlagen. "Aber Bayer hat vergangene Woche gewonnen, Borussia braucht die Punkte mehr. Darum bin ich heute ein bisschen mehr für Gladbach", sagt Neuvillle.

Er war ein Typ Stürmer, der heute sehr in Mode ist. Eine Neuneinhalb, spielstark und torgefährlich, immer in Bewegung. "Damals musste ich oft auf dem Flügel spielen, weil noch mehr auf große Stürmer im Zentrum gesetzt wurde", erinnert er sich. Wie sehr er auch ein echter Mittelstürmer war, zeigte er der Welt 2006 bei der WM. Als David Odonkor flankte, war Neuville im Strafraum da und vollstreckte in Mittelstürmer-Position zum Siegtor gegen Polen - es war die Geburtssekunde des "Sommermärchens".

Fünf Jahre spielte er in Leverkusen, "es war eine tolle Zeit". Eine Zeit indes mit Aufs und Abs. 2002 die "Vize"-Saison: Zweiter in der Meisterschaft, im Pokal, in der Champions League mit Bayer, Zweiter bei der WM. 2003 dann der Fast-Abstieg. Lucio, Placente, Ballack, Ramelow, Schneider und Zé Roberto hießen die Mitspieler, "es war ein tolles Team".

Der "späte" Neuville war dann auch Liebling der Gladbacher Fans. "Kick it like Neuville" schrieben sie auf ein Plakat. 161 Pflichtspiele machte er für Borussia (42 Tore), nach seiner Karriere, die er in Bielefeld ausklingen ließ, wurde er 2011 Co-Trainer im Nachwuchsbereich. Zudem spielt er für die Weisweiler Elf, Borussias Traditionsteams. "Ich habe allerdings auch schon für Bayers Traditionsmannschaft gespielt", sagt er. Neuville lebt nach wie vor in Gladbach. Alessandro, der Sohn aus zweiter Ehe, trägt die Trikots der Borussen Sommer, Stindl und Raffael. "Er hat natürlich auch ein Neuville-Trikot von Borussia", erzählt der Vater. Das mit der Nummer 27. Die trug Neuville als Borusse. Aber auch in Leverkusen. "Die 27 habe ich seit Rostock, meiner ersten Station in Deutschland. Ich hatte die Wahl zwischen der 34 und der 27. Zwei plus sieben ist neun, das ist die Zahl des Stürmers", sagt Neuville.

(kk)
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