Borussia Mönchengladbach Frühe Fohlen und Jantschkes Pionierarbeit

Mönchengladbach · Beinahe wäre Tony Jantschke der erste Doppelpack seiner Laufbahn gelungen. Am Ende war es Thorgan Hazard, der für die Entscheidung beim 3:2 gegen Hertha BSC sorgte – ein nicht nur in den vergangenen Wochen seltenes Ergebnis.

Jantschke trifft per Flugkopfball
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Beinahe wäre Tony Jantschke der erste Doppelpack seiner Laufbahn gelungen. Am Ende war es Thorgan Hazard, der für die Entscheidung beim 3:2 gegen Hertha BSC sorgte — ein nicht nur in den vergangenen Wochen seltenes Ergebnis.

1. Richtung 100 Prozent Als Thorgan Hazard in Mönchengladbach unterschrieb, wusste er noch nicht, wie man Borussia buchstabiert. Unter ein Bild auf Instagram, das ihn mit dem Trikot seines neuen Vereins zeigt, setzte der Belgier das Hashtag "borrusia". Fünf Monate später ist Hazard nicht nur orthografisch angekommen, sondern auch sportlich. Beim 3:2 gegen Hertha BSC avancierte er mit einem Tor und einer Vorlage zur prägenden Figur, es war erst sein zweiter Startelf-Einsatz in der Bundesliga. Wettbewerbsübergreifend steht Hazard jetzt bei vier Toren und fünf Assists. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass der 21-Jährige sein Potenzial höchstens zu zwei Dritteln ausgeschöpft hat (vorsichtige, unwissenschaftliche Schätzung). In der Gunst des Vereins hat Hazard das Maximum hingegen erreicht. "Wir sind 100 Prozent überzeugt von ihm", sagte Sportdirektor Max Eberl kürzlich. Der Leihspieler vom FC Chelsea soll auch über den kommenden Sommer hinaus Bilder von sich im Borussia-Trikot posten.

2. Frühe Fohlen Mit einem scharf geschossenen Freistoß legte Hazard das 1:0 durch Tony Jantschke in der 9. Minute auf. Frühe Treffer sind in dieser Saison eine Gladbacher Spezialität und mehr denn je ein entscheidender Faktor. In 14 von 23 Pflichtspielen ist die Borussia in Führung gegangen, im Schnitt fiel das 1:0 in der 18. Minute. Raffaels Treffer auf Zypern in der 56. Minute war mit Abstand das späteste Führungstor der Saison, dahinter bzw. davor kommen bereits Max Kruse und die 25. Minute gegen Hamburg. Nur einmal spielte Gladbach anschließend noch Unentschieden, gegen Frankfurt gab die Mannschaft von Lucien Favre das Spiel noch völlig aus der Hand. Havard Nordtveit hatte in der 6. Minute so früh getroffen wie kein anderer Borusse. Ganz so fix sollte es wohl auch nicht gehen.

3. Abwehrpionier Die Hand vor dem Mund durfte natürlich nicht fehlen, untertitelt mit den Worten "Was? Ich? Darf nicht wahr sein!". Tony Jantschke feierte sein fünftes Bundesligator in bewährter Manier. Die überraschte Geste war auch aus einem anderen Grund angebracht: Als erstem Abwehrspieler gelang Jantschke in dieser Saison ein Treffer für die Borussia. Beinahe wäre in der 78. Minute ein Doppelpack draus geworden, aber Herthas Keeper Thomas Kraft parierte den Linksschuss des 24-Jährigen glänzend. Stark war auch Jantschkes Passquote von 95 Prozent. Erst in der Nachspielzeit geriet er negativ in den Blickpunkt: Die Hochrisiko-Grätsche gegen Salomon Kalou verursachte einen Elfmeter. Doch Jantschke hatte sich in der Szene weitaus mehr wehgetan als der Ivorer, der ihm aufs Bein stieg und das Maximum herausholte.

Gladbach - Hertha: Einzelkritik
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4. Assist-Assists Granit Xhaka kehrte nach abgesessener Gelb-Rot-Sperre zurück und stellte unter Beweis, warum er in dieser Saison so wertvoll wie nie ist. Mit drei Treffern und vier Assists in allen Wettbewerben strahlt der Schweizer ohnehin mehr Torgefahr denn je aus. Sein wunderbarer Pass auf Alvaro Dominguez vor Raffaels 2:1 unterstrich einmal mehr, dass die Vorlagen zur Vorlage auch nicht zu verachten sind. Für Xhaka war es die erste in dieser Saison, Spitze bei der Borussia ist Patrick Herrmann mit vier assistierten Assists, vor Christoph Kramer und Raffael mit je drei.

5. Kruse kriselt Immerhin in diese Statistik fand Max Kruse Eingang, wenn man großzügig berücksichtigt, dass er den Freistoß herausholte, den Hazard auf Jantschkes Kopf flankte. Ansonsten enttäuschte der Nationalspieler einmal mehr (RP-Note 5). Gäbe es ein Statistik-Handbuch im Fußball, stünde darin mit Sicherheit eine Vorgabe, ab wann es angebracht ist, die torlosen Minuten eines Stürmers zu zählen. Zehn Stunden wären wohl ein angemessener Orientierungswert. Kruse hat diese Schallmauer gegen Berlin durchbrochen, seit 662 Pflichtspielminuten wartet er auf einen Treffer. Doch es ist nicht seine erste Flaute im Gladbach-Trikot. Von Dezember 2013 bis März 2014 blieb Kruse sogar 872 Minuten torlos. Der 26-Jährige befreite sich aus dem Tief und mit ihm die Borussia. Diesmal scheint sie jedoch etwas schneller zu sein.

6. Faktenchecks Im Borussia-Park ist es bei Ein-Tore-Führungen eine beliebte Disziplin, auf den Zeitpunkt des Ausgleichs zu wetten. Das bringt der pessimistische Teil des niederrheinischen Gemüts so mit sich. Dass alle Wetten trotz des zweiten Berliner Treffers in der Nachspielzeit hinfällig wurden, war dem 3:1 durch Hazard in der 83. Minute zu verdanken. "Wir haben heute wieder zwei Tore nach individuellen Fehlern bekommen. Die müssen wir abstellen, denn wir werden nicht in jedem Spiel drei Tore schießen", sagte Granit Xhaka und lieferte gleich zwei Ansätze für einen Faktencheck à la "Hart, aber fair". Erstens: Ja, die Borussia schießt nicht in jedem Spiel drei Tore, am 14. Bundesliga-Spieltag gelang ihr das zum vierten Mal. Was auch bedeutet, dass sie in den restlichen zehn Partien nur sechsmal getroffen hat und fünfmal ganz ohne Tor geblieben ist. Zweitens: Ja, die Borussia gewinnt selten, wenn sie zwei Gegentreffer kassiert hat. Zuletzt war das im Mai 2013 beim 4:2 in Mainz der Fall. Ein derartiges Ergebnis im eigenen Stadion — vorne mindestens drei, hinten mindestens zwei — liegt noch viel länger zurück. Im Januar 2010 gewann Gladbach 4:3 gegen Bremen.

7. Diplomatie Da das Endergebnis eine enge Partie suggerierte, tauchte vielerorts der Begriff "Arbeitssieg" auf. Herrmann sprach indes von einem "super Spiel", Xhaka nannte den Dreier "hochverdient". So kommt die Frage auf, welche Fraktion sich mehr blenden ließ. Unstrittig ist, dass Hertha nur zweimal gefährlich vor dem Gladbacher Tor auftauchte. In der 45. Minute köpfte Julian Schieber zum Ausgleich ein, in der 92. Minute holte Jantschke Kalou von den Beinen. Elf Schüssen der Borussia auf das gegnerische Tor standen drei der Berliner gegenüber. Nach einer ersten Hälfte mit weitgehend brotlosen 65 Prozent Ballbesitz ließ der VfL den Gegner in der zweiten Hälfte mehr kommen und schaltete besser um. Scheint so, als könnten sich alle Fraktionen auf einen "hochverdienten Arbeitssieg" einigen.

8. Drei Punkte im Sack Tony Jantschke hat zwei seiner fünf Bundesligatore just am Nikolaus-Tag erzielt. Für seinen Verein läuft es am 6. Dezember in der Bundesliga dafür normalerweise nicht so gut. Im achten Anlauf gab es am Samstag erst den zweiten Sieg. Seit dem 4:0 gegen den 1. FC Köln im Jahr 1975 waren ein paar Hiebe mit der Rute stets wahrscheinlicher gewesen als prallgefüllte Nikolaus-Stiefel. Besser läuft es im Europapokal mit zwei Spielen, zwei Siegen und 7:2 Toren.

9. Kurzlebigkeit Die Blätter in der Bundesliga wenden sich nicht nur von Woche zu Woche, sondern bisweilen innerhalb von 45 Minuten. Zur Halbzeit am Samstag war folgende Aussage korrekt: "Gladbach hat genauso viele Saisonsiege wie der 1. FC Köln." Jetzt gilt: "Gladbach hat Tuchfühlung zur Champions League, Köln steckt im Abstiegskampf." Es ist so eng, dass der FC Augsburg sich mit diversen Vereinsrekorden auf Platz drei hochgearbeitet hat. Gleichzeitig gilt für das Überraschungsteam mit seinen sechs Niederlagen: "Augsburg verliert fast jedes zweite Spiel." So tickt die Liga Anfang Dezember 2014. Kein Wunder, dass die Borussia zwar mit einem Sieg ihre Negativserie beendet, aber trotzdem vom fünften auf den sechsten Platz abrutscht.

10. Farbenlehre Hätte die einst größte Fernsehsendung Europas eine Zukunft, könnte es sich lohnen, folgenden Vorschlag bei "Wetten, dass..?" einzureichen: "XY wettet, dass er anhand eines Fotos des Borussia-Parks den Monat benennen kann, in dem es aufgenommen wurde." Je wärmer es draußen ist, desto mehr Weiß findet sich im Stadion. Mittlerweile entspricht das Bild den Durchschnittsfarben der deutschen Winterjacken-Mode — plus etwas grellem Grün aus dem Fanshop.

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