Borussia Mönchengladbach Köln geht den Gladbacher Weg
Mönchengladbach · Max Eberl und Jörg Schmadtke: Die beiden Sportdirektoren haben Gladbach und Köln wieder auf den richtigen Kurs gebracht.
Es war Ende September 2013, als der 1. FC Köln auf seinem vereinseigenen YouTube-Kanal ein Video hochlud. Nach acht Spieltagen stand er damals ungeschlagen auf Rang zwei der Zweiten Liga, und im Pokal hatte er gerade Erstligist Mainz 05 rausgeworfen. Ganze 1:10 Minuten lang ist die Sequenz, von Schnitt und Dramaturgie her wahrlich kein Objekt für Filmförderung.
Im Bild einzig Sportdirektor Jörg Schmadtke, im weißen Hemd, in der Hand ein FC-Mikro, im Hintergrund ein japanischer Garten, dazu fernöstliche Beruhigungsklänge. Schmadtke lächelt in die Kamera, sagt: "Lieber FC-Fan", und dann sagt er als sich wiederholendes Mantra: "Ruhig, gaaaaanz ruhig bleiben!"
Es ist nur ein Video, aber es sagt bis heute vieles, ja alles darüber aus, was sich seit Schmadtkes Amtsantritt in Köln im Sommer 2013 bei diesem Verein getan hat: Es ist ruhig geworden um den FC — ruhig im maximal-positiven Sinne. Denn so unterhaltsam der FC zuvor in all seiner Folklore, all seinem Chaos und all seinen (unfreiwilligen) Schlagzeilen für die Boulevard- Medien auch war, die Mehrheit der Anhänger sehnte sich seit langem nach dem, was mit Schmadtke und seiner auf großem Selbstvertrauen basierenden, ruhigen Art des Arbeitens kam: Erfolg und Kontinuität.
"Was man nicht verlieren darf, ist die innere Distanz zu dem ganzen Geschäft", sagte Schmadtke kurz nach seinem Dienstantritt in Köln. Gemeinsam mit dem anderen, gleichberechtigten Geschäftsführer Alexander Wehrle und dem österreichischen Trainer Peter Stöger lenkte Schmadtke den FC in den vergangenen drei Jahren in kaum möglich gehaltenes ruhiges Fahrwasser. 2014 stieg Köln wieder in die Bundesliga auf, 2015 schaffte es vor allem dank einer intelligenten Defensive bereits drei Spieltage vor Schluss den Klassenerhalt.
Und in der nun laufenden Serie hat sich der FC längst als Klub im gesicherten Mittelfeld etabliert. Gerade mit Blick auf das anstehende Derby könnte man die Entwicklung des FC auch so zusammenfassen, indem man sagt: In Köln gehen sie den Gladbacher Weg. Daraus macht Schmadtke auch gar keinen Hehl. "Bei aller Rivalität aus der Sicht des Kölners muss ich die Gladbacher loben. Sie haben in den letzten Jahren richtige Entscheidungen getroffen. Dadurch haben sie einen deutlichen Vorsprung gegenüber uns, sportlich wie wirtschaftlich. Deshalb sind sie weiter als wir", sagte er bereits vor gut einem Jahr.
Am Vorsprung Borussias hat sich seitdem wenig geändert, am ungebrochen positiven Weg des FC indes ebenso wenig. "Vermutlich war die Zeit reif, dass Typen wie wir kommen, um die Dinge ein wenig demütiger und ruhiger zu betrachten. Der Standort Köln ist immer mit Emotionalität verbunden, die wollen wir auch — sie darf nur nicht deine Handlung beeinflussen", sagte Schmadtke mal.
Sein Kollege Max Eberl hätte selbiges über Gladbach und seine Mitstreiter um Geschäftsführer Stephan Schippers sagen können. In Gladbach wie in Köln haben die Verantwortlichen es geschafft, die Erwartungshaltung aus der glorreichen Vergangenheit herauszulösen und sie an das jeweils Machbare anzunähern. Die öffentliche Meinung ist nicht länger Triebfeder für Entscheidungen des Vereins, der Umgang mit dem Image des Traditionsvereins beschränkt sich inzwischen auf ein Wuchern mit den positiven Seiten, nicht mehr auf ein Stolpern über die Risiken.
Eberl wie Schmadtke gingen dabei durchaus auch Risiko — gerade bei der Trainerwahl. Schmadtke holte 2013 den hierzulande unbekannten Stöger, Eberl 2011 den als schwierig geltenden Schweizer Lucien Favre. Beide Trainer erwiesen sich als Glücksfälle, die die positive Entwicklung ihrer Vereine ebenso maßgeblich mitverantworte(te)n wie die Sportdirektoren mit klugen Transfers und der Einsicht, auf entwicklungsfähige Talente zu setzen.
Parallel zur sportlichen fand bzw. findet in beiden Vereinen eine finanzielle Konsolidierung statt. Auch hier taugt Borussia dem FC durchaus als Vorbild, wenn es darum geht, erst Altlasten abzubauen, um dann irgendwann verdientes Geld auch in den Sport reinvestieren zu können. "Ein bis zwei Jahre müssen wir uns noch stabilisieren. Auch, um unsere Wirtschaftlichkeit zu verändern. Sollte uns das gelingen, dann sind wir aufgrund des Standortes und der Mitgliederzahl dazu aufgerufen, höhere Ziele ausgeben zu müssen. Wenn wir in fünf Jahren noch Erste Liga spielen, werden wir auf die einstelligen Tabellen- beziehungsweise internationalen Plätze schielen müssen", sagte Schmadtke im vergangenen August.
Seine Prognose könnte sich womöglich noch schneller bewahrheiten. Eberl und Schmadtke machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich schätzen, sich austauschen und ein engeres Verhältnis zueinander haben als zum Rest ihrer Kollegen. Beide haben sich längst als die zentralen Figuren in den beiden Vereinen etabliert, beide haben ihre Verträge im Vorjahr vorzeitig bis 2020 verlängert. Borussia wie der FC haben eben Gefallen an Kontinuität gefunden. Rückschläge fängt man beiderseits inzwischen auch viel leichter auf — ja sogar eine Niederlage im Derby.