Sechser analysiert Borussias Lage Für Kramer hat der „Schritt in die richtige Richtung“ ein paar Haken
Mönchengladbach · Endlich nicht mehr nur Tribünengast und Podcaster: Christoph Kramer hat sich in einer komplizierten Situation zurückgemeldet bei Borussia. Nach seinem ersten Einsatz auf dem Rasen seit Anfang Oktober war der Mittelfeldspieler gleich wieder als Analyst gefragt.
In der 64. Minute gegen Eintracht Frankfurt durfte Christoph Kramer seine Beobachterrolle ablegen und nach zweieinhalb Monaten wieder rein ins Geschehen. Sieben Spiele hatte er von der Tribüne aus verfolgt oder zu Hause vor dem Fernseher gesessen, zwei auf der Bank verbracht beim 0:6 gegen Freiburg und beim 1:4 in Leipzig. Während seiner Verletzungspause war Kramer mehrfacher Podcast-Gast (unter anderem bei den Kroos-Brüdern) und Fernseh-Gast (bei seinem Freund Tommi Schmitt), doch nun war der 30-Jährige zurück auf dem Rasen.
2:3 stand es, als Kramer für Laszlo Bénes ins Spiel kam, 2:3 stand es, als eine halbe Stunde später Schluss war. In Überzahl musste Kramer die Sechserrolle möglichst offensiv interpretieren, scheiterte einmal per Kopf und flankte mit links auf den Kopf von Matthias Ginter. Und nachdem er sich das Trikot von Frankfurts Oldie Makoto Hasebe gesichert hatte, kehrte Kramer sogleich zurück in den Experten- und Analystenmodus. Bei „Sky“ erklärte er Borussias Lage nach vier Pleiten in Folge, als einziger Spieler stand er in der Mixed Zone den Journalisten Rede und Antwort.
Mehrmals sprach Kramer von einem „Schritt in die richtige Richtung“, wählte aber eine wichtige Einschränkung. „Das war in der ersten Halbzeit sicher ein vernünftiger Schritt in die richtige Richtung, in der zweiten war es wieder unfassbar wild“, sagte der Mittelfeldspieler. Er selbst legte die Latte für einen Hauch von Zufriedenheit dabei nicht sonderlich hoch: „Generell ist es gut, dass wir nicht untergegangen sind. Es ist unheimlich schwer, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, wenn man so viel falsch gemacht hat in den letzten Wochen.“
Noch als Beobachter von außen habe er sich natürlich gefragt, wie derartige Systemausfälle passieren können. Aber man dürfe auch nicht alles „totanalysieren“. „Wenn man sich irgendetwas nicht erklären kann wie ein 0:6 gegen Freiburg, landet man schnell dabei, dass man etwas erzwingen muss. Aber du kannst im Fußball nichts erzwingen. Schön und gut, aber es geht immer um die Art und Weise“, sagte Kramer. Borussia habe wieder „lösungsorientiert gespielt und versucht, Räume zu bespielen, wo es einfacher ist, in gute Situationen zu kommen“. Doch dort sah sie sich gleich mit einem derzeit kaum zu überwindenden Problem konfrontiert. „Es reicht nicht, vernünftige Lösungen zu kennen, man muss sie auch durchführen. Da haben wir gerade das Problem, dass es nicht einfach ist, einen sicheren Fuß zu haben“, sagte er.
So wackelt und schlittert Borussia in die Winterpause, Kramer findet sich erstmals seit seiner zweiten Saison in Bochum vor neun Jahren richtig im Abstiegskampf wieder. Seine Hoffnung: „Wir wissen alle, wie schnell es im Fußball gehen kann.“ Vor dem Beginn der historischen Pleitenserie hatte Gladbach den Rückstand auf die Champions League tatsächlich auf drei Punkte verringert und acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz herausgearbeitet. Übrig ist vor dem letzten Hinrundenspiel bei der TSG Hoffenheim am Samstag (15.30 Uhr/Sky) noch ein einziger. „Die Situation haben wir uns so eingebrockt, die Suppe müssen wir zusammen auslöffeln“, sagte Kramer.
Die Suche nach Erklärungen landete zwangsläufig bei den fünf Minuten, in denen Borussia erst in Rückstand geriet, prompt ausglich und noch schneller wieder hinten lag. „Nach dem 1:2 denkst du: Das kann nicht sein. Dann machst du das 2:2, holst den Ball aus dem Tor und denkst: Jetzt, jetzt! Dann rennst du ein bisschen blind nach vorne, weil du zu emotional wirst, und wirst mit einem Doppelpass ausgespielt. Auf einmal läuft einer 40 Meter alleine auf unser Tor zu.“
Kramer persönlich zählt in dieser Woche eher zu den Gewinnern, weil ihm in Hoffenheim aufgrund der Sperre von Manu Koné das Startelf-Comeback winkt. Zuletzt durfte und konnte er Ende August bei Union Berlin beginnen.