Triumph vor 25 Jahren Als der BVB die Königsklasse gewann

Dortmund · 2013 war Borussia Dortmund im Finale gegen den FC Bayern ganz nah dran – den größten Erfolg der Vereinsgeschichte aus dem Jahr 1997 konnte der Klub aber nicht wiederholen. Erinnerungen an einen BVB, der die Champions League gewann.

Erinnerung an 1997: Die Spieler von Borussia Dortmund (vorne Mitte mit Pokal Andreas Möller und Karlheinz Riedle) jubeln nach dem Sieg gegen Juventus Turin mit der Trophäe.

Erinnerung an 1997: Die Spieler von Borussia Dortmund (vorne Mitte mit Pokal Andreas Möller und Karlheinz Riedle) jubeln nach dem Sieg gegen Juventus Turin mit der Trophäe.

Foto: dpa/Achim Scheidemann/DPA

Am 28. Mai 1997 steht Dortmunds größtes Fußballstadion ausnahmsweise am Friedensplatz vor dem Rathaus. Schon in den Mittagsstunden ist der Platz schwer bevölkert, gegen Abend drängen sich mindestens 30.000 Menschen vor der großen Videowand – ein Farbenmeer in Schwarz und Gelb. Eine Boygroup tritt auf, Tanzeinlagen und Interviews auf der Bühne sollen die Wartezeit verkürzen, aber so richtig interessiert das niemanden im Publikum.

Denn alle sind gekommen, um das Champions-League-Finale ihrer Borussia gegen Juventus Turin zu erleben. Manchen ist es nicht vergönnt, ihnen bekommt der Cocktail aus Hitze, Enge, Aufregung und reichlich Alkohol nicht. Während auf der Videowand die Übertragung aus dem Münchner Olympiastadion läuft, liegen sie auf Feldbetten in einem Zelt und werden medizinisch versorgt.

Sie verpassen einen ganz anderen Rausch. Der BVB, klarer Außenseiter im Duell mit der Weltklassemannschaft aus Turin, gewinnt tatsächlich die Champions League. Beim 3:1 bringt Karlheinz-Riedle mit all seiner Wucht und zwei Toren die Dortmunder in Führung, Alessandro del Piero stürzt den Anhang des BVB mit einem lässig per Hacke erzielten Anschlusstreffer noch einmal ins große Zittern, der eben eingewechselte Lars Ricken entscheidet die Begegnung mit einem fantastischen Heber aus vollem Lauf. Dortmunder Fans können auch 25 Jahre danach in den Live-Übertragungsmodus schalten und jedem die Tore schildern, der nicht schnell genug davonläuft. Aber wer tut das schon? Dem „Kicker“ ist die Rückschau auf diesen Triumph eine Serie wert.

Borussia Dortmund: Choreo erinnert an Champions-League-Sieg 1997
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BVB-Choreo erinnert an Champions-League-Sieg 1997

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Im Münchner Stadion und auf dem Dortmunder Friedensplatz bricht die Menge in reine Ekstase aus. Es ist der größte Feiertag in der wahrlich nicht kleinen Geschichte des BVB und die Krönung der Amtszeit des Präsidenten Gerd Niebaum. Dass diese Krönung teuer bezahlt ist, dass Niebaum im Wettrüsten um Titel und Ruhm den Klub bis kurz vor den Kollaps führt, ahnt an diesem Tag niemand – schon gar keiner unter den wüst feiernden Fans. Wahrscheinlich würde es auch niemand wissen wollen.

Es ist auch die Krönung einer großen Mannschaft auf ihrer letzten Fahrt. Zwei deutsche Meisterschaften hat sie gewonnen (1995, 1996), und den Erfolg hat der BVB maßgeblich seinen (Re-)Importen aus Italien zu verdanken. Ausgerechnet, wie es so schön heißt, von Juve kamen Stefan Reuter, Andreas Möller, Jürgen Kohler, Julio Cesar und Paulo Sousa, von Inter Mailand Matthias Sammer und von Lazio Rom Karlheinz-Riedle.

„Wir hatten Persönlichkeiten“, sagt Möller dem „Kicker“. Persönlichkeiten mit den vielzitierten Ecken und Kanten, Typen. Sammer, den sie „Feuerkopf“ nennen, weil er rote Haare hat und vor Ehrgeiz förmlich durchdreht, ist der große Anführer. Julio Cesar steht für den Faktor brasilianische Leichtigkeit. Er bestimmt lässig die Länge des Urlaubs, Geldstrafen zahlt er lächelnd, heikle Situationen im eigenen Strafraum klärt er manchmal mit einem kleinen Solo. Sousa lässt sich überall von seinem persönlichen Fitnessguru begleiten. Und weil sie alle in den Jahren zuvor zu viel gespielt haben, sind ihre Ausfallzeiten im Jahr des Champions-League-Erfolgs grotesk hoch. Cesar macht in der ganzen Saison nur zehn Spiele, Sousa elf, Sammer 16, Torjäger Riedle 18.

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Deutsche Rekordspieler der Champions League

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Foto: dpa/Christof Stache

Einer muss in diesem Zirkus der kantigen Typen, der Verletzungsserien und des Erwartungsdrucks die Nerven behalt. Das ist Ottmar Hitzfeld, der Trainer, ein Meister der Menschenführung und ein Meister der Moderation. Er sieht großmütig über vieles hinweg, er lässt sich Sammers öffentliche Kritik gefallen, er leidet unter dem Missverhältnis mit Niebaum und atmosphärischen Störungen im Verhältnis zu Teilen der Mannschaft (Sammer, Michael Zorc und Steffen Freund), und er hält trotzdem das große Ganze zusammen. Dass ihn das Kraft kostet, dass es ihn beinahe auslaugt, kann jeder sehen. Die Anstrengung meißelt tiefe Riefen ins Gesicht, am Ende der Saison zieht er sich aufs Schreibtisch-Amt des Sportdirektors zurück.

Sein großes Team zerbricht. Sammer muss fünf Monate nach dem Sieg von München die Karriere beenden, multiresistente Keime im Knie sind vorübergehend lebensgefährlich geworden. In der Champions League scheitert der Titelverteidiger im Halbfinale an Real Madrid, in der Bundesliga langt es nur zu Platz zehn. Hitzfelds Nachfolger Nevio Scala wird daraufhin entlassen. Hitzfeld gewinnt die Champions League noch einmal – 2001 mit Bayern München – der BVB nie mehr.

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