Borussia Mönchengladbach Fans und Mannschaft feiern Platz drei wie einen Titel

Mönchengladbach · Heino, ein brasilianisches One-Hit-Wonder und klassische Musik: Der Soundtrack zum Einzug in die Champions League war so vielseitig, wie sich die Borussia inzwischen auf dem Rasen präsentiert. In der Kabine tanzte sogar Rainer Bonhof mit.

Rolf Hülswitt winkte ab. Borussias Betreuer und Zeugwart, seit 1985 im Verein, drehte sich zu Raffael und schien mit einem Fingerzeig an die Stirn sagen zu wollen: Die spinnen doch! Im Hintergrund hüpften die Spieler wie Flummis durch die Kabine, Patrick Herrmann holte die vollgeschwitzten Klamotten wieder aus dem Metallwagen und schleuderte sie in die Luft. Ordnung muss sein, aber nicht im Moment des größten Bundesligaerfolges seit den 70er-Jahren, die selbst Urgestein Hülswitt noch nicht bei der Borussia erlebt hat. Unaufgeräumt in die Champions League!

Der Soundtrack zu dieser Szene kam von Michel Telo und heißt "Bara Bara Bere Bere". Im Herbst 2011 tanzten Marco Reus, Dante und Co. zu Telos Welthit "Ai Se Eu Te Pego" in die Spitzengruppe der Bundesliga. Während man verwundert zur Kenntnis nimmt, dass das vermeintliche One-Hit-Wonder anschließend noch einen Song auf Platz 42 gebracht hat, hält sich Gladbach seitdem konstant oben in den Charts. Sogar Vizepräsident Rainer Bonhof ließ die Hüften kreisen, als hätte Günter Netzer die "Lovers Lane" wiedereröffnet.

Und so war die Musik am Samstag das prägende Element im Feierrausch. Kurz zuvor hatten die Borussen noch aufgereiht vor der Gästekurve gestanden. "Auf, auf, auf in die Champions League!", sangen sie mit den etwa 6000 mitgereisten Fans. "Blau blüht der Enzian", die Vorlage von Heino, erschien übrigens 1972. Da standen der Borussia noch drei Meistertitel, zwei Uefa-Cup-Siege und ein DFB-Pokalsieg in jenem Jahrzehnt bevor.

Die Anhänger des VfL beschworen mit "Vizemeister"-Gesängen zwar noch andere Saisonziele, aber im Mittelpunkt stand zweifellos die Freude über die Qualifikation für die Champions League. Acht der vergangenen neun Bundesligaspiele hat die Borussia gewonnen. Die Mannschaft entwickelte sich vom schlechtesten Dritten seit 1995 zum zweitbesten. Die Freude darüber brach sich Bahn in einer Mischung aus Ekstase und Erleichterung. Bis zu Raffaels erlösendem 2:0 standen viele noch auf zittrigen Beinen im Gästeblock und blickten auf ihre Handys, obwohl die Resultate auf anderen Plätzen in diesem Moment irrelevant waren. Dann fälschte Andre Hahn einen Klärversuch des Bremers Assani Lukimya ab — 2:0, Champions League, Rückrundenmeister!

Auf Lucien Favre warteten die Fans wieder vergeblich. Ihre Rufe ("Wir woll'n den Trainer seh'n!") verhallten im Weserstadion. Alle blickten gebannt auf den Spielertunnel in 120 Meter Entfernung. Aber als der um kurz nach halb sechs bereits abgebaut wurde, machten sich die meisten auf den Weg nach Hause. Wer 37 Jahre auf die Champions League gewartet hat, kann eine weitere Woche auf Favre warten. Wenn Stadionsprecher Torsten Knippertz auch auswärts im Dienst wäre, hätte er wohl verkündet: "Der Trainer bereitet das Spiel gegen Augsburg vor."

In solchen Erfolgsmomenten wirken Borussias Fans oft ein wenig hilflos, weil sie immer noch nach einem Haken suchen. Aber nach 37 Jahren Abstinenz in der Königsklasse müssen ganze Generationen einfach lernen, dass es gerade keinen gibt. Wer das schon verstanden hatte, sang einfach in einem durch: "Auf, auf, auf in die Champions League!" So ging es weiter in den Bussen, am Bremer Hauptbahnhof und in den Zügen nach Hause. Sitzplatzreservierungen wurden kurzerhand aufgehoben, wenn es im Intercity hieß: "Steht auf, wenn ihr Borussen seid!"

Ein weiteres Lied, passend zu diesem Anlass, taugt leider nicht zum Gassenhauer. "Ils sont les meilleurs, Sie sind die Besten, These are the Champions" — das kann niemand singen, erst Recht nicht nach drei, vier, sieben Bier. Cristiano Ronaldo hat es zuletzt ja trotzdem versucht, also machten es ihm Borussias Spieler nach und legten die Champions-League-Hymne in der Kabine auf. Doch die Musik eignet sich besser zum emotional bewegten Herumstehen in einem Fußballstadion, das erkannte auch die Feiermeute schnell. Am 15. oder 16. September dürfen sie es selbst erleben, wenn im Borussia-Park oder irgendwo in Europa die Hymne erklingt. Zeugwart Hülswitt wird ihnen akkurat die Klamotten hinlegen.

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