Borussia Mönchengladbach Wie einst in Stuttgart, Wolfsburg, Leverkusen, Berlin — und Dortmund

Borussia Mönchengladbach hatte einen klaren Plan für das Spiel in Dortmund, setzte davon aber nur ein paar Prozent um. Beim 1:6 wurden Erinnerungen wach an schlimme Klatschen der Vergangenheit.

Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach: Einzelkritik
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Dortmund - Gladbach: Einzelkritik

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Foto: Dirk Päffgen

Den Plan fast zu 100 Prozent vernachlässigt

Jannik Vestergaard hatte die Aufgaben für das Spiel in Dortmund präzise umschrieben, so dass man sagen konnte: Klingt nach einem Plan! "Der Ballbesitz ist unsere Stärke, und es wäre ärgerlich, wenn man diese Linie verlässt. Es ist eine Balance. Man muss natürlich genau dieselbe Aggressivität haben wie die Dortmunder, damit sie einen nicht überrumpeln", sagte Vestergaard vorab im Interview mit unserer Redaktion. "Doch muss man auch die Ruhe haben. Dann gibt es auch Räume, in denen man ihnen wehtun kann."

Was dann dabei herauskam: 21 Prozent Ballbesitz, eine Passquote von 69 Prozent, 46 Prozent gewonnene Zweikämpfe und eine um einen Kilometer schwächere Laufleistung als der Gegner, was (siehe Anfang der Aufzählung) recht schwierig ist, wenn das Spiel vor allem aus intensivem Verschieben und Anlaufen bestehen sollte. Sprich, der Plan wurde zu 100 Prozent vernachlässigt.

Höchste Niederlage seit 2010

Wolfsburg, Hertha, Freiburg, Tottenham, Köln, Hamburg — so richtig gefordert worden war der BVB bislang nur von einem Gegner, und gegen den hatte es in der Champions League nicht nur die einzigen Gegentore gegeben, sondern eine 1:3-Niederlage in Wembley. Gladbach war am Samstag so weit davon entfernt, die ihm nachgesagte Qualität auf den Platz zu bringen, dass die Aussage, der BVB sei in der Liga zumindest noch nicht gefordert worden, weiterhin ihre Richtigkeit besitzt. So kassierte die Borussia vom Niederrhein ihre höchste Niederlage seit dem 0:7 beim VfB Stuttgart vor fast genau sieben Jahren. Danach ging es übrigens zu Hause gegen einen Aufsteiger, den FC St. Pauli, um Wiedergutmachung, Gladbach verlor 1:2. Nächsten Samstag kommt Hannover 96 — ein Aufsteiger.

Ein 1:6 fehlte noch beim Angstgegner-Bingo

Drei seiner ersten vier Spiele gegen Gladbach verlor Pierre-Emerick Aubameyang. Seit er sich am Toreschießen beteiligt, läuft es wie am Schnürchen. Zu den fünf Erfolgen hintereinander, die der BVB nun feiern konnte, steuerte er sieben Tore bei, darunter sechs in den vergangenen 208 Einsatzminuten. Während Gladbach mit dem FC Bayern und Robert Lewandowski seit Jahren gut klarkommt (gegen keinen Bundesligisten traf der Pole seltener im Trikot des Rekordmeisters), ist der BVB vor allem im Westfalenstadion ein Angstgegner, gegen den die Silbe "Angst" auf der Tribüne ständig greifbar ist. Ein 0:1, 1:2, 0:3, 1:4, 0:4, und 0:5 hatte Gladbach seit dem Wiederaufstieg 2008 beim Angstgegner-Bingo schon abgehakt. Das 1:6 steigert die Bilanz in zehn Gastspielen auf 6:32 Tore und einen wundersamen Sieg im März 2014.

Auch nach dem Spiel nicht wach genug

Angesichts der regelmäßigen Unterstützung von rund 8000 Fans dürfte es zahlreiche geben, die jedes dieser 32 Gegentore live in Dortmund erlebt haben. Trotzdem waren Gladbachs Anhänger ein Lichtblick, weil sie alles unternahmen, damit ihre Mannschaft nicht in Furcht und Lethargie verfällt. Vor dem Spiel wurde lauthals gepusht, nach dem Spiel gab es Aufmunterung und zumindest in der Breite keine Unmutsbekundungen. Der Kern des Stehblocks winkte die Borussen, die rund 20 Meter Abstand hielten, sogar heran, doch selbst da schalteten die Spieler nicht richtig und applaudierten nur aus der Ferne.

Highlight in der 91. Minute

Gab's sonst etwas Positives? Die beste Aktion hob sich Gladbach für die letzten Sekunden des Spiels auf. Da passte Mickael Cuisance so messerscharf und schön auf Jonas Hofmann, dass der scheinbar lieber ein Foto von diesem Zuspiel machen wollte, anstatt einfach das 2:6 zu erzielen. Von Thorgan Hazard ging eher klägliche Schönheit aus, wenn er freistehend Roman Bürki traf oder mal nicht den BVB-Keeper, dafür aber auch nicht das Tor. Seine Ansprüche an sich selbst dürften höher sein. Und Raffael? War zweimal einleitend tätig bei einer Stindl- und einer Hazard-Chance. Die restlichen 14 Ballaktionen in 61 Einsatzminuten galt es, zu vernachlässigen. Eine These zur Verpflichtung Raúl Bobadillas lautete: Je besser Raffael, Stindl und Hazard funktionieren, desto weniger wird er spielen. Daraus ließe sich durchaus ableiten, dass der Paraguayer mal reif ist.

(jaso)
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