Dortmunds Toptalent bleibt Moukokos Vertragsverlängerung ist nur ein symbolischer Sieg
Dortmund · Borussia Dortmund ist mit Youssoufa Moukokos Vertragsverlängerung ein Coup gelungen, mit dem sich ein zweifelnder Klub der eigenen Stärke versicherte. Um nicht dauerhaft den Anschluss zu verlieren, ist dieser Deal höchstens ein erster Schritt.
Youssoufa Moukoko kennt es nur so. Seit Jahren ist das öffentliche Interesse an dem Wunderknaben immens. Ihm geschah, was allen 12-Jährigen passieren würde, die schon in Borussia Dortmunds U17 spielen, dort nach Belieben Tore schießen und damit einfach nicht mehr aufhören. Im Profiteam des BVB wurde er zum jüngsten Bundesligaspieler, hatte aber erstmals in seiner jungen Karriere mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. Zweifel nährten sich, ob er seine schier unglaubliche Torquote bei den Erwachsenen nur im Ansatz würde bestätigten können. In dieser Saison aber hinterlegte er nachhaltig, dass er gut genug für die Bundesliga ist – sogar für die Nationalmannschaft. Mit 18.
Dass ein Spieler mit diesem Potenzial noch keinen Vertrag unterschrieben hatte, der über die Saison hinausgeht, muss sich Dortmund als klares Versäumnis ankreiden lassen. So sicher wie heute waren sich Sebastian Kehl und Hans-Joachim Watzke offenbar nicht immer, dass der Spieler Moukoko das Versprechen Moukoko noch einlöst. Ob er sich tatsächlich zur kommenden Weltsensation entwickelt oder am Ende einfach in einen überdurchschnittlichen Bundesligaspieler verwandelt, bleibt natürlich Spekulation. An der sich die Aktiengesellschaft Borussia Dortmund gerne beteiligen würde.
Weil die Zeit zunehmend drängte, verlagerte der Klub die Diskussion ganz bewusst in die Öffentlichkeit und stellte dem Teenager und seiner Entourage ein öffentliches Ultimatum, ein finales Angebot: bleib oder geh, aber tu’s! Das sollte den Druck erhöhen, aber mindestens genauso Entschlossenheit zur Schau stellen, denn der BVB braucht dringend ein Symbol der Stärke und Selbstvergewisserung. Der Klub hat sich von den Stars jüngerer Generationen wahlweise öffentlich erpressen (Ousmane Dembele, Pierre-Emerick Aubameyang) oder als Sprungbrett für eine Arbeitsbeziehung nutzen lassen, die von Beginn an mit einem Ablaufdatum versehen war (Jadon Sancho, Erling Haaland). Jude Bellingham ist der nächste Star, den Dortmund, dank des guten Rufs als Ausbildungsstandort, zwar für sich gewinnen konnte, aber nicht halten wird. Weil Dortmund aber mehr sein möchte als ein besseres Farmteam für die Premier League, braucht es Integrationsfiguren. Der Letzte, der diese Rolle überzeugend ausfüllte, war Marco Reus. Moukokos Bekenntnis ist eine Versicherung, die dem Klub hohe zweistellige Millioneneinnahmen in Aussicht stellt. Als Treuebekenntnis hält die Unterschrift im Zweifelsfall aber allenfalls bis zur kommenden Transferperiode. Als unzweifelhafter Sympathieträger hat sich Moukoko alleine mit seinem langen Zögern disqualifiziert. Man darf sich darauf verlassen, dass der Spieler und sein Umfeld in den vergangenen Wochen nichts unversucht gelassen haben, um finanziell das Maximum auszureizen – und dann noch zwei Euro mehr rauszukitzeln.
Moukoko ist freilich auch nie angetreten, um mit dem Image des Profifußballs aufzuräumen. Dass Vereine und Spieler selten etwas anderes als Schicksalsgemeinschaften und Lebensabschnitts-Zweckbeziehungen verbinden, ist hinlänglich beklagt worden. Für den BVB geht es viel mehr darum, die eigene Identität zu schärfen. Nur ein Verein war in diesem Jahrtausend in Deutschland erfolgreicher. Das ist aus Dortmunder Sicht zunächst mal gut. Zuletzt hatten die Bayern ihrem lange einzigen nationalen Konkurrenten aber mit derart penetranter Zuverlässigkeit immer das eine Stück voraus, dass es inzwischen ganz gewaltig am Selbstverständnis des Herausforderers nagt. Ein Verein, der immer auch eine überbordende Folklore mitdenken und bedienen muss, kann sich selbst dann nicht als reiner Ausbildungsklub verstehen, wenn es sich bei den Azubis um kommende Weltfußballer handelt. Zudem dürften sich auch nicht Jahr um Jahr Ausnahmetalente wie Bellingham oder Haaland vorstellen. Je länger keine neuen Pokale in die Vitrine wandern, desto dringlicher braucht es deshalb Gesichter, die nicht so austauschbar sind wie die der Stars, die in den vergangenen Jahren das schwarz-gelbe Trikot getragen haben.
Aktuell ist Dortmund Tabellensechster und droht besonders früh den Anschluss an den FC Bayern zu verlieren. RB Leipzig macht zu allem Ärger als aussichtsreichster Gegenentwurf zum Rekordmeister auch noch zunehmend lautere Ansprüche auf die Rolle der deutschen Nummer zwei geltend. Beim BVB quillt die Mittelmäßigkeit aus allen Ritzen. Moukoko ist für den Moment das größte Versprechen auf ein neues Kapitel mit neuen Erfolgen. Um das tatsächlich zu schreiben, braucht es aber mehr als nur ein Wunderkind.