Borussia Mönchengladbach FK Sarajevo — mit großer Moral in die Play-offs

Mönchengladbach · Borussia und ihre Fans dürfen sich in der Qualifikation zur Europa League auf ein Abenteuer in Bosnien-Herzegowina freuen. Für den FK Sarajevo ist die Teilnahme an den Play-offs zum europäischen Wettbewerb bereits ein großer Erfolg.

Borussia Mönchengladbach: FK Sarajevo im Porträt
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Borussia-Gegner FK Sarajevo im Porträt

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Die erste WM-Teilnahme des Landes war in diesem Sommer der bislang größte Auftritt des bosnischen Fußballs. Doch für den FK Sarajevo, den aktuellen Pokalsieger, bedeutete das Turnier in Brasilien in erster Linie Urlaubszeit. Nur einer der 23 Spieler Bosnien-Herzegowinas, Ersatztorwart Asmir Avdukic, verdient sein Geld in der heimischen Liga. Immerhin lässt sich von seiner Person leicht ein Bogen zu Borussias Play-off-Gegner aus der Hauptstadt spannen. Am vergangenen Sonntag war der FK Sarajevo bei Borac Banja Luka zu Gast — und schenkte Torwart Avdukic drei Tore ein.

Das dürften dann auch die ersten handfesten Eindrücke gewesen sein, die Gladbachs Trainer Lucien Favre und seine Scouts gewinnen konnten. Für Sarajevo war das 3:1 in Banja Luka der verspätete Ligastart. Der erste Gegner, Zvijezda Gradacac, war vom bosnischen Verband wegen einer Transfer-Streitigkeit suspendiert worden. So richtig im Pflichtspiel-Trott ist Sarajevo dennoch, bereits seit dem 17. Juli tingelt der Klub durch die Europa-League-Qualifikation.

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Gegen den FK Haugesund aus Norwegen gab es ein 0:1 und ein 3:1. Nach diesem Schema lief auch die Runde gegen Atromitos Athen ab: Auf eine 1:2-Heimpleite folgte auswärts ein 3:1 nach Verlängerung. Sarajevos offensichtliche Stärke ist somit gefährlicher als zwei, drei gute Einzelspieler — die Mannschaft legt eine enorme Moral an den Tag. In diesem Punkt konnten die Borussia-Scouts ihre Recherche schnell abschließen.

Ansonsten ist es wohltuend, wie sich die Reflexe unter Unbekannten ähneln. Schnell kursierte der Marktwert der Mannschaft Sarajevos auf Twitter und in Fanforen. Insgesamt 6,23 Millionen Euro entsprechen ungefähr einem Tony Jantschke. Die bosnische Zeitung Dnevni Avaz zitierte unterdessen Borussias Marktwert von 118 Millionen Euro. Präzise umschrieben ist das Kräfteverhältnis damit noch nicht, schließlich wird ein Jantschke kaum genügen.

Großer Respekt vor Borussia

Von zwölf Play-off- Duellen zur Europa League haben deutsche Mannschaften bislang elf für sich entschieden. Selbst wer die Wahrscheinlichkeit aufs Weiterkommen für Borussia deshalb auf 91,7 Prozent taxiert, muss erkennen, dass zur 100 noch etwas fehlt. Ohnehin waren die Bosnier zunächst von zwei Punkten beeindruckt, für die sich der VfL auf dem Rasen wenig kaufen kann. Ehrfürchtig zählt die Dnevni Avaz die Erfolge aus der "najsvjetliji periodu" auf, der Glanzzeit Borussias.

Neben dem ebenfalls "glänzenden" Trainer Favre haben besonders die Gladbacher Anhänger eine besondere Strahlkraft. "Borussias Fans gehören nicht nur zu den treuesten in Deutschland, sondern in Europa", schreibt Sport Centar und zitiert Vizepräsident Rainer Bonhof mit den Worten: "Unsere Fans lieben es, zu reisen." Die Bosnier rechnen mit einer "Invasion" im Asim-Ferhatovic-Hase-Stadion. Knapp 35 000 Zuschauer passen nach Angaben der Uefa in die Schüssel, in der 1984 die Olympischen Winterspiele eröffnet wurden. Das Kosevo-Stadion, wie es auch genannt wird, ist kein Schmuckstück, das die Herzen der Fußball-Romantiker höherschlagen lässt. Aber gerade das macht es ja in dieser Phase der Europa League interessant.

Anreise für die Fans gestaltet sich schwierig

Und so wird nicht nur transfermarkt.de am vergangenen Freitag eine beliebte Webseite gewesen, sondern auch diverse Flugportale, Google Maps und luftlinie.org. Der Entfernungsrechner spuckt 1210,96 Kilometer zwischen Mönchengladbach und Sarajevo aus. So schnurgerade wird es aber niemand schaffen, etwas unwägbar ist die Anreise. Von Deutschland aus zählt Bosnien-Herzegowina nicht gerade zu den Touristen-Zielen.

Deshalb sind direkte Flugverbindungen rar — oder die Suchseite empfiehlt einen 26-Stunden-Trip mit Umstieg in Istanbul. Ein paar hundert Fans dürften sich also mit dem Auto oder dem Bus auf den 1500 Kilometer und — ohne Pausen und Staus — mehr als 15 Stunden langen Weg durch Österreich, Slowenien und Kroatien machen. Die Play-offs zur Europa League sind im durchgestylten internationalen Fußball das letzte große Abenteuer.

Historischer Ort im ersten Weltkrieg

Auch historisch gesehen ist Sarajevo ein besonderes Los. In diesem Sommer erinnert ganz Europa an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Am 28. Juni 1914 wurden Österreich-Ungarns Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajevo ermordet. Das Attentat gilt als Auslöser des Krieges. Nicht einmal 20 Jahre zurückliegt das Ende der Belagerung Sarajevos im Bosnien-Krieg. Über dreieinhalb Jahre existierte eine Luftbrücke, um die Versorgung der eingeschlossenen Menschen zu ermöglichen. Sichtbar sind die Folgen in der 300 000-Einwohner-Stadt noch immer.

Auch das Asim-Ferhatovic-Stadion war Schauplatz des Krieges, seitdem wurde es mehrmals renoviert. Namensgeber Ferhatovic ist eine von zwei großen Legenden des FK Sarajevo, mit dem er 1967 die jugoslawische Meisterschaft gewann — ein bemerkenswerter Erfolg in einer Zeit, in der Vereine aus dem heutigen Serbien und Kroatien den Titel unter sich ausmachten. Als Sarajevo 1985 noch einmal Meister wurde, war die zweite Legende, Safet Susic, bereits zu Paris Saint-Germain gewechselt. Dieses Jahr betreute er die bosnische Nationalmannschaft als Trainer bei der WM.

Sarajevos Kader

Die heutige Mannschaft des FK Sarajevo setzt sich zusammen aus Nobodys des internationalen Fußballs. Während 1967 einmal Manchester United Gegner im Landesmeister-Pokal war, ist der Verein in den vergangenen Jahren meist in der Qualifikation gescheitert. Nach dem Meistertitel 2007 kämpfte sich Sarajevo in die 1. Runde des Uefa-Cups vor, verlor dort jedoch 1:2 und 0:6 gegen den FC Basel.

Borussia Mönchengladbach: Neue Spieler für den neuen Stil Borussias
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Neue Spieler für den neuen Stil Borussias

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Der aktuelle Kader weist in Dzemal Berberovic nur einen Spieler auf, der regelmäßig für die bosnische Nationalmannschaft zum Einsatz kam (und mal bei Bayer Leverkusen sowie beim MSV Duisburg unter Vertrag stand). Der 20-jährige Haris Duljevic hat U21-Erfahrung, genauso wie Nemanja Bilbija, der in dieser Saison schon dreimal getroffen hat. Im 4-3-3-System unter Trainer Dzenan Uscuplic läuft viel über die Flügel, gegen Athen fielen so alle drei Tore.

Einziger Fußball-Promi bei den Bosniern ist Besitzer Vincent Tan. Der Milliardär aus Malaysia hat auch den walisischen Klub Cardiff City gekauft und sorgte für Furore, als er kurzerhand die Vereinsfarbe von Blau in Rot änderte — weil sich das in Asien besser verkaufe. Glück für den FK Sarajevo mit seinen traditionell bordeauxroten Trikots. So richtig gut dürfte Borussia den Klub erst im Hinspiel am 21. August unter Wettkampfbedingungen kennenlernen. Auf dem Platz sollte sich das Abenteuer für die Favre-Elf besser in Grenzen halten.

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