Borussia Mönchengladbach Kann nur besser werden

Mönchengladbach · Der 14. Platz in der Bundesliga kommt bei Borussia nicht von ungefähr. In zahlreichen Statistiken liegt Gladbach im unteren Tabellendrittel. Es gibt nur wenige Lichtblicke.

Das Hinrunden-Zeugnis der Borussia
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Foto: dpa, ps sam fdt

Die Adventszeit war am Ende eine sehr ehrliche Zeit. Falls jemand "Quo vadis, Borussia?" fragte, konnte die Antwort nur lauten: "Nach unten!" Nach der letzten guten Leistung gegen 1899 Hoffenheim am 26. November gab es vier Niederlagen und den einen Sieg gegen den FSV Mainz 05, der alles andere als eine Befreiung bewirkte. Am letzten Spieltag vor der Winterpause ist Gladbach endgültig im Abstiegskampf angekommen, bei drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz wäre es fahrlässig, etwas anderes zu behaupten. Zumal es genügend Kategorien gibt, in denen Borussia inzwischen zu den schlechtesten Teams der Bundesliga zählt.

Die Auswärtsmisere Vor 20 Jahren blieb Gladbach unter Trainer Bernd Krauss, dessen Tage anschließend gezählt waren, in der gesamten Hinrunde auswärts ohne Tor. Diesmal gab es keinen Sieg, nur einen einzigen Punkt, schlechter war nur der SV Darmstadt - dort feiert Trainer Dieter Hecking am 21. Januar sein Debüt. Wenig überraschend ist es angesichts der Auswärtsmisere, dass Borussia neben Darmstadt und dem FC Augsburg das einzige Team ist, das nie zwei Spiele in Folge gewann.

Das Aggressivitäts-Problem Bei der anderen Borussia aus Dortmund haben sie leidvoll erfahren müssen, wie spielerisch limitierte Gegner als Stilmittel zum Foul greifen. Das entnervte den BVB in so einigen Spielen. Auch in Gladbach hat man häufiger das Gefühl gehabt, da ließe sich eine Mannschaft körperlich den Schneid abkaufen. Nur Dortmund und die Bayern haben bislang seltener gefoult, und niemand hat seltener Gelb gesehen als Borussia (19-mal).

In dieser Rubrik ist es oft auch Interpretationssache. Denn die fünftbeste Zweikampfbilanz der Liga kann sich sehen lassen. Vielleicht müsste eher von einem gelegentlichen Einsatzproblem die Rede sein. Mit 112,62 Kilometern pro Spiel ist Borussia Elfter, mit nur 173 Sprints jedoch Schlusslicht.

Das Belohnungs-Dilemma Trotz aller offenkundiger Probleme hat Borussia höchstens in der besagten Adventszeit wie ein Abstiegskandidat gespielt. In der Packing-Statistik ist sie sogar noch ein Spitzenteam. Die 41 überspielten Verteidiger pro Spiel werden nur vom FC Bayern (49) und Hoffenheim (47) übertroffen. Der Sieger eines Spiels lag in der Hinrunde in 90 Prozent aller Fälle auch in dieser Wertung vorne. So rätselhaft das Packing-Thema für viele sein mag: Das Torchancen- (77 Prozent) und das Torschuss-Verhältnis (63 Prozent) sagen den Sieger weniger akkurat hervor.

Das Chancenproblem Dominant war Borussia häufig. Doch in allen Saisonspielen, die einen Gewinner fanden, war es nur in 56 Prozent der Fälle das Team mit mehr Ballbesitz. Der ligaweit vierte Platz (genauso bei der Passgenauigkeit) ist also nicht besonders wertvoll. Es lässt sich auch so ausdrücken: Keine Mannschaft erzeugte mit so viel Ballbesitz weniger Gefahr. Denn 175 Torschüsse in 16 Partien werden nur von drei Teams unterboten. Und wenn sie Chancen hatte, dann ging Borussia allzu oft fahrlässig damit um. In der Effektivitäts-Tabelle des "Kicker" ist sie 15., für ein Tor benötigte sie 11,7 Schüsse, vergangene Saison waren es nur 6,8.

Die zwei Gesichter Die Diskrepanz zwischen erster und zweiter Halbzeit reicht locker an die zwischen Heim- und Auswärtsspielen heran: 10:8 Tore und 23 Punkte vor der Pause, 5:17 Tore und 14 Punkte danach. Es gibt gleich nach dem Seitenwechsel eine regelrechte Horror-halbe-Stunde, zwischen der 46. und 75. Minute hat Gladbach ein Torverhältnis von 1:11, Thorgan Hazards Ausgleich gegen den VfL Wolfsburg war das erste Saisontor in dieser Phase. Nur ein Konditionsproblem kann es nicht sein: In der Schlussviertelstunde liegt die Bilanz mit 4:6 Toren im Rahmen. Entsprechend schlecht sieht die Ausbeute nach Führungen aus: Elf Punkte wurden danach noch verspielt, nur der Hamburger SV und Hoffenheim kommen auf zwölf. Auf der anderen Seite konnte Borussia nach einem Rückstand nur beim 1:1 bei RB Leipzig noch punkten (und das auch noch auswärts, ein ziemlich ungewöhnliches Spiel).

Der Faktor Pech Neunmal traf Borussia in der Bundesliga schon Pfosten oder Latte, häufiger nur der FC Bayern. Die "Sportschau" hat sich die Mühe gemacht, eine Tabelle zu erstellen, in der es kein Pech gibt: Wären alle Aluminiumtreffer drin gewesen, wäre Borussia Neunter mit fünf Punkten mehr auf dem Konto. Beim 0:0 gegen den HSV traf André Hahn die Latte und Oscar Wendt den Pfosten, beim 0:0 gegen Eintracht Frankfurt scheiterte Wendt an der Latte, beim 1:2 gegen den 1. FC Köln setzte Ibrahima Traoré einen Freistoß an den Querbalken. Vom Glück geküsst war Borussia nun wirklich nicht.

Die Verletzten Das letzte Spiel vor Weihnachten passte ins Bild: Es fehlten Tony Jantschke, Christoph Kramer, Ibrahima Traoré, Fabian Johnson, Patrick Herrmann sowie Mamadou Doucouré und Marvin Schulz, die noch keine Sekunde spielen konnten. Der gesamte Kader kommt auf 155 verpasste Partien, in der Saison 2014/15 waren es am Ende nur 72. Das Portal "fussballverletzungen.com" hält, was der Name verspricht. Dort wird jede Blessur genau nachgehalten, Borussias Profis waren im Schnitt 30,73 Tage krank, Platz 14 im Verletzungsranking.

Die kaum erklärbaren Nullen Kein einziges Tor hat Borussia in der Bundesliga mit dem Kopf erzielt, keines fiel durch einen Joker. In diesen Kategorien steht bei keinem anderen Klub eine Null. Beim Kopfballproblem lässt sich wenigstens anführen, dass nur zwei Vereine (Dortmund und Bayern) einen kleineren Kader haben.

Die Lichtblicke Nur Leipzigs Naby Keita überspielt pro Partie mehr Verteidiger als Mo Dahoud. Kein Profi gewinnt prozentual mehr Zweikämpfe als Andreas Christensen und keiner bereitet mehr Torschüsse vor als Ibrahima Traoré. Letzter dürfte einen großen Anteil haben an einem anderen Alleinstellungsmerkmal: Keine Mannschaft greift so unausgewogen an wie Borussia. Über die rechte Seite wurden 50 Prozent mehr Angriffe gefahren als über die linke.

(RP)
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