Borussia Mönchengladbach Borussias Ansage und Favres Schatten

Mönchengladbach · Bei den Fans gibt es einen Richtungsstreit um Trainer André Schubert. Der Klub hat nun reagiert und klargestellt, dass es keine Trainerdiskussion gibt. Ein Problem, das Schubert hat, hatte auch ein erfolgreicher Ex-Trainer: Udo Lattek.

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Das ist Lucien Favre

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Foto: dpa/Guido Kirchner

Man muss es wohl so sagen: Es gibt einen Richtungsstreit unter den Fans von Borussia Mönchengladbach. In dem geht es darum, ob André Schubert der richtige Trainer für den Verein ist. Diejenigen, die nicht der Meinung sind, haben das laut und in zuweilen extremer Tonalität kundgetan nach dem 0:3 der Borussen in Berlin, dem fünften Bundesligaspiel ohne Sieg und Tor in Folge. Auf den Tribünen des Olympiastadions wurde schon kontrovers diskutiert, und nachher natürlich im Internet.

Die Blogger-Gruppe "Halbangst" bildete gar ein Tribunal und senkte wortreich den Daumen über Schubert: Es sei "das Ende einer Amtszeit", teilten die Fans mit. Das Blog "Mitgedacht" räsonierte derweil über die Verrohung der Sitten in der Gladbacher Fanszene. "Kritisiert gerne, aber sachlich und mit der nötigen Tiefe - und nicht polemisch und ausufernd. Unser Appell: Bleibt alle ruhig!", war da zu lesen. Das Online-Magazin "Torfabrik" schloss seine Überlegungen zum Thema mit der Feststellung: "Nach zehn Spielen den Rauswurf des Trainers zu fordern, ist gleichwohl reine Panikmache."

Eine tatsächliche Trainer-Diskussion gibt es bei den Borussen ohnehin nicht. Zum einen wurde der Vertrag mit Schubert eben erst bis 2019 verlängert, zum anderen bezogen Vize-Präsident Rainer Bonhof und Sportdirektor Max Eberl eindeutig Stellung. "Wir wissen, woran wir sind und was wir haben. Darum sind solche Diskussionen für uns kein Thema. In der vergangenen Saison hat sich doch unabhängig davon, ob wir mit einer Dreier-, Vierer- oder Fünferkette gespielt haben, gezeigt, dass man mit Selbstvertrauen und einem Lauf viel erreichen kann. Nun alles in Frage zu stellen, halte ich für sehr übertrieben und finde es nicht gut", sagte Bonhof im Interview mit unserer Redaktion. "Es ist schon pervers, wenn wir darüber reden, ob ein Trainer entlassen werden könnte, der einen Klub in zehn Monaten vom letzten Platz in die Champions League geführt hat. Das ist eine Schnelllebigkeit des Geschäfts, die ich für sehr gefährlich halte", befand Eberl in Sport-Bild.

Mit derlei Themen mussten sich Borussias Bosse seit Jahren nicht beschäftigen. Auch Schuberts Vorgänger Lucien Favre hatte seine Krisen, auch da gab es Mäkeleien, aber viel verhaltener, mehr im Tuschelbereich. Favre war für die meisten Fans nahezu unantastbar: Er holte Borussia nach vielen Jahren voller Ziellosigkeit und Tristesse zurück, er war Retter und Reformator, sie nannten Favre "Hennes".

Der direkte Vergleich mit dem großen Meistertrainer, dem Vater der Fohlenelf, dem Jahrhunderttrainer, mit Hennes Weisweiler, ist ein Ritterschlag für einen Borussen-Trainer, mehr geht nicht. Umso größer ist der Schatten für den Nachfolger. Es ist wie in der Liebe. Nach der Liebe des Lebens hat es die nächste Liebe schwer, sie kann zunächst ja nur kleiner sein. Und sie muss immer den Vergleich aushalten.

Was Schubert erlebt, erlebte einst auch Udo Lattek. Er war der Trainer nach Weisweiler, und er wurde nie so geliebt wie sein Vorgänger, trotz zweier Meisterschaften, einem Uefa-Cup-Sieg und der Teilnahme am Endspiel um den Landesmeisterpokal 1977. Zu groß war das Erbe Weisweilers, der Borussia auch noch auf dem nicht zu überbietenden Höhepunkt verließ: 1975, als Gladbach Meister und Uefa-Cup-Gewinner war, letzteres nach dem perfekten Borussia-Spiel, dem 5:1 in Enschede. Weisweiler stand für Euphorie und Spaßfußball, Lattek für titelheischenden Pragmatismus und daher oft in der Kritik.

Weisweiler und Favre waren bei Borussia jeder auf seine Art schrullig. Männer mit Sachverstand und hohem Kultpotenzial, regelrechte Menschenfänger. So war es auch bei Hans Meyer, der die total abgestürzte Borussia (Schuldenberg, Letzter der Zweiten Liga) Anfang des Jahrtausends neu belebte, auch seine Nachfolger hatten es schwerer, in den Herzen der Fans anzukommen. André Schubert ist da eher wie Lattek: pragmatisch. Er weiß daher, dass es ein langer Weg aus Favres Schatten ist. Lattek ist nie wirklich aus Weisweilers Schatten herausgekommen.

Als Favre ging, war Borussia Dritter in der Saison zuvor, und viel besser als die direkte Champions League-Qualifikation geht es nicht, da müsste Schubert schon Titel holen. Auch er hat den Klub von Platz 18 nach oben geführt, wie Favre, doch eben nicht nach gefühlt fast zwei Jahrzehnten Leidenszeit, sondern nach einem Knick im allgemeinen Höhenflug.

Hinzu kommt, dass Favres Fußball nicht nur schön war ("Borussia Barcelona"), sondern den Fans das Gefühl maximaler Sicherheit gab (zwischenzeitlich die beste Abwehr Europas). Es gab ein in Stein gemeißeltes System, das immer auch Rückzugsmöglichkeit war für das Team und die Fans. Jeder wusste, was er bekommt. Favre war der Mann, dem die Borussen total vertrauten. Schubert indes setzt auf große Flexibilität, taktisch und personell. Das ist modern. Aber modern macht auch Angst: Warum ändern, was so gut klappte? Es ist im Fußball aber immer so: Gut ist, was erfolgreich ist. Als Schubert eine Serie hinlegte, wurde er gefeiert. In der Niederlage kommen die Zweifel, bei manchem schneller als bei anderen. Schubert muss sich das tiefe Vertrauen noch erarbeiten.

Ein Jahr ist Schubert nun Cheftrainer, er hat Borussia in dieser Zeit mehr und mehr schubertisiert - und nun steht seine Version von Borussia auf dem Prüfstand: Wie gut ist sie wirklich? In Saisonphase eins war sie richtig gut, in Saisonphase zwei weniger. Mit dem rheinischen Derby beginnt Teil drei der Hinrunde, und der wird wegweisend sein. "Wir wollen in der Bundesliga eine Serie starten und im Europapokal überwintern", hat Schubert in Berlin gesagt. Das ist eine klare Ansage. Und ein Maßstab.

(kk)
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