Historien-Tafeln Heimrekord wäre ein neuer Mosaikstein für das Borussia-Hotel

Mönchengladbach · Im neuen Borussia-Hotel sollen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Borussia zusammenkommen. Einen neuen Mosaikstein wollen die Gladbacher am Samstag gegen Hertha BSC legen. Denn dort winkt ein Rekord.

 Ein Zimmer im Hotel „Borussia 8 Grad“.

Ein Zimmer im Hotel „Borussia 8 Grad“.

Foto: H-Hotels.com

Wenn die Borussen am Mittwoch ganz offiziell das Hotel gegenüber des Stadions eröffnen, das Gebäude, das wegen seiner Neigung „Borussia 8 Grad“ genannt wird, dann wird es ein feierlicher Akt sein, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bundesligisten zusammenkommen. Präsident Rolf Königs wird den Werdegang des Projekts ausbreiten, vom Umzug ins neue Stadion, dem wie die Borussen sagen, „Quantensprung“, und den Expansionsplänen, die es immer gab und die nun in Stein gemeißelt sind.

Die Vergangenheit der Borussen, die in den 70ern so glorreich war, voller „Blechernes“, wie Manager Max Eberl sagen würde, ist der Nährboden für all das, was entstanden ist. Das Hotel ist auf seine Art eine Hommage an das, was die Klubhistorie zu erzählen hat, die Etagen tragen die Namen „Europapokal“, „Meisterschaft“, „Pokal“ und „Champions League“, die Zimmer erzählen die Geschichten dazu, und die Spieler, die damit zu tun hatten, sind an den Wänden zu sehen: von Albert Brülls über Günter Netzer, Jupp Heynckes und Rainer Bonhof bis hin zu Lars Stindl. Der Blick aus vielen Fenstern ist wie der aus einer Loge: Man schaut hinunter auf das Trainingsgelände und den Fohlenplatz, wo sonntags die Junioren-Teams der Borussen kicken.

Und dann ist da das Museum, in dem die Vereinsgeschichte zusammengefasst wird in Vitrinen, Exponaten und multimedialen Darbietungen. Wenn das Borussen-Museum, das als „Fohlenwelt“ firmiert, Anfang Mai eröffnet, wird es das modernste seiner Art sein. So ist es auch mit der Gesamtkonstellation des „neuen Hauses“, wie Rolf Königs es gern nennt: Kein Bundesligist hat seine medizinischen Umstände derart komprimiert wie die Borussen. Das Reha-Zentrum von Medical Park, dazu die Praxen der drei Teamärzte Ralf Doyscher, Stefan Hertl und Heribert Ditzel. Kurze Wege, kurze Kommunikationsleitungen, das soll die Qualität der medizinischen Versorgung der Profis optimieren und dafür sorgen, dass immer möglichst viele Kicker gesund und munter sind, um im Zeichen der Raute erfolgreich zu sein.

Das soll auch am Samstag so sein, wenn Hertha BSC Berlin in den Borussia-Park kommt. Borussia kann eine Serie von vor 35 Jahren übertreffen, damals, in der Saison 1983/84 siegten die Gladbacher auf dem Bökelberg zwölfmal hintereinander. Nun können es 13 Heimsiege am Stück werden, wenn die Berliner besiegt werden. Vor 35 Jahren wurden die Gladbacher, trainiert von der Klub-Legende Jupp Heynckes, am Ende der Saison Dritter, punktgleich mit Meister VfB Stuttgart. Dieter Hecking, der aktuelle Trainer, war Jungprofi und machte seine ersten Schritte in der Bundesliga. Es gab noch die Zwei-Punkte-Regel, nach der neuen Drei-Punkte-Regel wären es 69 Zähler gewesen, die die Gladbacher holten, damit hätten sie den VfB, der umgerechnet auf 67 Punkte gekommen wäre, überholt. Der Hamburger SV, Zweiter jener Saison, wäre jedoch aufgrund der besseren Torbilanz Meister geworden. Sechs Tore hätten gefehlt, ähnlich wie 1978, als das gigantische 12:0 gegen Dortmund nicht zum Titel reichte, weil der 1. FC Köln drei Tore mehr erzielt hatte. Aber auch ohne Titel ging die Saison wegen der großen Serie in die Geschichte ein.

Jene, die im Endklassement 1983/84 vor Gladbach standen, Stuttgart und der HSV, sind heute in anderen Umständen: Der VfB steckt tief im Abstiegskampf, Hamburg ist Zweitligist. Die Borussen wissen, wie sich beides anfühlt, Existenzangst und Zweitklassigkeit, sie haben es selbst durchlebt, und es ist nicht mal sieben Jahre her, dass Gladbach am Abgrund stand und in der Relegation gerade noch den dritten Abstieg vermied. Wäre er passiert, würde es den Neubau, der ein „Meilenstein“ ist im Selbstverständnis des Klubs, vielleicht nicht geben oder noch nicht geben. Die Zeit unter Lucien Favre war ein sportlicher Quantensprung, aus dem ewigen Abstiegskandidaten wurde ein Klub, der seit sieben Jahren mindestens Neunter und viermal im Europapokal war.

Im Hotel ist auch ein Zimmer dem Pokalsieg von 1995 gewidmet, dem 3:0 gegen Wolfsburg, das in Berlin stattfand, im Olympiastadion. Es war der letzte Titel der Borussen bis heute, weswegen die Hauptstadt ein Sehnsuchtsort ist für Gladbach, der Pokal ist die wahrscheinlichere Titel-Option für Klubs, die nicht der FC Bayern sind. Viermal stand Gladbach im 21. Jahrhundert im Halbfinale, 2001, 2004, 2012 und 2017, und jeweils platzte der Traum, dreimal sogar im Elfmeterschießen. Auch diese Geschichten werden im Museum erzählt.

Im Museum ist auch Platz gelassen worden für Geschichten, die die Zukunft bringt. Mit dem Spiel gegen Hertha BSC wollen die Borussen den nächsten Mosaikstein legen, die Geschichte, die sie in dieser Saison so schön begonnen haben, fortschreiben. Max Eberl sprach zuletzt von einem „großen Traum“, den sie sich erfüllen wollen. Das ist die Rückkehr auf die internationale Bühne, bestenfalls in die Champions League. Doch der Weg dahin ist einer der kleinen Schritte: Erst Hertha, dann Frankfurt, dann …

Die Borussen lassen sich vom Erfolg nicht abbringen von ihrem Ansatz, keine sportlichen Luftschlösser zu bauen, sondern bodenständig zu bleiben. Das haben sie gelernt in den Jahren des „Trial-and-Error“ zwischen 1999 und 2011, als Borussia auf der Suche nach sich selbst war: Wirtschaftliches ist planbar, der Fußball aber nicht. Borussia fühlt sich im Windschatten wohl, denn da ist die Luft nicht so dünn und die Fallhöhe nicht so tief. Deswegen spielen Hecking und Eberl weiter als Mahner und wenn nötig Spaßbremsen. Irgendwann kommt die Zeit, da müssen die Borussen offiziell ihren Schafspelz abwerfen und zum gierigen Wolf werden. Doch noch ist die Zeit nicht reif dafür. Jenseits des Rasens hat Borussia einen neuen „Meilenstein“ gesetzt, auf dem Rasen arbeitet sie noch daran.

(kk)
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