Krise in Dortmund Der große BVB: Ratlos im Ruhrgebiet

Dortmund · Selbst gegen Hannover, die bislang schwächste Auswärtsmannschaft der Liga, verliert Dortmund mit 0:1.

 BVB-Trainer Jürgen Klopp wirkt zunehmend ratlos.

BVB-Trainer Jürgen Klopp wirkt zunehmend ratlos.

Foto: afp, ej

Tayfun Korkut bemühte gar nicht erst die Kategorien "gut" und "schlecht", "verdient" und "unverdient". Der Trainer von Hannover 96 bedankte sich bei höheren Mächten. "In Dortmund", sagte er, "bei einer absoluten Topmannschaft, da brauchst du auch etwas Glück". Das hatte sein Team vor allen Dingen zu Beginn der Begegnung, als der BVB mal wieder reihenweise beste Chancen erspielte und generös verschwendete. Als dann der Ball zum ersten Mal aufs Dortmunder Tor flog, nach ungefähr einer Stunde, da lag er auch schon im Netz. Das hatte weniger mit Glück als vielmehr mit der Kunstfertigkeit des Freistoß-Schützen Hiroshi Kiyotake zu tun. Er zirkelte den Ball über die Abwehrmauer, und Nationaltorwart Roman Weidenfeller kam zu spät aus seiner Ecke. Das war schon die Entscheidung. Dortmund verlor mit 0:1 und liegt mit der Bilanz eines Abstiegskandidaten auf dem viertletzten Tabellenplatz.

Begreifen kann das niemand, jedenfalls in Dortmund nicht. Weltmeister Mats Hummels suchte zunächst mal die Schuld beim Kollegen Weidenfeller. Der Ball sei nach dem Freistoß doch sehr lange in der Luft gewesen, befand der führende Mediensprecher dieser Mannschaft, er sei auch überrascht gewesen, dass die Kugel in den Maschen landete. Weidenfellers Antwort auf diese überaus kollegiale Bemerkung ist nicht überliefert.

Weil er den Treffer schon nicht für unhaltbar hielt, schloss Hummels: "Wenn wir unsere Chancen nutzen, gehen wir mit einem 3:0 nach Hause." Fußball ist aber nun mal kein Spiel für den Konjunktiv. Die Wirklichkeit: Der BVB nutzte die Chancen nicht, namentlich der sehr stark spielende Marco Reus tat sich dabei hervor, und er hätte deshalb sogar noch klarer verlieren können. Nach dem Führungstreffer der Gäste herrschte ein paar Minuten völliges Durcheinander im Aufbauspiel des BVB (Hummels war stark beteiligt), und Weidenfeller verhinderte bei zwei ganz klaren Gelegenheiten die frühe Entscheidung. Der Rest war ein ziemlich bemühtes und reichlich verkrampftes Anrennen, das vom leidensfähigen Dortmunder Publikum mit heftiger Anfeuerung begleitet wurde. Selbst die nächste Heimniederlage ertrugen die BVB-Fans sehr tapfer. Bei ihnen hat die Mannschaft großen Kredit.

Den hat sie sich in den zurückliegenden Jahren und durch ihre jüngsten Erfolge in der Champions League verdient. Dort spielt offenbar ein ganz anderes Team, so dass die Dortmunder auf die wunderbar naive Idee verfielen, in den Meisterklassen-Trikots gegen Hannover in der Bundesliga aufzulaufen. Zur Trendwende reichte der Garderoben-Wechsel nicht. Deshalb herrschte in den Gängen des Westfalenstadions eine Stimmung wie bei einer Beerdigung.

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Selbst Trainer Jürgen Klopp, sonst stets ein Musterbeispiel an positiver Gesinnung, ließ den Kopf hängen. Leise und bedrückt versprach er zwar: "Wir werden weiter kämpfen." Es hörte sich allerdings nicht gerade nach Beschwörung, sondern eher nach Ratlosigkeit an.

Die Krise, die Dortmunds Verantwortliche so gern geleugnet hätten, ist nun zu offensichtlich. Und nicht mal die so unübliche Haltung der Firmenspitze in der Trainerfrage erleichtert die Diskussionen um Wege aus dem Dilemma. "Es gelten nicht die gängigen Erklärungen", sagte Klopp, "es wäre einfach, wenn das Thema Trainer auch eines wäre". Ist es aber nicht in Dortmund. Klubchef Hans-Joachim Watzke hat in der Woche vor der Begegnung mit Hannover vorsichtshalber wiederholt: "Ich habe immer gesagt, dass unser Trainer das Ende seiner Zeit beim BVB selbst bestimmt." Und Zeichen von Amtsmüdigkeit könne er nicht erkennen.

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Klopp gab sich Mühe, diesen Eindruck zu unterstreichen. Es gelang ihm aber nicht so recht. Wenn schon nicht amtsmüde, so wirkte er zumindest müde, niedergeschlagen, angezählt. Da halfen auch die gebetsmühlenartigen Beteuerungen nicht: "Man muss einfach dranbleiben und sich durcharbeiten." Das klang wie: "Reiß dich zusammen, du musst, du musst, du musst." Nach einem differenzierten Rezept für die kommenden Wochen klang es nicht. Schwerer als zurzeit hat Klopp es in mehr als sechs Dortmunder Jahren noch nicht gehabt. Man sieht es ihm an.

(RP)
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