Klasse-Torwart, Waalkes-Double, Lebenskünstler Gladbachs Kult-Keeper Wolfgang Kleff wird 75

Mönchengladbach · Wolfgang Kleff war bei Borussia Mönchengladbach der Mann hinter der Torfabrik. Das Pokalfinale gegen Köln 1973 war sein bestes Spiel. Trotz einiger gesundheitlicher Probleme hat er seinen Humor nie verloren. Nun wird er 75.

Wolfgang Kleff machte 422 Pflichtspiele für Gladbach.

Wolfgang Kleff machte 422 Pflichtspiele für Gladbach.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Zuletzt war Wolfgang Kleff wieder mal in seinem Element. Borussia hatte eingeladen in den „Raum Büchsenwurf“, um das Ereignis, das diesem Teil der Gastronomie im Borussia-Park den Namen gegeben hat, zu würdigen. Rainer Bonhof, der Vizepräsident war da, und Kleff, wie Bonhof aktiver Teilnehmer am wohl größten (aber annullierten) Sieg der Borussen, dem 7:1 am 20. Oktober 1971 gegen Inter Mailand. Kleff hatte dabei im Grunde genommen den miserabelsten Platz all jener, die auf dem Rasen des Bökelbergstadions unterwegs waren. Er stand am weitesten weg vom Mailänder Tor, in dem es immer wieder einschlug.

Dass Kleff gleichwohl launig über diesen Abend, der so schön und so tragisch war, plaudern kann, war zu hören bei der Veranstaltung. Indes gab er zu, dass ihn nicht überraschte, was kam. „Wir hatten gleich ein komisches Gefühl“, sagte Kleff. Was ihn persönlich angeht, war das Mailand-Spiel eines, in dem er im Vergleich zu anderen seiner 422 Pflichtspiele für Gladbach recht wenig beschäftigt war. Es passierte in der Zeit, als er der „ewige Kleff“ war: Vom 19. April 1969 bis zum 12. Juni 1976 stand Kleff, der am Dienstag 75 wird, in 244 Spielen ununterbrochen im Gladbacher Tor.

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Mitten in diese Phase fällt auch das Spiel, das er als sein bestes bezeichnet: das Pokalfinale gegen den 1. FC Köln am 23. Juni 1973. Da hielt der im westfälischen Schwerte Geborene wie verrückt, allein die Selbsteinwechslung Netzers und dessen Siegtor stahlen ihm die Schau. Ohne Kleff jedoch wäre diese ikonische Gladbach-Geschichte so gar nicht passiert. Nach vielen tollen Kleff-Paraden im zweiten Teil der Verlängerung hatte ein Großteil der 70.000 Fans Sekunden vor Schluss einen Kopfball von Bernd Cullmann schon im Netz gesehen. Doch Kleffs Hand zuckte zum Ball und verhinderte das 2:2. „Unser Wolfgang“, sagte Jupp Heynckes später, „hat das Spiel seines Lebens gemacht.“ Kleff würde dem nie widersprechen.

Er hat alles miterlebt, was den Mythos Borussia ausmacht. Neben dem Büchsenwurf-Spiel und dem Pokalfinale war er dabei im Elfmeterdrama von Everton 1970, als 1971 gegen Werder Bremen der Torpfosten brach, in Madrid, als die seltsamen Pfiffe des Schiedsrichters Leonardus van der Kroft Borussia den Sieg verwehrten und als Borussia ein 12:0 gegen Dortmund nicht zum Titel reichte. Kleff war der Mann hinter der Torfabrik, in deren Schatten er als Keeper immer stand. Dass er schon damals ein mitspielender und somit für seine Zeit hoch moderner Torwart war, betont er im Rückblick gern.

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Foto: Dieter Wiechmann/Wiechmann, Dieter (dwi)

Zu einer großen Karriere im Nationalteam hat es nicht gereicht, da hatte Kleff das Pech, Sepp Maier vor sich zu haben. Sechs A-Länderspiele hat er deswegen nur gemacht. Europameister (1972) und Weltmeister (1974) wurde er als Ersatzmann. Kleff nahm die Situation, wie es sich für Kleff gehört: mit Humor. „Ich hatte mehr Talent, er hatte die bessere Lobby. Aber immerhin habe ich dazu beigetragen, dass wir Weltmeister wurden – weil ich nicht gespielt habe“, sagte Kleff unserer Redaktion und grinste. „Man muss auch über sich selbst lachen können, das ist ganz wichtig“, findet er. Es ist ein Wesenszug, den er für sich in Anspruch nimmt. Dann kommt der Witz, der nicht fehlen darf, wenn es um ihn und seine DFB-Karriere geht: „Was sagt der Dackel von Sepp Maier auf die Frage, wer der bessere Torwart ist? Kläff, kläff!“

Was Kleff immer geblieben ist: ein Typ. So trug er im Winter im Tor auch mal eine fesche Bommelmütze, das dazugehörige Bild kursierte zuletzt noch mal im Netz. „Ich war schon einfallsreich“, sagt Kleff. Und dann sind da sein kultiges Torwarttrikot mit dem Vertikalstreifen und seine Ähnlichkeit mit dem Komiker Otto Waalkes, die ihm den Kosenamen „Otto“ einbrachte. Dass er in Gladbach als „Kult-Keeper“ geführt wird, kommt nicht von ungefähr.

Es lief nicht alles glatt in seinem Leben, nicht wenige Projekte, die er anging, scheiterten. Kleff ist immer ein Lebenskünstler gewesen. Er erlitt einen Herzinfarkt, hatte einen Schlaganfall und hatte eine schwere Corona-Infektion, die ihn gelehrt hat „vorsichtiger zu sein“, jedes Verständnis für Impfverweigerer fehlt ihm deswegen. Doch seinen Humor hat er nie verloren. „Unkraut vergeht nicht“, sagt Kleff.

Von der aktuellen Borussen-Generation erhofft er sich künftig mehr „Konstanz und Effektivität“. Er selbst stand am 29. Mai 1982 nach zwei Borussia-Episoden (1968 bis 1979 und 1980 bis 1982) mit 35 Jahren beim 6:1 gegen Darmstadt zum letzten Mal im Gladbacher Tor. Trotz seiner folgenden Engagements bei einigen anderen Klubs ist er stets geblieben, was er die längste Zeit als Fußballer war: Borusse.

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