Die „Mentalitäts-Frage“ 5 Gründe, warum es für den BVB wieder nicht für ganz oben reicht

Meinung | Düsseldorf · Wie jedes Jahr seit dem Double 2012 startet Borussia Dortmund mit Meisterschaftsambitionen in die Saison. Doch auch 2021 wird es mal wieder nicht für ganz oben reichen. Das liegt nicht nur am FC Bayern.

 Ein enttäuschter Marco Reus nach der 1:2-Niederlage in Leverkusen.

Ein enttäuschter Marco Reus nach der 1:2-Niederlage in Leverkusen.

Foto: AP/Martin Meissner

„Wir wollen da sein, wenn die Bayern straucheln“ - so lautet das inoffizielle Vereinsmotto von Borussia Dortmund, wenn man das mit der „echten Liebe“ mal beiseite lässt. Schließlich verkünden Spieler wie Verantwortliche ihre Meisterschaftsambitionen seit Jahren genau unter dieser Voraussetzung. Den Worten Taten folgen lassen konnten sie bisher nicht. Seit dem Dortmunder Double 2011/2012 wurde der FC Bayern acht Mal in Folge Meister. Und zwar nicht strauchelfrei.

Anfang 2021 ist es wieder so weit: die Bayern straucheln. In der Liga setzt es eine empfindliche Niederlage in Mönchengladbach, im DFB-Pokal fliegen sie gegen Zweitligist Holstein Kiel raus. Und auch sonst tun sie sich schwer, kassieren viele Gegentore, gewinnen nur mit viel Mühe oder Glück. Und der BVB? Macht es noch schlechter. Woran liegt das? 5 Gründe, warum es für den BVB wieder nicht für ganz oben reicht:

  1. Ein Haaland reicht nicht Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn Haaland trifft, gewinnt der BVB (außer beim 2:3 gegen den FC Bayern). Vor zwei Wochen gegen Leipzig mündet ein Doppelpack des Norwegers in einen 3:1-Erfolg. Gegen Mainz und Leverkusen hingegen: keine Haaland-Tore, keine Siege. Borussia Dortmunds zweite Reihe ist nicht torgefährlich genug. Dass Innenverteidiger Mats Hummels mit drei Treffern zweitbester Torschütze seines Teams ist, sagt alles. Sancho und Brandt sind seit Monaten außer Form, Hazard ist ständig verletzt, Kapitän Reus merkt man das fortgeschrittene Fußballer-Alter immer mehr an, und die Supertalente Reyna und Moukoko sind noch nicht reif genug, um den Ausfall der erfahrenen Kollegen auffangen zu können. Ein weiterer gestandener Mittelstürmer fehlt.
  2. Langschläfer Die Mannschaft erzielt gut 85 Prozent ihrer Tore (28 von 33) in der zweiten Halbzeit. Vonseiten der TV-Kommentatoren, die nach einer torlosen ersten Halbzeit die Spannung aufrecht erhalten wollen, wird dem BVB das gerne als  „Schlussphasen-Kompetenz“ ausgelegt. Doch das ist falsch. Zum einen ist es eine Schwäche, die ersten 45 Minuten regelmäßig mit müdem Gekicke zu verschlafen und immer erst nach der Halbzeitpause aufzuwachen. Und zum anderen trügt diese Statistik auch einfach. Denn Dortmunds späte Tore sind mitnichten kurz vor knapp erkämpfte und viel umjubelte 2:1-Siegtreffer. Es sind solche Tore wie Jadon Sanchos Konter-Lauf zum 2:0 gegen den VfL Wolfsburg (90.+2), die kurz vor Abpfiff gelingen. Wenn der Gegner aufmacht, um doch noch einmal alles zu versuchen, dann können die BVB-Profis ihn auf einmal auskontern. Vorher sind sie aber nicht in der Lage, das Spiel selbst zu entscheiden.
  3. Die „Mentalitäts-Frage“ Seit Jahren wird dem Dortmunder Team unterstellt, nicht den unbedingten Willen mitzubringen, um knappe Spiele zu gewinnen. Und das stimmt. Jadon Sancho etwa postet kurz nach dem 1:2 in Leverkusen ein Foto aus dem Kabinentrakt auf Instagram, das ihn mit einem breiten Grinsen beim Trikottausch mit Bayer-Profi Leon Bailey zeigt. Was soll das? Wo sind die Zeiten hin, in denen man nach einer Niederlage in so einem wichtigen Spiel noch wütend oder zumindest enttäuscht war? Sancho ist da kein Einzelfall. Nimmt  man Haaland, der nach jeder vergebenen Chance noch auf dem Platz wütet, und Hummels, der nach der Niederlage bei Union eine Werbewand boxte, mal raus, bleibt bei den restlichen BVB-Profis das Aufbäumen aus. Sie machen Dienst nach Vorschrift, ihnen fehlt die Leidenschaft für Klub und Spiel. Das mag mit diesem Kader am Ende der Saison für die Champions-League-Qualifikation reichen, ist aber keine Meister-Mentalität.
  4. Die leere Wand Dass keine Zuschauer ins Stadion dürfen, trifft besonders den BVB hart. Das Fehlen der Südtribüne, der schwarz-gelben Wand mit 25.000 lautstarken Fans, macht sich in Zählern bemerkbar. In der letzten regulären Saison vor der Corona-Pandemie (2018/2019) war Dortmund noch das beste Heimteam der Liga, holte 44 Punkte aus den Spielen im Westfalenstadion. Jetzt, nach einer Hinrunde komplett ohne Fans, stehen gerade einmal 13 Zähler zu Buche. Die Fans sind nicht nur nettes Beiwerk für Gesänge, die im Fernsehen zu hören sind, sondern sie fehlen als Kontroll-Funktion, wenn die Millionäre auf dem Platz mal wieder vergessen haben, für wen sie da eigentlich spielen.
  5. Der FC Bayern „Straucheln auf hohem Niveau“ könnte man das nennen, was der FC Bayern gerade tut. Denn trotz der unverhältnismäßig vielen Gegentore und dem ein oder anderen Ausrutscher, tun die Bayern letztlich doch meist das, was man von ihnen gewohnt ist: gewinnen. Selbst in einer vermeintlichen Schwächephase führen sie die Liga mit vier Punkten Vorsprung auf Leipzig an, der BVB hat schon zehn Punkte Rückstand. Das liegt nicht nur an den Verfolgern. Der Triple-Sieger der vergangenen Saison hat auch 2020/2021 zu viel Qualität, um ihn auf Strecke schlagen zu können.
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