Dieter Hecking im Interview „Marco Rose ist eine sehr gute Wahl für Borussia“

Bad Nenndorf · Borussias scheidender Trainer Dieter Hecking spricht über dunkle Zeiten in seiner Laufbahn, seine Zukunftspläne, die Männerfreundschaft mit Max Eberl und seinen Nachfolger in Mönchengladbach.

  Dieter Hecking.

Dieter Hecking.

Foto: dpa/Marius Becker

Dieter Hecking war zweieinhalb Jahre Trainer von Borussia Mönchengladbach. Nach zweimal Platz neun hat er die Gladbacher nun auf Platz fünf und damit in die Europa League geführt. Zur neuen Saison wird er, das hat Sportdirektor Max Eberl entschieden, durch Marco Rose (RB Salzburg) ersetzt. Wir haben Hecking in seinem Familiensitz nahe dem niedersächsischen Bad Nenndorf zum Interview getroffen.

Herr Hecking, seit Ihrem letzten Spiel als Trainer in Mönchengladbach, dem 0:2 gegen Borussia Dortmund zum Saisonausklang, ist etwas mehr als eine Woche vergangen. Wie fühlen Sie sich?

Hecking Es geht mir gut. Aber es ist auch klar, dass es noch etwas braucht, bis ich verarbeitet habe, wie es dazu gekommen ist, dass ich in der nächsten Saison nicht mehr Trainer der Borussia bin. Die Entscheidung für Marco Rose war ja wohl doch schon früher gefallen. Aber mit ein paar Tagen Abstand schaut man dann doch auf das, was bleibt: Borussia ist wieder in Europa. Wenn uns allen jemand vor der Saison gesagt hätte, wir werden Fünfter, hätten wir das sofort unterschrieben. Wir haben also gut gearbeitet.

Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass es mit Europa geklappt hat?

Hecking Ich wollte in Gladbach etwas Bleibendes hinterlassen. Ich hatte gesagt, dass es am liebsten die Champions League sein soll. Das wäre eine Geschichte gewesen. Aber nimmt man die gesamte Saison, sind die 55 Punkte ein gutes Ergebnis. Wir standen nie schlechter als Platz sechs und es ist, zusammen mit den Punkten, die Lucien Favre 2014 und Andre Schubert 2016 erreicht haben, drittbeste Gladbacher Ergebnis seit Einführung der Drei-Punkteregel.

Wie in der Vorsaison wurde das mögliche Mehr durch eine Schwächephase in der Rückrunde verspielt. An welcher Stelle hätten Sie etwas anders machen können oder müssen, um vielleicht mehr herauszuholen?

Hecking Glauben Sie uns, mein Trainerteam, die Mannschaft und ich haben zu jedem Zeitpunkt das gemacht, wovon wir überzeugt waren, dass es das Beste für den Erfolg ist. Dass sich im Nachhinein herausstellt, dass es dann nicht so funktioniert hat, ärgert uns am meisten. Ich hab mal ein Sprichwort gehört: ,Nach dem Kampf kann jeder ein guter Stratege sein – das Schwierige ist vorher…’ Das trifft´s ganz gut.

Borussia Mönchengladbach: Dieter Hecking weint beim Abschied
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Dieter Hecking weint beim Abschied

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Wie groß war die negative Überraschung, als Sportdirektor Max Eberl Ihnen sagte, dass es nach der Saison trotz des im November verlängerten Vertrages nicht weitergehen würde?

Hecking Es hatte sich überhaupt nicht angedeutet, dass es zu Ende gehen würde. Wir hatten zwei Tage vorher noch ein Kaderplanungsgespräch...

Das Team war auch überrascht?

Hecking Aus meiner Sicht schon. Wir hatten am Sonntag nach dem 1:3 in Düsseldorf einen schon lange verabredeten gemeinsamen Brunch, zu dem ich das Team eingeladen hatte. Da habe ich alle nochmal auf die letzten sieben Spiele eingeschworen. Am Dienstag war alles hinfällig. Als Max in der Kabine die Nachricht verbreitet hat, war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Es war für alle Betroffenen eine überraschende Entscheidung. Aber wir sind alle Profis und mussten damit umgehen.

Ist da eine Männerfreundschaft zwischen Max Eberl und Ihnen zerbrochen?

Hecking Nein, so weit würde ich nicht gehen. Bei aller Enttäuschung sehe ich es so, dass Max die Gesamtsituation des Klubs im Auge haben muss. Und er hat für sich eine Entscheidung gefällt, die auch ihm sicher nicht leicht gefallen ist. Wenn ein paar Wochen vergangen sind, wird es wieder die Freundschaft sein, die es in den zweieinhalb Jahren unserer Zusammenarbeit geworden ist.

Eberl hat immer betont, dass es für Sie eine Herzensangelegenheit war, Borussia zu trainieren.

Hecking Es gibt Vereine, bei denen man immer schon Lust hatte, da anzupacken und im Team etwas zu bewegen. Borussia hat, und damit meine ich jetzt nicht die Mannschaft, sondern alle, die im Klub arbeiten, ein hervorragendes Team. Es war schon so, dass ich nach meiner Zeit als Spieler die Borussia immer verfolgt habe. Und ich hatte jetzt vom ersten Tag an das Gefühl, dass es ein Klub ist, in dem man sich sehr gut einbringen, seine sportlichen Ziele verfolgen kann und dabei auch die volle Unterstützung des Klubs hat. Dieses Klima sollte sich Borussia erhalten, das gibt es nicht bei vielen Vereinen.

Gibt es einen Verein, blickt man auf Ihre Zukunft, der diese Merkmale auch erfüllt?

Hecking Ich habe 2016 nach der Zeit in Wolfsburg und vor meinem Engagement bei Gladbach ein Ranking aufgestellt von Vereinen, die mich interessieren würden. Das werde ich nicht im Detail preisgeben, aber natürlich gibt es Klubs für die man eine gewisse Sympathie hegt, zum Beispiel, weil man in der Jugend Vorbilder hatte, die dort spielten…

Dieter Hecking im Porträt: Trainerstationen, Erfolge
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Das ist Dieter Hecking

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Wer waren denn damals Ihre Vorbilder?

Hecking Klaus Fischer oder Kevin Keagan.

Fischer spielte für Schalke 04, Keagan für den Hamburger SV…

Hecking Ja. Schalke und Hamburg sind zwei Vereine, die mich in frühester Kindheit gepackt hatten. Schalke sicher noch etwas mehr durch meinen Vater, der eingefleischter Schalke-Fan ist. Er hat mich zum ersten Mal mitgenommen zu einem Spiel ins Parkstadion. Schalke hat bei strömendem Regen gegen Frankfurt gespielt.

Mit Schalke gab es jetzt Kontakt.

Hecking Ja, wir haben miteinander gesprochen. Ich hätte es mir gut vorstellen können.

Der neue Schalke-Trainer David Wagner ist auch einer aus der jungen Trainergeneration. Acht Vereine gehen in die neue Saison mit einem Bundesliga-Neuling an der Linie, unter anderem Borussia mit Marco Rose. Wird Ihre Trainergeneration zu negativ gesehen?

Hecking Ich halte die Abschlusstabelle der Bundesliga dagegen. Wenn man die ersten sieben Klubs nimmt, ist Niko Kovac mit 47 Jahren der Jüngste – und er ist Trainer des FC Bayern München. Lucien Favre und Ralf Rangnick sind jeweils 60, Peter Bosz ist 55, Dieter Hecking und Bruno Labaddia 53, Adi Hütter 49. Also: Wo sind die ganz jungen Kollegen? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern wirklich argumentativ. Die Erfahrung scheint doch ganz erfolgreich zu sein.

Wie wichtig ist der menschlich-soziale Aspekt, die Moderation in der Kabine, für den Trainerberuf? Das hat auch mit Lebenserfahrung zu tun. Florian Neuhaus hat zum Beispiel über Friedhelm Funkel und Sie gesagt, dass gerade die Ansprache wichtig und hilfreich sei.

Hecking Ich halte das für extrem wichtig. Den Jungs müssen Werte vermittelt werden, die sie brauchen im Mannschaftssport Fußball. Ich verstehe es als meine Aufgabe als Trainer, diese Werte zu vermitteln. Es mag ja sein, dass mancher diese Werte für überholt hält, aber sie haben Bedeutung, zum Beispiel, wenn es um die Kabine geht: Da muss es geschlossen sein. Nur mit Egoismen kann es da nicht funktionieren und man kann auch nicht über alle Disziplinlosigkeiten hinweggehen.

Wann geht es bei Ihnen weiter?

Hecking Ein Freund sagte, ich könne zwischen vier Wochen und vier Monaten Urlaub wählen. Im Moment gehe ich von vier Monaten aus. Aber im Fußball kann es auch plötzlich sehr schnell gehen.

Zum Beispiel mit dem Hamburger SV? Nun ist aber Sportvorstand Ralf Becker durch Jonas Boldt ersetzt worden.

Hecking Es hat Gespräche gegeben, das ist bekannt. Darüber hinaus möchte ich nur so viel sagen: Die Entwicklung beim Hamburger SV hat mich überrascht.

Den Spaß am Job haben Ihnen die Entwicklungen in der Branche, die Sie zuletzt kritisiert haben, und das, was in Gladbach passiert ist, aber nicht verleidet?

Hecking Die Begeisterung für den Fußball lasse ich mir nie nehmen. Aber ich muss zugeben: Es war schon die schwerste Zeit meiner Trainerkarriere. Ganz einfach, weil es mich total unvorbereitet getroffen hat – da gab es schon ein paar Tage, an denen ich mich gefragt habe: Warum machst du das noch? Die Antwort war für mich immer: Die Mannschaft hat es verdient, dass der Chef bis zum letzten Tag bleibt. Das kann man romantisch finden, und vielleicht gab es den einen oder anderen, der meinte: Wäre er doch schon weg. Andere sagen: Schade, dass er gehen muss. An manchen Tagen hat mich mein engster Staff aufgefangen: Dirk Bremser, Frank Geideck, Uwe Kamps und Steffen Krebs.

Hatten Sie schon Kontakt zu Ihrem Nachfolger Marco Rose?

Hecking Marco hat mich in der vergangenen Woche angerufen. Er hat mir zum Erfolg mit der Europa League gratuliert. Wir kennen uns durch eine gemeinsame Leipziger Zeit und aus der Zeit, als er in Hannover Spieler war. Ich schätze ihn sehr. Ich denke, er wird als Typ das fortführen, was ich vorgelebt habe, so habe ich ihn kennengelernt. Er ist sehr bodenständig, hat klare Werte, eine klare Ansprache und eine klare Spielidee. Ich glaube, dass Marco Rose eine sehr gute Wahl ist.

Ist Gladbach ein Klub, der nachhaltig um die Plätze zwei bis sechs spielen kann?

Hecking Ich halte da eher die Plätze vier bis neun für realistisch. In dem Bereich wird es Borussia immer wieder hinkriegen und muss es auch. Europa sollte das Ziel sein, auch wenn mal Platz acht oder neun herauskommt. Der Klub hat sich enorm entwickelt von der Infrastruktur her, und er steht nicht still. Man will immer noch ein bisschen mehr – aber nur so kommt man voran.

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