Borussia vor 15 Jahren Die kurze Advocaat-Zeit und ihr Erbe

Mönchengladbach · Am Mittwoch vor 15 Jahren feierte Dick Advocaat sein Debüt bei Borussia. Der niederländische Trainer blieb nur 167 Tage, führte aber die „Elf vom Niederrhein“ ein.

 Dick Advocaat war 2004/2005 Borussia-Trainer

Dick Advocaat war 2004/2005 Borussia-Trainer

Foto: Wiechmann, Dieter (dwi)

Seit dem 6. Oktober ist Borussia Spitzenreiter der Bundesliga, am Mittwoch genau einen Monat. Am Tag nachdem die Borussen beim 2:1 in Leverkusen zum dritten Mal Platz eins behaupteten, feierte unweit des Borussia-Parks ein früherer Gladbach-Trainer ein Debüt, Dick Advocaat hat nach dem Rücktritt von Jaap Stam den Trainerposten bei Feyenoord Rotterdam übernommen und kam nun mit dem Europa-League-Teilnehmer zu VVV Venlo. 3:1 siegte Advocaats Team dort im Stadion de Koel, in dem er selbst früher spielte für VVV. An seine kurze Episode als Gladbach-Trainer wird sich der heute 72-Jährige nicht mit großer Euphorie zurückerinnern.

Vor 15 Jahren war die Welt im Borussia-Park noch eine andere. Die Gladbacher hatten das neue Eigenheim gerade bezogen, doch so recht kam Trainer Holger Fach nicht voran. Nach dem 0:3 in Bochum war dann Schluss für Fach. Für den Sieg gegen die Bayern übernahm Horst Köppel. Dann kam Advocaat.

„Der kleine General“ war ein Trainer mit einem großen Namen und sein Auftrag war es, Borussia im neuen Stadion zu stabilisieren und wieder zu einer wohlklingenden Adresse im europäischen Fußball zu machen. Sieben neue Spieler kamen im Winter, schon im Sommer war das Team extrem umgebaut worden. Mit viel Autorität und internationaler Erfahrung sollte Advocaat Borussia sportlich auf den guten Weg führen, der wirtschaftlich mit dem neuen Stadion längst eingeschlagen worden war.

Doch nach 167 Tagen war das Experiment zu Ende. Advocaat, Borussias erster Cheftrainer aus dem Ausland, erhielt sogar Morddrohungen und trat nach dem 1:1 im Rückspiel gegen Mainz zurück. Horst Köppel übernahm jetzt endgültig, er führte die Borussen am Ende einer chaotischen Saison mit 15 neuen Spielern, drei Trainern und zwei Sportdirektoren (Peter Pander ersetzte Christian Hochstätter) auf Rang 15. Mit dem Anspruch des Klubs hatte das nichts gemein, „Kaufhaus des Westens“ wurde Borussia aufgrund der Transferaktivitäten genannt, kein schmeichelhafter Kosename.

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International war in jener Zeit in Gladbach nur das Saisonvorbereitungsturnier mit dem FC Bayern und dem AS Monaco sowie die Kaderstruktur: Spieler aus zehn Nationen und von vier Kontinenten waren in dieser Spielzeit Borussen. Europapokalspiele waren eine Erinnerung an vergangenen Zeiten und in der Zukunft eine scheinbar unerreichbare Utopie. Der Klub hatte keine echte Identität, vieles passierte im „Trial-and-Error“-Verfahren.

Es war die Zeit, in der schneller Erfolg erzwungen werden sollte, doch die Nachhaltigkeit fehlte. Die kam erst später, als Max Eberl Manager wurde. 2009 beweinte Mönchengladbach den Verlust seines größten Hoffnungsträgers: Marko Marin ging zu Werder Bremen. Doch stand nun ein schmaler Blondschopf auf dem Hof, aus der Zweiten Liga von LR Ahlen gekommen: Marco Reus.

Er wurde zur Verheißung des Aufschwungs, spätestens unter Trainer Lucien Favre. Der Fußball-Professor aus der Schweiz und der Mann, der spielte wie auf der Playstation, führten Borussia im Raketentempo aus der ständigen Tristesse in die Höhenlagen des nationalen Fußballs und auf die internationale Bühne bis in die Champions League.

Und doch hat Advocaat etwas hinterlassen, was den Gladbachern wichtig ist: Auf seinen Wunsch hin wurde vor 15 Jahren eingeführt, dass die „Elf vom Niederrhein“ als Einlauflied gespielt wurde, um die Borussen emotional auf das Spiel einzustimmen. Zwar läuft seit dieser Saison „Die Seele brennt“, wenn die Teams auf den Rasen kommen, doch die Idee des musikalischen Vorspiels ist das wesentliche Erbe einer Zeit, in der die Seele sportlich mehr geweint als gebrannt hat.

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