Borussia Mönchengladbach Borussia gegen Sevilla – das Spitzenspiel

Mönchengladbach · Keine Mannschaft in der Europa League lockt mehr Zuschauer an als Borussia Mönchengladbach. Und der FC Sevilla aus Spanien ist der Titelverteidiger.

Borussias Gegner FC Sevilla im Porträt
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Foto: dpa, mr

Nein, es ist nicht bestätigt, dass ein beauftragter Mitarbeiter der Uefa einmal pro Woche auf Borussias Geschäftsstelle anruft, um sich einfach nur dafür zu bedanken, dass die Gladbacher in dieser Saison Teil der Europa League sind. Dabei gäbe es Grund genug für den europäischen Verband, den Fohlen in stetiger Dankbarkeit verbunden zu sein. Dankbarkeit dafür, dass Borussia als Ganzes den immer noch arg blassen kleineren Bruder der Geldmaschinerie Champions League mit ihrer Anwesenheit aufwertet.

Denn wie kaum einen anderen Teilnehmer kann die Uefa auf Mönchengladbach als leuchtendes Beispiel, als Aushängeschild verweisen. Darauf, wie es gehen kann, wie die Europa League funktionieren kann. Borussia ist mit Abstand der größte Zuschauermagnet im Wettbewerb. Fast 166.000 Besucher kamen zu den bislang vier Heimspielen. Zum Zweitplatzierten dieser Statistik, Feyenoord Rotterdam, pilgerten im Schnitt mehr als 5000 Fans weniger pro Spiel. Der Zuschauerschnitt aller 48 Gruppenphasen-Teilnehmer liegt gerade einmal bei 15.500.

Und so dürfte aus Uefa-Sicht mit dem Sechzehntelfinale zwischen Borussia und dem FC Sevilla das perfekte Europa-League-Spiel steigen. Der Vorzeige-Teilnehmer fordert den Titelverteidiger. Der zweimalige Gewinner des Vorgänger-Wettbewerbs Uefa-Cup aus Deutschland fordert den zweimaligen Uefa-Cup-Sieger aus Spanien. Der Verein, bei dem die Uefa im September den offiziellen Startschuss der aktuellen Europa-League-Saison feierte und die Trophäe als Leihgabe vorbeischickte, gegen den Klub, der diese Trophäe im Mai hatte hochhalten dürfen.

Es ist ein Duell, das Historie und Gegenwart verbindet, das begeisterungsfähige Anhänger zusammenführt und Spannung verspricht. Mehr geht kaum, um Werbung für einen Wettbewerb zu machen, dem auch im siebten Jahr seines Bestehens immer noch das Image anhaftet, mehrheitlich die Vereine zu vereinen, die doch so viel lieber in der Champions League gespielt hätten. Als Manchester vor Jahren mal als Gruppendritter der Königsklasse in die Europa League abstieg, sagte Sir Alex Ferguson: "Das ist halt unsere Strafe."

Für viele ist die Europa League mit 48 Teilnehmern in zwölf Vierergruppen künstlich aufgebläht. Spiele wie Dnjepropetrowsk gegen Qarabag oder Lokeren gegen Charkow lassen sich dann auch nur schwer als internationale Leckerbissen verkaufen. Die Uefa sucht nach wie vor die Lösung, wie die Europa League im Schatten der Königsklasse an Profil gewinnen kann. Wohl eher nicht mit Aktionen wie der von 2012, als man an die teilnehmenden Vereine ein Papier verteilte, auf dem in Englisch vorformulierte Sätze standen, die ein Sprecher zu Beginn einer Pressekonferenz verlesen sollte. "Die Europa League ist prestigeträchtig", hieß es dort. Oder: "Die Europa League hat in den vergangenen Jahren einige der erinnerungswürdigsten Momente im europäischen Fußball geboten." Oder: "Die wichtigste Eigenschaft, die wir mitteilen wollen, ist die, dass die Europa League dramatisch ist."

Im Fall Borussia braucht es keiner vorgefertigter Werbetexte, um das Bekenntnis des Vereins zur Europa League zu dokumentieren. Verantwortliche, Spieler und vor allem die Anhänger sind einfach froh und glücklich, nach jahrelanger Abwesenheit von der europäischen Bühne nun zum zweiten Mal binnen drei Jahren wieder international dabei sein zu können. Die Erfolge aus den 70ern im Uefa-Cup seien, so sagte es Präsident Rolf Königs, "ein Ansporn, dass wir an die guten Ergebnisse dieser Historie anknüpfen und Borussia und diesem Cup alle Ehre machen wollen".

Europacup ist in Gladbach zunächst einmal Europacup, egal, wie der Wettbewerb nun konkret heißen mag. Statt latenten Jammerns über ein Verpassen der Champions League herrscht echte Freude über die Europa League. Mit dieser Attitüde brachte vor einigen Jahren auch Hannover den Europapokal zum Funktionieren. Mit just der entgegengesetzten Einstellung, nämlich der, dass die Europa League nur ein notwendiges Übel sei, funktionierte der Wettbewerb in Leverkusen oder Stuttgart eben nicht. Bilder von Spielen in der BayArena und im früheren Neckarstadion vor 15 000, 16 000 Zuschauern wird die Uefa dann auch für keinen Imagefilm zusammenschneiden.

Borussia gegen Sevilla, das sind vor diesem Hintergrund in Hin- und Rückspiel zwei echte Festtage für die Europa League. Zwei Spiele, die den Wettbewerb in seiner Gesamtheit aufwerten und zudem einfach mal davon ablenken können, dass die Verdienstmöglichkeiten zwischen Champions League und Europa League immer noch astronomisch weit auseinanderliegen.

Rainer Bonhof lieferte kurz vor Weihnachten eine Idee, wie der frühere Uefa-Cup an Profil gewinnen könne. "Warum macht die Uefa den Dritten der Champions League stark, der schon seine 20 Millionen Euro verdient hat? Die Klubs kommen dann in die Europa League und profitieren da auch. Das ist für mich Wischiwaschi. Warum sollen die, die nur Dritter werden, nicht tief fallen? Man sollte beide Ligen getrennt halten, dann wäre die finanzielle Schere auch nicht so groß", sagte Borussias Vize-Präsident damals.

Womöglich kann die Partie Borussia gegen Sevilla der Europa League ein wenig mehr Selbstbewusstsein einhauchen, sie ein Stück weit abbringen vom demütigen Blick hinauf zum großen Bruder Königsklasse. Gelingt das, könnten sie in der Uefa-Zentrale in Nyon tatsächlich mal zum Hörer greifen, in der Geschäftsstelle im Borussia-Park anrufen und einfach mal Danke sagen.

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