Klopp verlässt den BVB "Romantische Erinnerungen bleiben"

Dortmund · Nach sieben Jahren verlässt Trainer Jürgen Klopp im Sommer Borussia Dortmund. Er bat um Vertragsauflösung. Als Nachfolger wird der ehemalige Mainzer Thomas Tuchel gehandelt.

Klopp verlässt den BVB: Twitter-Reaktionen
Infos

Klopp verlässt den BVB: Twitter-Reaktionen

Infos
Foto: dpa, fg nic

Vor dem großen Stadiontor steht bereits das erste Verabschiedungs-Komitee. 20 meist weibliche Fans von Borussia Dortmund stoppen Jürgen Klopps Dienstwagen und versichern dem Trainer lautstark, wie gern sie ihn haben. Solche Szenen wird es in naher Zukunft häufiger geben. Denn Klopp verlässt den BVB im Sommer auf eigenen Wunsch. Nach sieben Jahren eines Wegs, "den wir mit unglaublichem Erfolg gemeinsam gegangen sind", wie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hinter dem großen Stadiontor feststellt.

Tief bewegt schließt er den Trainer bei einer Pressekonferenz in die Arme. Und zum getragenen Ton der Veranstaltung passt der Satz: "Das Einzige, was mich tröstet, ist, dass die Freundschaft bestehen bleibt." Einen Nachfolger kann Watzke nicht nennen. Oder er will es nicht. Der ehemalige Mainzer Thomas Tuchel ist der aussichtsreichste Kandidat. Watzke sagt nur: "Bei der Trainersuche geht Sicherheit vor Schnelligkeit." Er hat jetzt andere Sorgen. Das dokumentiert der Gesichtsausdruck.

Klopp wirkt deutlich weniger angefasst. Der Zuspruch von Fans und Klubmitarbeitern wird aber auch ihn noch rühren, denn er bekennt: "Romantische Gefühle und Erinnerungen werden bleiben." Schließlich sei er nicht aus Holz. Das wissen alle, die den Gefühlsmenschen auf der Bank oder am Spielfeldrand erlebt haben.

Zunächst tut Klopp sich leichter als Watzke oder Sportdirektor Michael Zorc, die sich in einer Dreiviertelstunde auf dem Podium vor einem wie selten gefüllten Mediensaal im Dortmunder Stadion allenfalls mal zu einem bitteren Lächeln bereitfinden. Klopp nimmt die Rolle ein, die ihn in ganz Deutschland bekannt und beliebt gemacht hat. Er formuliert genau, begründet nachvollziehbar, nimmt seine Gesprächspartner mit. Deutschlands einst bester Fernseh-Fußballtrainer macht seinem Ruf alle Ehre.

"Jürgen Klopp – der beste Kumpel musste weg": Pressestimmen
24 Bilder

Jürgen Klopp will nicht mehr - Pressestimmen

24 Bilder

Obwohl er bestreitet, dass eine Last von ihm abgefallen sei, wirkt er erleichtert nach seiner Entscheidung. Er legt Wert darauf, dass er um Vertragsauflösung gebeten hat. Watzke bestätigt das, indem er sagt: "Es war eine gemeinsame Entscheidung auf Initiative von Jürgen."

Klopp beteuert, er habe diese Entscheidung mehr für den Klub als für sich getroffen. Schließlich sei der "Klub größer als wir alle". Das klingt nicht mal so pathetisch. Immerhin räumt er ein, was viele Wegbegleiter des BVB seit einiger Zeit bemerken: "Dortmund braucht eine Veränderung." Die Talfahrt in der Bundesliga, der mühsame Rückweg vom Tabellenende ins Mittelfeld, die wenig konstanten Leistungen der Mannschaft - all das macht den vielzitierten Handlungsbedarf aus.

In so einer Situation gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder baut der Verein die Mannschaft in ganz großen Zügen um und lässt den Trainer einen Neuaufbau gestalten. Oder er sagt sich, was Klopp ausspricht: "Ein großer Kopf muss weg." So kann der scheidende Trainer seinen Abgang nach sieben Jahren als Initialzündung für den Verein sehen. "Für mich ging es nur darum: Wie geht's weiter", betont der große Kopf Klopp, "und wenn man eine Entwicklung haben will, dann brauchst du die Möglichkeit, kleine Schritte zu gehen."

Jürgen Klopp hört auf – Hans-Joachim Watzke bedankt sich mit Umarmung
17 Bilder

Watzke umarmt Klopp bei der Pressekonferenz

17 Bilder

Die hat er für sich nicht mehr gesehen, "weil wir immer an den ganz großen Erfolgen in den vergangenen Jahren gemessen werden". Sieben "außergewöhnliche Jahre" nennt er sie. Und das ist tatsächlich nicht übertrieben. Als Klopp 2008 kommt, hat der Klub seine gröbsten wirtschaftlichen Probleme zwar gemeistert, und es droht ihm nicht mehr die Pleite. Dafür aber dümpelt das Team im Bundesliga-Durchschnitt herum.

Klopp weckt es regelrecht auf mit seiner Begeisterung für einen hemmungslosen Tempofußball, mit seiner Einstellung zum Beruf. Er steht für Nähe zum Publikum, und er bringt zwei große Kraftfelder miteinander in Schwingung: das der Fans und das einer aufopfernd arbeitenden Mannschaft.

Erfolge stellen sich fast zwangsläufig ein. Im ersten Jahr verpasst Klopps BVB knapp die Europapokalränge, im zweiten kommt er auch dort an, im dritten gibt es die erste deutsche Meisterschaft, im vierten sogar das Double. Im fünften führt er sein Team ins Finale der Champions League. Der ganze Kontinent berauscht sich am Tempofußball der Dortmunder, das englische Magazin "FourFourTwo" schwärmt vom "heißesten Klub Europas". Klopp ist endgültig bei den Großen angelangt.

Es schadet seinem Ansehen auch nicht, dass er im sechsten Jahr die Bayern in der Tabelle mit einem grotesken Abstand davonziehen lassen muss. Denn Dortmund wird immerhin Vizemeister, und es gibt nach wie vor rasante Fußballabende im Westfalenstadion. Bei den Fans hat er sogar nach dem Absturz dieser Saison schier unendlichen Kredit. Für sie ist er der Säulenheilige eines großen Aufschwungs, er hat etwas für ihr Selbstwertgefühl getan, und er beherrscht den Doppelpass mit der Südtribüne, diesem Ehrfurcht gebietenden Stehplatzbereich für 25 000 Fußballfreunde in Gelb und Schwarz. "Du kannst sicher sein: Der ewige Dank aller echten Borussen ist dir gewiss", sagt Watzke. Das wiederum klingt dann schon sehr nach Pathos. Ist aber trotzdem wahr.

Klopp fühlt sich geehrt, aber er wehrt derartige Ehrbezeugungen ab. "Niemand muss mir dankbar sein", erklärt er, und er dreht den Spieß sogar um: "Ich bin total dankbar, dass ich an diesen großen Jahren teilhaben konnte." Rechtzeitig aber hat er sich daran erinnert, was er schon beim Amtsantritt versprochen hat: "Wenn ich eines Tages feststellen muss, dass ich nicht mehr der perfekte Trainer für diesen großartigen Klub bin, dann muss ich das sagen, denn dieser Klub hat es verdient, vom absolut richtigen Trainer trainiert zu werden." In den vergangenen Wochen haben ihn die ersten Zweifel daran beschlichen, ob er immer noch der Richtige ist. Deshalb glaubt er, "dass der Schritt absolut richtig ist".

Mit Amtsmüdigkeit habe das nichts zu tun, versichert Klopp, "ich sehe zwar manchmal müde aus, aber ich bin es nicht". Und um das zu unterstreichen, blickt er auf den Rest der Saison. "Es ist nicht vorbei", sagt er, "einen Traum habe ich: Noch einmal aus gutem Grund auf dem Lkw um den Borsigplatz zu fahren." Hier feiert der BVB seine Erfolge. Und ein guter Grund zum Feiern wäre ein Sieg im Berliner Pokalfinale. Dann wäre wahrscheinlich auch Klopp den Tränen genauso nah wie am Mittwoch sein geschäftsführender Freund Watzke.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort