Dazn-Experte Ralph Gunesch Wie City seine Gegner mürbe macht und was Borussia dagegen tun kann

Interview | Mönchengladbach · Eine unglaubliche Geduld und eine unfassbare Qualität, vor allem im Mittelfeld - das sind Manchester Citys große Stärken. Trotzdem glaubt Dazn-Experte Ralph Gunesch, dass es auch Dinge gibt, die Borussia im Champions-League-Achtelfinale Mut machen sollten.

 Ralph Gunesch war Profi für den FC St. Pauli, Mainz 05 und den FC Ingolstadt. Seit ein paar Jahren ist er Experte bei Dazn.

Ralph Gunesch war Profi für den FC St. Pauli, Mainz 05 und den FC Ingolstadt. Seit ein paar Jahren ist er Experte bei Dazn.

Foto: DAZN

In unserem ersten Gespräch in dieser Saison vor dem Champions-League-Start haben Sie gesagt: „Gladbach muss sich nicht verstecken.“ Vor dem letzten Spiel in Madrid meinten Sie: „Real ist nach wie vor brandgefährlich.“ Entsprechend sind wir gespannt auf Ihre Prognose für Mittwoch.

Gunesch (lacht) Es freut mich, dass die eine oder andere Vermutung und Meinung, die ich kundtue, auch mal passt.

Real gewann am letzten Spieltag 2:0 gegen Gladbach. Und trotzdem reichte es den Borussen, weil Inter Mailand und Schachtjor Donezk parallel 0:0 spielten.

Gunesch Das war ja die Exit-Strategie, über die wir gesprochen hatten: Dass du erst versuchen musst, deinen Job zu erledigen. Aber das ist das Schöne: Wenn du es ursprünglich selbst in der Hand hast, bedeutest das immer, dass es theoretisch auch anders geht. Ich fand das sehr sympathisch, wie Vollprofis um ein Tablet herumstanden und hofften, dass Dazn den Schlusspfiff des anderen Spiels überträgt.

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Schützenhilfe wird gegen Man City jetzt kein Thema mehr sein für Gladbach. Wenn man sich Citys Bilanz der vergangenen Monate anschaut: Ist diese Mannschaft im momentan überhaupt zu schlagen?

Gunesch Grundsätzlich ist natürlich jede Mannschaft schlagbar. Ich habe gerade noch nachgeschaut: Am 14. Dezember war die Auslosung und am nächsten Tag hat City tatsächlich noch mal unentschieden gespielt gegen West Bromwich, man mag es kaum glauben. 18 Siege in Folge sind Wahnsinn. Pep Guardiola hat letztens gesagt: Rekorde sind dafür da, gebrochen zu werden. Das ist einer der Antriebe dieser Mannschaft.

Und jetzt geht es weiter in dem Wettbewerb, in dem City noch ein Titel fehlt. Macht es das Los aus Gladbacher Sicht besonders fies?

Gunesch Ich würde nicht von einem Makel sprechen, aber in der öffentlichen Wahrnehmung ist es das, was Guardiola beim FC Bayern gefehlt hat und was ihm bei City bisher fehlt. Deshalb ist mit einer Mannschaft zu rechnen, die unabhängig von ihrem Lauf sehr gierig auftreten wird. Sie haben die Gruppenphase mit 16 Punkten sehr souverän überstanden. Jetzt geht es in die K.o.-Phase, und die Form spricht dafür, dass City momentan die beste Vereinsmannschaft der Welt ist.

Nach der Auslosung war Gladbach nicht unbedingt vor Respekt erstarrt. Was ist der Grund dafür, dass Manchester seitdem so ins Rollen gekommen ist nach einem gar nicht mal so guten Start?

Gunesch Es fällt auf, dass es ein paar Veränderungen in den vergangenen Wochen gegeben hat, die die Mannschaft noch stärker gemacht haben. Es ging zwischendurch ein bisschen durch die Blätter, dass Guardiola auch mal durchschnauft. Was völlig normal ist, weil er ein unheimlich hohes Pensum fährt. Aber jetzt erleben wir wieder einen Trainer, der bei maximaler Drehzahl läuft. Dazu kommen die Anpassungen: Ilkay Gündogan ein Stück weiter vorne, die Außenverteidiger ein bisschen weiter innen, Phil Foden hat individuell den nächsten Schritt gemacht. Auf dem Niveau sind das alles Punkte, die dafür sorgen können, dass es läuft wie Sau. Gündogan, Bernardo Silva und Kevin De Bruyne sind für mich mit das spielstärkste und torgefährlichste Mittelfeld Europas.

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Sie sagen: Jede Mannschaft ist schlagbar. Wo sehen Sie am ehesten einen Punkt, an dem Gladbach ansetzen sollte?

GunescH Diese Mannschaft ist in Summe sehr komplett. Ich gehe nur mal die Spieler mit den meisten Einsatzminuten durch: Rodri im defensiven Mittelfeld ist unglaublich stabil. Raheem Sterling spricht für sich. Phil Foden ist 20, spielt aber schon im vierten Jahr bei den Profis und hat den nächsten Schritt in seiner persönlichen Entwicklung gemacht. Riyad Mahrez musste sich an City gewöhnen, aber ist richtig angekommen. Ruben Dias in der Innenverteidigung ist enorm stabil. Ederson im Tor – wenn der mal einen Fehler macht, hast du sehr großes Glück. Bernardo Silva ist unfassbar kreativ und ganz wichtig mit seiner Erfahrung. Kyle Walker spielt konstant auf sehr hohem Niveau. Ilkay Gündogan ist torgefährlich wie nie und rechtzeitig fit geworden. De Bruyne ist für mich seit Jahren einer der zwei, drei besten Mittelfeldspieler der Welt. Ferran Torres hat eine unglaubliche Dynamik und ist bereits relativ gut in England angekommen. Gabriel Jesus vorne erklärt sich von allein. Und da sind wir noch gar nicht bei Aguero, der diese Saison viel Pech mit Verletzungen und Krankheit hat. All die Namen, die wir hier durchgegangen sind, gehören weltweit zu den Top-Ten-Spielern auf ihrer Position.

Von den 18 Siegen in Serie waren zwölf zu Null, nur sechs Gegentore hat City in der Zeit kassiert.

Gunesch Und das liegt nicht daran, dass Ederson alles rausholt. Es liegt auch an ihm, aber man muss es gar nicht nur auf die Defensive beschränken, weil City sehr gut gegen den Ball arbeitet. Angriff ist die beste Verteidigung. Sie haben in der Gruppenphase ja auch nur ein Gegentor kassiert. Und vorne: Da kannst du dir aussuchen, ob die Mittelfeldspieler oder die Stürmer die Tore schießen. Auf allen Ebenen wird das eine Mordsaufgabe für Gladbach.

Lassen Sie uns über Borussia reden: Die ist gerade nicht das formstärkste Team der Welt, verteidigt bis auf individuelle Fehler gar nicht so schlecht, ist aber vorne sehr harmlos in den vergangenen Wochen. Was sehen Sie für Gründe?

Gunesch Das Kalenderjahr 2021 ging ganz ordentlich los. Aber der Monat Februar ist in der Bundesliga bescheiden. Die Derby-Niederlage war bitter, das 0:0 gegen Wolfsburg relativ trostlos und jetzt dieses bittere Ding gegen Mainz. Die sind zwar im Aufwind, aber für eine Champions-League-Mannschaft darf das keine Ausrede sein. Ich glaube dennoch, dass man sich mit Blick auf das Spiel am Mittwoch davon lösen kann. Wir haben im Oktober darüber gesprochen, was es ausmacht, dass die Champions League ein anderer Wettbewerb ist. Ilkay Gündogan hat es im „Kicker“ gesagt: Wenn die Hymne ertönt, vergisst du alles um dich herum und was am Wochenende war. Gladbach sollte zurückdenken an das Gefühl aus Madrid, jetzt steht die K.o.-Runde an. Ich würde es nicht unterschätzen, was man daraus ziehen kann.

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Zuletzt hat sich Borussia gegen tiefstehende Teams schwergetan. Marco Rose hat bereits angedeutet, dass der Fokus gegen City aufs Verteidigen gelegt werden dürften. Ist es auch eine Chance, dass die Voraussetzungen in diesem Spiel ganz andere sind als in der Bundesliga?

Gunesch Ich glaube auch, es wäre vermessen, in dieses Spiel zu gehen und sagen: Wir dominieren City. Du musst es annehmen, dass du viel hinterherlaufen musst, dafür musst du auch vom Kopf her bereit sein. Auch das ist Citys Stärke: Sie schaffen es, dich durch die dominante Art mürbe zu machen. Wenn es in der 50. Minute 0:0 steht, ist das Selbstverständnis da, es ruhig weiterzuspielen. Als Gegner musst du auf 95 Minuten mit maximaler Drehzahl vorbereitet sein. Darauf würde ich vorab den Fokus legen.

Marco Rose hat in Topspielen vergangene Saison oft Dreierkette gespielt, in der Champions League bislang immer Viererkette. Zuletzt gegen die Bayern gab es eine Abwandlung mit drei Sechsern davor. Er hat viele Möglichkeiten: Welche wäre für City prädestiniert?

Gunesch Schwierig. City tritt selbst sehr flexibel auf, meist zwar im klassischen 4-3-3 von Guardiola. Aber er hat auch mal eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-1-4-1 gespielt. Bedeutet: mit fünf Mittelfeldspielern. Im 4-3-3 hast du das gerade gegen den Ball auch schnell, aber es geht dann um die Namen. Wir haben über Gündogan, De Bruyne, Bernardo Silva, Foden und all die anderen gesprochen – du brauchst ein stabiles Sechser-Mittelfeld, mit einem alleinigen Sechser dagegen, ist das kaum zu schaffen. City hat keinen klassischen Zehner, sondern drei, vier Halbzehner. Wenn der eine aus dem Raum geht, geht der nächste rein.

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Sie haben gesagt, dass Borussia wach im Kopf sein muss. Es wird viel gedeutet, welche Rolle die Unruhe rund um Marco Roses Abschieds-Ankündigung spielt. Lässt sich das gegen einen Gegner wie City am leichtesten ausblenden?

Gunesch Ich würde es mir für die Mannschaft wünschen, dass das keine Rolle spielt. Es ist ein anderer Wettbewerb, sie haben die guten Erinnerungen an das Weiterkommen in Madrid. Nach der ersten Konfrontation mit der Entscheidung müssen sie sich auch sagen: Okay, das ist abgehakt, jetzt machen wir noch ein paar geile Monate draus.

Was macht so eine Entscheidung mit einer Mannschaft?

Gunesch Unabhängig von Marco Rose und Gladbach musst du das in jedem Verein erst mal verdauen und damit umgehen. Ich glaube, das ist jetzt auch rum. Dafür sind die nächsten Wochen zu wichtig.

Wie absurd finden Sie es, dass Borussia nun ein Geister-Heimspiel im Ausland hat?

Gunesch Dass die Mannschaften spielen und quer durch Europa reisen dürfen, ist ein unglaubliches Privileg für den Fußball. Ich kann verstehen, wenn viele das absolut kritisch sehen, und bin froh über die Stimmen im Fußball, die klar kommunizieren, dass sie dankbar dafür sind. Die Sinnhaftigkeit des Ganzen müssten wir in einem Medizin-Special diskutieren.

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