Borussia Mönchengladbach Dieses Spiel wird Weichen stellen

Mönchengladbach · Die Duelle zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen hatten in den beiden letzten Spielzeiten Endspiel-Charakter. Diesmal ist es der Saisonauftakt.

Borussia Mönchengladbach: Die Noten gegen Bayer 04 Leverkusen
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Das 2:1 gegen Leverkusen im Notencheck

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Foto: dpa, a fpt

Borussia gegen Bayer — das war in den vergangenen beiden Spielzeiten ein Endspiel. 2015 sogar ein echtes, es entschied darüber, welcher der rheinischen Rivalen ohne Wenn und Aber in die Champions League einzog und welcher in die Play-offs musste. Borussia siegte am 32. Spieltag 3:0, vergrößerte den Vorsprung auf Leverkusen auf fünf Punkte und wurde am Ende Zweiter der "normalen" Bundesliga ohne den entrückten FC Bayern, mithin Dritter im realen Klassement.

In der vergangenen Saison war es ein halbes Endspiel, weil längst klar war, dass Leverkusen Platz drei innehaben würde. Borussia brauchte allerdings Punkte für Platz vier und holte sie sich. 2:1 gewann das Team von André Schubert am vorletzten Spieltag und jubelte erneut nach dem "kleinen" Derby. Das Finale gegen Bayer kann Borussia also. Nun aber ist es ein ganz anderes Spiel. Der Auftakt. Nicht die Entscheidung, sondern eine Weichenstellung. Quo vadis, Borussia? Quo vadis, Bayer?

Bayer wird hoch gehandelt

Es ist die Krux des ersten Spiels, dass man nicht weiß, wo man steht. Indes: Diesen Nachteil haben alle. Und erst nach getaner Arbeit ist bekannt, wessen Vorteil es war, gleich zu Beginn dieses Rendezvous zu haben. Klar ist: Bayer wird hoch gehandelt in dieser Saison, es gibt sogar Experten, die Leverkusen den ganz großen Coup zutrauen. Ein Denkansatz, der Trainer Roger Schmidt natürlich missfällt. Doch zumindest als Dortmund-Jäger geht Bayer allemal durch. Auch den Borussen ist nicht wenig zuzutrauen. Der Kader ist in der Breite mit viel Qualität bestückt, es gab wohl nie ein Gladbacher Ensemble, das dem Trainer mehr Möglichkeiten bot. André Schubert will diese weidlich nutzen und hat das auch schon getan: in Bern im ersten Play-off (3:1), im Pokal in Drochtersen (1:0) und schließlich im Rückspiel gegen Bern. Drei Startformationen für drei verschiedene Spiele mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen.

Es gab drei Siege und die ersten wesentlichen Weichenstellungen für die Gladbacher: Die Ambition, im Pokal so weit wie möglich zu kommen, wurde unterstrichen, Runde zwei ist erreicht. Vor allem aber haben sich die Borussen für die Champions League qualifiziert. Zum zweiten Mal in Folge, das ist ein Statement. Gladbach ist dabei im Kreis der Großen Europas — wie Bayer. Somit ist das Derby ein Spiel zweier nationaler Top-Klubs. Bayer ist Stammgast in Europa und in der Meisterliga seit eineinhalb Jahrzehnten, die Borussen sind immerhin seit 2012, als die Rückkehr nach 16 Jahren internationaler Abstinenz gelang, zum vierten Mal international binnen fünf Jahren dabei. Der gegenseitige Respekt ist groß. Und beide Teams ticken ähnlich. Roger Schmidt lässt seine Mannschaft vielleicht noch ein bisschen wilder spielen als André Schubert die Borussen. Beide jedoch haben einen Plan, der ganz und gar auf Tore eingestellt ist — weswegen man ein recht unterhaltsames Derby erwarten darf.

Erstes Topspiel der Saison

Natürlich geht es auch ums Prestige, wobei für beide der Derby-Moment eher gegen den 1. FC Köln stattfindet. Zumindest die Gladbacher Fans werden diesem Spiel das Derby-Etikett vielleicht sogar verweigern. Aber egal, ob nun Derby oder nicht: Es ist das erste Spiel, der Auftakt in die neue Bundesliga-Saison. Es ist das Top-Spiel am Samstag, das zumindest hat der Bezahlsender Sky festgelegt, weswegen die Partie am frühen Abend um 18.30 Uhr ganz exklusiv stattfindet. Borussia geht mit dem Vorteil ins Spiel, dank der Play-offs schon zwei Pflichtspiele mehr absolviert zu haben, vor allem zwei Pflichtspiele auf hohem Niveau, zwei Spiele, in denen volle Konzentration und Leistungsbereitschaft gefragt waren. Und sie hat durch die erfolgreichen Play-offs massiv Selbstvertrauen bekommen. Das kann behilflich sein im ersten Saisonspiel.

Gerade die Borussen wissen, wie wichtig erste Spiele sein können. 2011 zum Beispiel gab es zum Auftakt der Saison das 1:0 beim FC Bayern — dieser Sieg trug die Gladbacher wie auf einer weichen Wolke mit Raketenantrieb durch die Saison. Der Fast-Absteiger des Vorjahres paarte damals die Erleichterung der Relegations-Rettung mit der Euphorie des Bayern-Sieges, berauschte sich zeitweise an sich selbst, war Pokal-Halbfinalist und wurde in der Liga sensationeller Vierter. Übrigens auch, weil es im gefühlten Endspiel in Leverkusen in jener Saison ein 2:1 gab ein Last-Minute-Tor von Igor de Camargo. Es war ein großer Schritt in Richtung Europa.

Ende der Favre-Ära begann beim Auftakt

Es gibt aber auch ein warnendes Erstes-Spiel-Exempel: den Auftakt der Vorsaison, das 0:4 in Dortmund. Gladbach wähnte sich auf Augenhöhe mit dem BVB, den man in der Saison davor nach einer Ewigkeit mal wieder hinter sich gelassen hatte. Doch Dortmund demonstrierte Stärke und spielte Gladbach rund. Favre wertete das als GAU, und Borussia kam ins Schleudern. Dass man in Dortmund hoch verlieren kann und dies auch in der Saison zuvor beim 0:1 möglich war, wurde nicht ins Kalkül gezogen. Favre zweifelte — und kam aus dem Zweifeln nicht mehr heraus. Es gab vier weitere Bundesliga-Pleiten plus ein 0:3 in der Champions League in Sevilla. Und plötzlich war Favre weg. Das Ende dieser wunderbaren Ära hatte seinen Ursprung auch in Dortmund, im Auftaktspiel. Da wurden Weichen gestellt.

Kurios: Das Resultat der Saison war dasselbe wie nach dem Sensationssieg in München 2011: Platz vier. Die Dimension ist aber eine andere: Es war keine Überraschung mehr, dass Borussia oben dabei war. Überraschend war der Weg von ganz unten zurück nach oben — und, dass er überhaupt nötig war. Doch brachte die Saison wichtige Erkenntnisse: Borussia funktioniert auch ohne Favre. André Schubert hat Borussia im Schweinsgalopp verändert — auf der Basis dessen, was Favre im Team angelegt hat. Die Mischung ist und bleibt spannend. Nun ist noch mehr Schubert drin. Auch sein Gladbach ist ein Team, dem man "weit oben" zutraut. Bayer ist ein Prüfstein. Dieses Spiel wird Weichen stellen. Nicht für die gesamte Saison. Aber für den Moment. Doch dieser Moment kann weitreichend sein. In der Twittersprache würde man es per Hashtags so ausdrücken: #FCBBMG2011 und #BVBBMG2015.

(RP)
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