Bundesliga-Finale Dortmund und Bayern üben sich in Psychospielchen

Düsseldorf · Im Fernduell mit den Münchnern um die Meisterschaft redet sich der BVB stark. Er beansprucht die Position des Teams, das alles zu gewinnen hat. Die Bayern antworten mit selbstbewussten Tönen.

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund.

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund.

Foto: dpa/Gregor Fischer

Mitte der Woche beschlich Hans-Joachim Watzke „ein unerklärliches Gefühl“. Zuletzt hat ihn so etwas vermutlich in der Pubertät ereilt, als er wie alle Jungs zwischen 13 und 16 nicht so recht wusste, wohin mit sich. Aber mittlerweile weiß der 59-jährige Geschäftsführer von Borussia Dortmund das ganz genau. Deshalb hat er sein unerklärliches Gefühl flugs dem „Kicker“ gebeichtet. Präziser: Er sagte vor dem Fernduell mit Bayern München um die deutsche Meisterschaft, er habe so „ein Gefühl, dass wir vor großen Dingen stehen“. Und er sei darüber verwundert, „weil ich ja eigentlich ein Skeptiker bin“.

Die Psychospielchen zwischen den beiden seit langem führenden deutschen Klubs wurden schon mal mit gröberen Werkzeug ausgetragen. Heute wie gestern ist Watzke in Dortmund aber der Mann, der den Ton angibt. Er schwört die fußballspielende Belegschaft auf große Ziele ein, und er soll auch vergangene Woche eine kämpferische Rede in der Kabine gehalten haben. Für derartige Kraftakte kommt Trainer Lucien Favre nicht in Frage. Der Schweizer neigt selbst in sportlichen Hochphasen zu Verzweiflungsanfällen, und er vermag hinter dem schönsten Sonnenschein immer auch die Gelegenheit auf wochenlange Regenperioden zu entdecken. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass sich der stille und ein wenig kauzige Coach im Umkleideraum gebärdet wie Jürgen Klopp am Spielfeldrand. Diesen Job überlässt er dankbar anderen, in diesem Fall Watzke.

Der Geschäftsführer will seinem Team vermitteln, dass es bei zwei Punkten Rückstand und der um 17 Treffer schlechteren Tordifferenz beim letzten Saisonspiel in Mönchengladbach nichts zu verlieren, dafür alles zu gewinnen hat. Entspannt möge die Mannschaft ins Spiel gehen, wünscht sich der Taktiker Watzke. Und weil er glauben muss, dass sie es tut, hat er vielleicht tatsächlich ausnahmsweise ein so gutes Gefühl, wie er vorgibt.

Ganz sicher aber dient die Veröffentlichung seiner Befindlichkeit in erster Linie einem Zweck: Sie soll den großen Gegner kurz vor dem Ziel verunsichern. Er soll den Druck spüren, etwas ganz Großes doch noch verlieren zu können. Vielleicht hofft Watzke, dass er mit seinem Beitrag die gesunde Nachtruhe der Bayern-Stars stören und ihre Selbstsicherheit erschüttern kann.

Das wissen wiederum die Münchner. Und sie reagieren ihrerseits mit Wortbeiträgen aus der „Mia san mia“-Schule. Vorweg geht dabei Thomas Müller, der die Regeln des Mia san mia auch am längsten kennt. „Wir wollen im eigenen Stadion von Anfang an zeigen, dass nur wir Meister werden wollen“, sagte der Stürmer. Und sein Kollege Leon Goretzka, der erst ein Jahr an der Säbener Straße beschäftigt ist, zeigt, dass er seine Lektion ebenfalls gelernt hat. „Wir sind so nah dran und wollen uns das nicht mehr nehmen lassen“, erklärte der frühere Schalker. „Ich will Meister werden“, beteuerte Trainer Niko Kovac.

Ihn berührt die Situation im Saison-Endspurt am stärksten. Denn er hat es nicht nur mit Gegnern in Dortmund zu tun, die aus der Ferne an den Münchner Nerven knabbern, sondern auch mit seinem alten Verein Eintracht Frankfurt, der mit einem Erfolg in München dem ehemaligen Trainer einen dicken Strich durch die Meisterschaftspläne machen kann und vor allem mit einer offenkundig existierenden Opposition im eigenen Klub.

Die Führung vermeidet kunstfertig jedes Bekenntnis zum Trainer. Und beharrlich wird von angeblichen Umstimmigkeiten zwischen Kovac und Teilen der Mannschaft gemurmelt. Das Internetportal „Spox“ meldete am Freitag bereits die Absprache über die Ablösung des Trainers im Sommer – unabhängig von zwei möglichen Titeln (in der Bundesliga und im DFB-Pokal). Das immerhin dementierte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: „Das ist eine totale Ente.“ Dennoch glauben auch andere Medien, von Verbindungen zu potenziellen Nachfolgern wie Mark van Bommel (PSV Eindhoven) zu wissen. Sogar der Name Ralf Rangnick (RB Leipzig) wird genannt.

Kovac kann das nicht gefallen. Und er hat diese Woche ein wenig in sein Herz schauen lassen. „Ich habe gemerkt, wie schwierig es ist, Mensch zu bleiben“, sagte er, „wir müssen den Menschen sehen, nicht immer draufhauen. Wenn wir miteinander reden, müssen wir eine gewisse Ebene haben, die nie unterschritten werden darf. Wir müssen lernen, dass unsere Welt besser werden muss.“ Das hörte sich an wie ein Vermächtnis. Und es war sicher kein Bestandteil ausgeklügelter Psychospielchen.

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