Borussia Mönchengladbach 1500 kämpfen für ihre "Fankultur"

Mönchengladbach · Viele Fans waren nicht in Köln, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Sondern demonstrierten in Gladbach, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Gestern Abend rückte der Ausstieg von Trainer Lucien Favre einiges in den Hintergrund.

Während der Gästeblock im Stadion des 1. FC Köln in den neunzig Minuten fast leer blieb und nur wenige Fans den Weg nach Köln-Müngersdorf fanden, sorgten etwa 1500 Anhänger für Heimspiel-Stimmung auf dem Weg in die Innenstadt. Im Fan-Lager und viele Gruppen der aktiven Fanszene hatten vor einigen Wochen einen Boykott des Spiels beschlossen. Stattdessen veranstalteten sie einen Marsch vom Fanhaus zum Alten Markt, der einen friedlichen Verlauf nahm.

Grund für den Derby-Boykott waren die Sicherheitsauflagen des DFB nach den Ausschreitungen der Kölner Fans beim bislang letzten Duell am 14. Februar im Borussia-Park. Demnach wurde das Kartenkontingent von zehn auf sieben Prozent reduziert, zudem waren die Tickets nur in personalisierter Form zu erhalten.

Borussen-Block in Köln bleibt leer
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Foto: dpa, mjh

"Wir wollen zeigen, dass wir uns diese Ungerechtigkeit seitens der Verbände und Politik nicht bieten lassen und ein Zeichen an die breite Öffentlichkeit setzen", sagte Nils Bongartz, Mitglied der Gladbacher Ultra-Gruppierung "Sottocultura". Kevin Zitzen (23) trug wie viele andere Borussen ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Fankultur erhalten" und teilte die weit verbreitete Meinung unter den Boykottlern: "Personalisierte Tickets machen keinen Sinn und zerstören die Fankultur."

Treffpunkt der Fanszene war um 11 Uhr vormittags das Fanhaus, unweit des Borussia-Parks gewesen, ehe es kurz nach Mittag in Richtung Gladbacher Straße ins Stadtzentrum ging. Die Initiatoren der Veranstaltung appellierten an alle Teilnehmer, die Protest-Aktion friedlich durchzuführen. Neben einem Glasflaschenverbot war auch der Verzicht von Pyrotechnik eine Vorgabe der Polizei gewesen. Vom Fanhaus bahnte sich die Demonstration über Holt und die Aachener Straße ihren Weg auf den Kapuzinerplatz, ehe kleinere Gruppen sich vor den Lokalitäten des Alten Marktes aufteilten.

Anhänger marschieren vom Fan-Haus in die Altstadt
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Anhänger marschieren vom Fan-Haus in die Altstadt

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Foto: Theo Titz

Friedliche Fans und lautstarke Fan-Gesänge prägten das Bild der Veranstaltung. So mancher Anwohner zeigte sich über das rege Treiben vor der Haustür erstaunt, hatte in der Sache aber Verständnis für die Demonstranten: "Ich kann sie verstehen. Wenn jetzt nichts passiert, wird in Zukunft jedes einzelne Ticket personalisiert sein", sagte ein Holter Anwohner. Auch die beiden Friseurinnen Petra Kirstein und Serife Özdemir beobachteten die vorbeiziehenden Fans vor ihrem Arbeitsplatz. "Ich finde diese Aktion gut", sagte Petra Kirstein. "Man sieht, dass das gute Fans sind." Nach rund neunzig Minuten und circa fünf Kilometer langem Marsch endete der offizielle Teil der Aktion mit einer Abschlusskundgebung, bei der sich mit Ralf Adam und Nils Bongartz zwei Redner an die Fans wandten: "Stellt euch vor, ihr habt einen Nachbar, der zu schnell fährt und ein Fahrverbot bekommt. Ihr seid hingegen noch nie negativ im Straßenverkehr aufgefallen. Nur weil ihr der Nachbar seid, bekommt auch ihr ein Fahrverbot. Dann erfahrt ihr, dass das Fahrverbot eures Nachbarn reduziert und eures aufrecht erhalten wird. Das werdet ihr als ungerecht empfinden. Genau das ist uns Borussia-Fans nun passiert", zogen sie Parallelen zum Geschehen im Vorfeld des Derbys im Februar.

"Wir sagen Nein zu unverhältnismäßigen Bestrafungen von Gästefans, dem Eingriff von Politik und Behörden in unsere Fankultur und zu einer Anmeldung für den Stadionbesuch", brachte Bongartz die Kernpunkte des Mönchengladbacher Protestes auf den Punkt. Er fühle sich wohl in der "Borussia-Familie" und sei stolz, dass wir als Fanszene Mönchengladbach so ein starkes Zeichen setzen und gemeinsam protestieren."

"Auf zum Derbysieg" - Fans demonstrieren beim Training
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"Auf zum Derbysieg" - Fans demonstrieren beim Training

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Foto: Dirk Päffgen

Ein weiterer Boykottorganisator war Sebastian Nellis. Ihn begleiteten gemischte Gefühle: "Natürlich haben wir als Gladbach-Fans etwas verloren. Es ist traurig, dass wir auf das Derby verzichten müssen, trotzdem ist der Tag durch die sehr gelungene Aktion auch ein guter." Nach der Niederlage in Köln zogen 250 Demonstranten zum Stadion, um die Mannschaft nach dem Spiel zu empfangen. Die Polizei sprach am Samstagabend von einem ruhigen und friedlichen Verlauf.

(RP)
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