Borussia Mönchengladbach Herr Drmic sucht das Glück

Mönchengladbach · Josip Drmic wartet nach seiner schweren Verletzung noch immer auf sein Tor. Einige zweifeln schon an seinen Qualitäten. Sein Trainer spricht ihm Mut zu.

Josip Drmic: Von Nürnberg über Borussia Mönchengladbach zu Norwich
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Das ist Josip Drmic

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Foto: Dieter Wiechmann

Es gibt Leute, die sagen: Josip Drmic ist keiner. Vor allem in diesen Tagen. Borussias Nummer 9 hatte eine große Chance in Hamburg. Es stand 1:0, er rannte allein auf René Adler zu, brachte den Ball aber nicht am Hamburger Torhüter vorbei. Es wäre das 2:0 gewesen, vermutlich hätte Borussia das Bundesligaspiel dann gewonnen. Sie verlor 1:2, weil sein Hamburger Pedant Bobby Wood im entscheidenden Moment alles richtig machte. Zuletzt gegen Schalke, in der Europa League, flankte Raffael passgenau auf die Stirn des Stürmers, doch von dort flog der Ball aus aussichtsreicher Position vorbei am Ziel. Es wäre das 1:0 gewesen, vielleicht wäre alles anders gekommen an diesem Abend, vielleicht wäre Borussia noch in der Europa League. Klar ist: Hätte Drmic diese beiden Tore gemacht mit allen theoretischen Konsequenzen, er wäre ein Gladbacher Held. Doch er machte sie nicht.

13 Spiele hat Drmic in dieser Saison gemacht, und er hat bisher kein Tor geschossen. Überhaupt hat er erst ein Tor für Gladbach erzielt, das war Ende November 2015 beim 3:3 in Hoffenheim. Der Job des Stürmers ist es, Tore zu machen, und wenn er keine macht, ist er kein guter Stürmer. Das ist die simple Logik des Geschäfts. Dass Drmic zudem einer der teuersten Spieler ist, die sich Borussia je leistete, kommt dazu. Geld schießt Tore, heißt es, und wenn einer zehn Millionen Euro kostet, dann muss er viele Tore machen. Tut er es nicht, ist er ein Fehleinkauf, ein Flop. Wieder eine simple Logik. Nur: So simpel ist es nicht.

Drmic war früher in Nürnberg ein gefeierter Mann. Denn er schoss viele Tore. Er war angesagt in der Bundesliga, Borussia wollte ihn schon da holen, doch er entschied sich für Leverkusen. Er lief nicht gut für ihn bei Bayer, ein Jahr später kam er dann nach Gladbach. Es sollte alles anders werden: Lucien Favre war Trainer, ein Schweizer, der vorher oft von Drmic geschwärmt hatte. Doch es lief wieder nicht gut. Favre war dann weg, doch auch im Dreierangriff von André Schubert war wenig Platz für Drmic. Er wurde an den HSV ausgeliehen, doch da verletzte er sich schwer: Knorpelschaden.

Drmic kämpfte sich zurück. In der Reha lernte er seinen Körper besser kennen als je zuvor. Er wollte zurückkehren, arbeitete hart dafür. Er ist wieder da, das ist ein großer Schritt nach so einer Verletzung. Und es gibt jetzt einen Trainer, der auf echte Mittelstürmer steht, der viel über die Flügel spielen lässt, um die Männer im Strafraum in Szene zu setzen. Dieter Hecking war früher selbst Stürmer, von daher weiß er auch, wie sich ein Stürmer fühlt, der keine Tore macht: mies. Zudem weiß Hecking, wie es ist, wenn man nach einer langen Verletzung zurückkehrt. Es braucht schon viel Glück, damit alles glattgeht.

Doch eben dieses Glück ist nicht auf der Seite des Herrn Drmic, es ist ihm abhandengekommen, er sucht es wie der kleine Herr Rossi in der uralten Fernsehserie. Immerhin gehört er nun wieder zum Schweizer National-Aufgebot, Trainer Vladimir Petkovic hat ihn wie auch seine Teamkollegen Yann Sommer und Nico Elvedi für das WM-Qualifikationsspiel gegen Lettland am Samstag nominiert. Das sind alles kleine Schritte nach vorn. Aber es fehlt eben der große, der befreiende Schritt. "Ich finde es schade, dass der eine oder andere Josip nach einer sehr langen Verletzungspause nicht die nötige Zeit gibt, um sich wieder ran zu arbeiten", sagt Hecking.

Drmic horcht viel in seinen Körper hinein, gibt Acht, das hemmt auch, natürlich. Und, dass man selbst nicht zufrieden ist, wenn die Tore fehlen. Sie sind das Elixier des Stürmers, ohne sie ist er nur ein halber Spieler. Es ist Kopfsache. "In den vergangenen beiden Spielen hat er je eine große Chance nicht genutzt. Danach hatte er vielleicht nicht mehr die letzte Überzeugung, weil er an sich selbst den Anspruch hat, solche Dinger zu nutzen. Josip hat eine lange Zeit gebraucht, um wieder dieses Niveau zu erreichen. Dass er noch Luft nach oben hat, weiß er selbst, dennoch hat er in den letzten Wochen eine sehr positive Entwicklung genommen", sagt Hecking.

Er spricht Drmic Mut zu, fordert ihn aber auch. "Ich erwarte von ihm, dass er jetzt nicht den Kopf hängen lässt, sondern weiter hart an sich arbeitet, um im Saisonendspurt noch das eine oder andere wichtige Tor für uns zu erzielen", sagt Hecking. Am Sonntag gegen die Bayern könnte Drmic die nächste Gelegenheit dazu bekommen. Wie gegen Schalke könnte er mit Raffael das Angriffsduo bilden, denn viele Alternativen hat Hecking angesichts der Verletzungsmisere nicht. Lars Stindl wird wohl wieder fehlen, Thorgan Hazard sowieso, das sind die Optionen eins und zwei für das Zentrum. Dann kommt normalerweise Drmic. Es sei denn, Hecking hat andere Ideen: Zum Beispiel den robusten André Hahn als Anläufer — das Konzept brachte bei den Bayern schon den 2:0-Sieg unter Lucien Favre und ein 1:1 unter André Schubert ein. Oder der Trainer setzt auf Unbekümmertheit und lässt den jungen, flinken Djibril Sow neben Raffael spielen. Das indes wäre durchaus experimentell. Drmic wäre die naheliegende Lösung. Er hat schon während seiner Reha-Zeit im Gespräch mit unserer Redaktion gesagt, die Fans sollten weiter an ihn glauben.

Allerdings weiß auch er, dass es an der Zeit ist für ihn. Er will sich empfehlen, er muss sich empfehlen. Denn zur neuen Saison werden Sportdirektor Max Eberl und Hecking den Kader überdenken, auch in der Offensive. Bis dahin sollte er sich positioniert haben. Drmic schreibt auf seiner Facebook-Seite: "Gib niemals auf, denn große Dinge brauchen Zeit." Er will um sein Glück kämpfen. "Er braucht einfach ein Erfolgserlebnis", weiß Dieter Hecking. Was für Herrn Rossi die Trillerpfeife ist, ist für Drmic das Tor. Die Erfüllung der Sehnsucht, das Gefühl, das etwas möglich ist, das große Glück. Er braucht es auch, um seinen Kritikern zu bewiesen, dass er doch einer ist. Vor allem aber, für sich selbst, um sich zu beweisen: "Ja, ich kann es noch!". Gibt es dafür einen besseren Zeitpunkt, als ein Spiel gegen die Bayern?

(kk)
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