Saison-Endspurt Borussia hat fünf Endspiele
Mönchengladbach · Das Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt und der Ligaendspurt entscheiden über die Saison von Borussia Mönchengladbach. Doch ausgerechnet jetzt patzt die Abwehr.

Gladbach - Dortmund: Einzelkritik
Schon heute lässt sich grob skizzieren, wie Andreas Christensen den 24. August verbringen dürfte: Der 21-Jährige wird im Sommer von Mönchengladbach zurück nach London gezogen sein und wieder für den FC Chelsea spielen. Also kann man sich vorstellen, wie er an jenem Abend auf dem Sofa sitzt und die Auslosung der Champions-League-Gruppenphase im Fernsehen verfolgt. Als englischer Meister wäre Chelsea in Topf eins gesetzt und könnte es aus Topf zwei mit einem deutschen Vertreter namens Borussia Dortmund zu tun bekommen.
Denn der BVB ist durch den 3:2-Sieg bei Borussia Mönchengladbachgladbach auf den dritten Platz in der Bundesliga vorgerückt. Christensen hat die Partie als Gladbacher Innenverteidiger aus nächster Nähe erlebt. In seinen fast zwei Jahren am Niederrhein ist er niemals als ängstlicher Typ aufgefallen, aber wenn ihn ein Gegner in dieser Zeit das Fürchten gelehrt hat, dann war es auf jeden Fall Dortmund. 0:4, 1:3, 1:4, 2:3 - gegen jede Bundesligamannschaft, mit der es der Däne zu tun bekommen hat, seit er von Chelsea verliehen wurde, hat er mindestens einmal gepunktet, nur nicht gegen die Dortmunder. Es darf angenommen werden, dass er am 24. August gerne ein anderes Los nehmen würde.
Christensen hatte am Samstag nicht nur eine gute Sicht auf die Dinge, er war auch mehrmals unglücklich involviert. In der neunten Minute rutschte er im Spielaufbau weg, Christian Pulisic eilte mit dem Ball davon und wurde von Mo Dahoud unfair, aber eben hauchdünn vor der Strafraumgrenze gestoppt. Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigte zu Unrecht auf den Elfmeterpunkt, Marco Reus verwandelte sicher. Nachdem Gladbach aus dem Nichts eine 2:1-Führung vom BVB geschenkt bekommen hatte, ging Christensen wieder zu Boden, diesmal freiwillig, weil er Pierre-Emerick Aubameyangs Schuss aus spitzem Winkel vergeblich hinterhergrätschte.
Der immer noch sehr junge, aber in der Regel wie ein abgebrühter 28-Jähriger spielende Christensen ist in den vergangenen zwei Wochen zum Sinnbild der Gladbacher Gegentorflut geworden. Schlecht sah nun auch nicht alles aus, aber Dortmund und 1899 Hoffenheim waren eben besser. Schon beim 3:5 gegen Hoffenheim hatte er entscheidende Duelle verloren. Hinzu kommt, dass sich seine Borussia zuvor beim 3:2-Derbysieg gegen den 1. FC Köln angesichts der schwachen Leistung des Rivalen doch arg sehr strecken musste. Zehn Gegentore hat Gladbach in drei Spielen kassiert, das gab es zuletzt im Dezember 2015 unter André Schubert. Christensen gewann dabei nur 39 Prozent seiner Zweikämpfe. Dass er diese Bundesliga-Wertung immer noch anführt, zeigt, wie überragend er zuvor verteidigt hat.
Wie gewohnt schwieg Christensen am Samstag, also war es an Tobias Strobl, den Steigerungsbedarf für die kommenden Wochen zu formulieren: "Wir müssen mit Mann und Maus wieder besser verteidigen", sagte der 26-Jährige. Zuletzt war deutlich mehr Maus als Mann dabei. Da die Konkurrenz teils fleißig gepunktet hat, ist für Gladbach nun jedes der vier verbleibenden Bundesligaspiele ein K.o.-Spiel. Das alte Credo von der Defensive, die Meisterschaften gewinnt, lautet mit Borussia-Bezug: Über die Abwehr ins internationale Geschäft, vorne fallen schon die Tore.
Wenn sich Gladbach schnell wieder findet, bekommt Christensen vielleicht noch die Chance, sein BVB-Trauma zu besiegen. Auf eine stabile Verteidigung wird es auch morgen im DFB-Pokalhalbfinale gegen Eintracht Frankfurt ankommen. Unter Umständen macht Christensen sein letztes Spiel für Gladbach dann im Berliner Olympiastadion gegen Dortmund.