Borussia Mönchengladbach Wie eine fehlgezündete Silvester-Rakete

Mönchengladbach · Niemand kann behaupten, dass die Borussia am Samstag keinen Plan gehabt hätte, um mit der ligaweit gefürchteten, oft gelobten, aber manchmal auch regelrecht bepöbelten Spielweise des FC Ingolstadt fertig zu werden. Sie scheiterte nur völlig an der Umsetzung.

Borussia Mönchengladbach: Analyse zum Spiel beim FC Ingolstadt 04
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Analyse: Was gegen Ingolstadt in die Hose ging

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Foto: Dirk Päffgen

André Schubert hatte den Plan am Donnerstag auf der Pressekonferenz ausführlich erläutert, jeder kann es sich online noch einmal anhören: "Gut aufbauen. Versuchen, keine Fehler im Aufbau zu machen und nach vorne zu kombinieren trotz des Drucks, den der Gegner ausübt. Natürlich wirst du, wenn der Gegner hoch presst, immer mal wieder dazu gezwungen, einen langen Ball zu spielen. Dafür brauchen wir auch eine Idee, um den Ball in die Tiefe zu bekommen. Da haben wir uns in den vergangenen Wochen und Monaten aber entwickelt."

Gut 50 Stunden später saß Schubert nicht mehr am Niederrhein, sondern in Oberbayern hinter einem Mikrofon. Inhaltlich sagte er fast das Gleiche, nur Tempus und Gesichtsausdruck hatten sich verändert: "Ingolstadt presst hoch, du musst relativ schnell die erste Pressingzone überspielen, musst in die Tiefe kommen. Dafür musst du aber auch Läufe in die Tiefe anbieten. Das haben wir nicht getan." Der Spielaufbau sei "zu kompliziert" gewesen, seine Mannschaft habe "zu viel kurz und quer gespielt genau in der Zone, wo Ingolstadt pressen will. Damit haben wir ihnen in die Karten gespielt."

Ein Youtube-Link hätte reichen sollen

Schubert hat sich in den vergangenen sieben Monaten nicht gerade als Liebhaber der medialen Kommunikation geoutet, der Pressekonferenzen in Jürgen-Klopp-Manier zur Bühne macht. 97 bis 99 Prozent seiner Worte sollten im besten Fall wohl an seine Spieler gerichtet sein. Die müssen seine Ideen schließlich umsetzen. Deshalb darf davon ausgegangen werden, dass die Borussen zwischen Donnerstagmittag und Samstagnachmittag etwas vom Schubert-Plan mitbekommen haben — oder wenigstens mit dem Youtube-Link der Pressekonferenz versorgt worden sind. Das hätte reichen sollen.

Was dennoch schiefgelaufen ist in Ingolstadt, wird bereits deutlich, wenn man sich nur die ersten acht Minuten noch einmal ansieht und das Gesehene auf 90 Minuten hochrechnet. Denn echte Brüche gab es im Spiel nicht. Von Beginn an ließ sich die Borussia vom Stil des Gegners anstecken, hielt fast nie den Ball flach und geriet andauernd in absurde Kopfball-Stafetten.

 Thorgan Hazard flog mit einer Passquote von nur 52 Prozent nach Hause. Hier bleibt er in Strafraumnähe an einem Gegner hängen.

Thorgan Hazard flog mit einer Passquote von nur 52 Prozent nach Hause. Hier bleibt er in Strafraumnähe an einem Gegner hängen.

Foto: Screenshot Sky

Besonders bemerkenswert war die 4. Minute des Spiels: Viermal landete der Ball irgendwo zwischen Strafraumgrenze und imaginärer 30-Meter-Linie bei einem Borussen, viermal blieb der Passgeber an einem Ingolstädter hängen. Es ist falsch, zu behaupten, dass Gladbach keine langen Pässe in die Tiefe spielte. Sie tauchen nur nicht in der Statistik auf, weil sie viel zu oft stecken blieben wie eine fehlgezündete Silvester-Rakete in der Sektflasche.

Bei 61 Prozent lag die Passgenauigkeit am Ende. Im DFL-Archiv gehen die Statistiken bis 2009 zurück. Unter 233 Bundesligaspielen der Borussia in dieser Zeit findet sich nur ein einziges mit einer schlechteren Quote: Im Februar 2011 betrug sie im Spiel beim FC St. Pauli nur 60 Prozent. Zur Erinnerung: Die letzte Partie unter Michael Frontzeck wurde nicht nur weitgehend in Unterzahl, sondern auch ohne richtigen Rasen als Tabellen-Schlusslicht absolviert.

Besonders unter Lucien Favre gab es zahlreiche Handballspiele mit Passquote in Barcelona-Bayern-Sphären um die 90 Prozent. Unter Schubert liegt sie im Schnitt immer noch bei 81 Prozent, Platz vier in der Liga, weshalb es der völlig falsche Ansatz wäre, aus Samstag ein Problem abzuleiten, welches das Wochenende überdauern wird.

 Besser wurd's nicht: Granit Xhaka schickt André Hahn steil, doch der findet auf dem Weg zum Tor den dritten Gang nicht.

Besser wurd's nicht: Granit Xhaka schickt André Hahn steil, doch der findet auf dem Weg zum Tor den dritten Gang nicht.

Foto: Screenshot Sky

Statt Handball wollte Schubert seinem Team ein bisschen American Football verordnen mit langen Pässen auf die Wide Receiver André Hahn und Thorgan Hazard. Nur kam ihm in der zweiten Halbzeit sein verwarnter Quarterback Granit Xhaka abhanden und der Trainer versäumte es, ein paar Runningbacks wie Ibrahima Traoré aufs Feld zu schicken, die mit dem Ball am Fuß für Raumgewinn sorgen können. Der wichtigste Mann in dieser Disziplin, MVP Raffael, fehlte verletzt.

Dass es dann nicht einmal das zweite 0:0 gegen Ingolstadt gab, war die negative Pointe des Spiels aus Borussia-Sicht. Bei Moritz Hartmanns Siegtreffer nach Mathew Leckies Flanke und Almog Cohens gar nicht mal so gewollter Weiterleitung verteidigte der VfL einfach schlecht. Für die größten Sorgenfalten sorgt gar nicht die Auswärtsmisere an sich oder die unendliche Achterbahnfahrt — es ist die immer neue Art des Scheiterns.

(jaso)
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