Anschlag auf das BVB-Team Wie die Fans die Spielabsage von Dortmund erlebten

Neuss/Dortmund · 65.000 Fans wollten am Dienstagabend in Dortmund das Champions-League-Spiel des BVB gegen den AS Monaco sehen. Einer von ihnen war Jens Erik Buschmann. Wie der Neusser den Anschlag auf den Mannschaftsbus und die folgende Spielabsage erlebte.

Heimspiele unter der Woche bedeuten für Jens Erik Buschmann Stress: Halbe Urlaubstage gehen dafür drauf, dem Stau auf der Autobahn kann er trotzdem nicht entgehen, vor Mitternacht ist er selten wieder zuhause. Der Neusser ist Fan von Borussia Dortmund, Dauerkarteninhaber auf der Südtribüne, der Fanhochburg des BVB. Seit mehr als einem Jahrzehnt pilgert Buschmann in die Westfalenstadt, am Wochenende zu den Bundesligaspielen, wochentags ruft die Champions League.

So wie am Dienstag. Das Viertelfinale in der Königsklasse steht an, der AS Monaco gastiert in Dortmund, Anstoß ist um 20.45 Uhr. Eigentlich ein normales Spiel: Schon um kurz nach 16 Uhr macht sich Buschmann auf den Weg. Trotz Osterferien staut es sich den gesamten Weg, fast zwei Stunden dauert die Fahrt. "Wir sind noch ganz gut durchgekommen”, sagt BVB-Fan, ohne Ferien dauert die Fahrt auch gerne mal noch eine Stunde länger. Die 80 Kilometer zwischen Neuss und Westfalenstadion wären ohne Verständnis vom Arbeitgeber und flexible Urlaubsregeln an Wochentagen zeitlich kaum machbar.

Am Stadion bleibt der Anschlag zunächst unbemerkt

Vor dem Monaco-Spiel bleibt der große Stress aber erstmal aus. Entspannten Schrittes geht es Richtung Stadion, ein Schnitzelbrötchen essen, Freunde treffen, über das anstehende Spiel sprechen, es ist kurz nach 18 Uhr. Eine gute Stunde später detonieren am Mannschaftshotel der Borussia drei Sprengsätze.

Am Stadion merkt man davon zunächst kaum etwas, einzig die plötzlich mit Blaulicht davonrasenden Mannschaftswagen der Polizei verwundern. Die Fans aus Monaco ziehen in diesem Moment die Zufahrtsstraße entlang Richtung Stadion, doch sie sind nicht das Ziel der Beamten. Wie Zehntausende andere stehen die Monegassen wenig später auf den Tribünen und verfolgen dank Einblendungen auf der Stadion-Leinwand, einem wackligen W-Lan-Netz und Lautsprecherdurchsagen, wie erst von einem "Vorfall", dann von einem "gravierenden Vorfall" und schließlich von einer Spielabsage berichtet wird. Die von den Ultras vorbereitete Choreographie wird abgebaut, während die ersten Fans das Stadion verlassen.

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April 2017: Explosionen an BVB-Mannschaftsbus

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Foto: rtr, gb

Rückfahrt nach Neuss um 21 Uhr

Um kurz vor 21 Uhr sitzt Buschmann schon wieder am Steuer. Eigentlich soll er jetzt gerade auf der Südtribüne stehen, die Schwarz-Gelben anfeuern. "Eine verrückte Situation", nennt der 29-Jährige das, was sich an diesem Abend in Dortmund abspielte. Die Gerüchte, die Ungewissheit, schließlich die Absage – und die gesitteten, in allen Belangen friedlichen Reaktionen der Fans, die sich nach und nach auf den Heimweg machen. "Vor dem Stadion waren die Notausgangtore geöffnet, das habe ich seit ich nach Dortmund fahre noch nicht erlebt", schildert Buschmann die Situation. Doch statt zu flüchten, verharren viele Fans noch, trinken ein letztes Bier zusammen, sprechen über das, was da passiert ist – oder auch passiert sein könnte.

Freilich wird spekuliert, wer hinter der Attacke stecken könnte. Ein islamistischer Terroranschlag, wie ihn die Bundesanwaltschaft mittlerweile prüft? "Eigentlich passt das Ganze für mich nicht zu einem IS-Anschlag, die hätten am Stadion viel mehr Menschen treffen können", sagt Buschmann. Die Polizei spricht später von einem "gezielten Angriff auf die Mannschaft des BVB", ein Bekennerschreiben taucht auf. In Fan-Foren wird über eine mögliche Erpressung oder gar einen Angriff aus den eigenen Reihen diskutiert. Die Hooligan-Gruppe " 0231 Riots", die der Verein durch Stadionverbote und Sanktionen versucht, aus seinem Umfeld zu vertreiben, war in den vergangenen Wochen durch Drohungen gegen Vereinsoffizielle aufgefallen.

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Foto: Stefan Kilmer/dpa

Rückkehr nach Dortmund am Mittwoch

Für den Neusser ist das alles zu viel Spekulation. Er blickt voraus, schon für Mittwoch haben der europäische Fußballverband Uefa und die beiden Vereine einen neuen Termin für das Spiel angesetzt. Zwei Stunden früher als noch am Dienstag, um 18.45 Uhr soll angepfiffen werden. "Da werde ich meinen Chef erneut um einen freien halben Tag bitten müssen", sagt Buschmann und zückt sein Handy. Klar will er wieder dabei sein, "sich von sowas unterkriegen zu lassen ist keine Option", sagt er.

(cbo)
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