Borussia Dortmund im Meisterkampf Es ist vorbei

Dortmund/Bremen · 32 Spieltage träumten sie bei Borussia Dortmund von der Meisterschaft. Dass es am Ende nicht reicht, hat sich der BVB vor allem selbst zuzuschreiben. Ob die Chance so schnell wiederkommt, ist fraglich.

 Enttäuschte Dortmunder Spieler nach dem 2:2 in Bremen.

Enttäuschte Dortmunder Spieler nach dem 2:2 in Bremen.

Foto: AFP/PATRIK STOLLARZ

„Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist“, so stand es vor dem Spiel in Bremen auf einem großen Banner der mitgereisten BVB-Fans. Rund 90 Minuten später dürfte auch der letzte Dortmunder eingesehen haben: auch wenn die Meisterschaft rein rechnerisch noch immer möglich ist – die Schale wird in zwei Wochen in München an den FC Bayern überreicht werden, zum siebten Mal in Folge. Nachdem der BVB in Bremen einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielte und am Ende mit einem 2:2 noch gut bedient war, beträgt der Vorsprung der Bayern zwei Spieltage vor Schluss nun vier Punkte. Dass sich der Rekordmeister diesen Vorsprung nochmal nehmen lässt, ist kaum vorstellbar.

Zumal die verfolgenden Dortmunder an der Weser einmal mehr unter Beweis stellten, dass die Mannschaft im Jahr eins nach dem im Sommer 2018 ausgerufenen Neuaufbau noch nicht reif ist für den Titel. 45 Minuten lang dominierten die Schwarz-Gelben das Spiel, auch ohne den rot-gesperrten Kapitän Marco Reus. Der saß neben der Wechselbank und applaudierte immer wieder begeistert für das, was seine Mannschaftskollegen auf den Rasen brachten. Die 2:0-Halbzeitführung durch Tore von Christian Pulisic und Paco Alcacer war hochverdient und hätte durchaus höher ausfallen können.

BVB in Bremen: Nicht reif genug für die Meisterschaft

Was sich dann aber in der zweiten Halbzeit und insbesondere in den letzten 20 Minuten abspielte, ließ nicht nur alle Dortmunder Meisterträume platzen, sondern stellte auch die Schwächen des Teams deutlich zur Schau. Zunächst patzte Torhüter Roman Bürki bei einem Fernschuss von Möhwald (70.), dann verteidigte Manuel Akanji einen weiten Ball in den Dortmunder Strafraum nachlässig, sodass Augustinsson auf Pizarro zurücklegen und der 40-jährige Torjäger zum Ausgleich vollenden konnte (75). Dass Schiedsrichter Fritz den Bremern weitere vier Minuten später einen klaren Handelfmeter verwehrte, brachte den BVB auch nicht mehr zurück ins Spiel.

Dabei hatten nicht nur die Fans, sondern auch Trainer Lucien Favre vor dem Spiel nochmal an die Mannschaft und den Glaube an die Meisterchancen appelliert: „Alles ist drin“, sagte der Schweizer vor der Abfahrt nach Bremen. Nach dem Spiel gab sich der 61-Jährige dann wieder zurückhaltender: „Wir sind keine Träumer. Wir müssen das letzte Spiel zu Hause unbedingt gewinnen und hoffen, dass Bayern strauchelt.“ Gegen Düsseldorf und in Mönchengladbach bräuchte der BVB sechs Punkte und müsste zugleich auf maximal einen Punkt der Bayern in Leipzig und daheim gegen Eintracht Frankfurt hoffen.

BVB: Starke Hinrunde wird nicht belohnt

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Ein letztes Fünkchen Hoffnung mag noch da sein, doch die Leistungen im Jahr 2019 dürften den Dortmundern wenig Mut machen. Der Einbruch von Bremen war längst nicht der erste dieser Art: Im Heimspiel gegen Hoffenheim verspielte man eine 3:0-Führung, beim 0:3 im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals in Tottenham vergab man durch zwei späte Gegentore jegliche Chancen aufs Weiterkommen, das 2:1 gegen Mainz brachte man nur dank zahlreicher Bürki-Paraden über die Zeit. Und beim 2:4 im Derby gegen Schalke schließlich verlor die Mannschaft nach dem schnellen 1:1-Ausgleich völlig den Faden, kassierte zwei überflüssige Platzverweise und vergab letztlich die Chance, doch noch an den tags darauf in Nürnberg strauchelnden Bayern vorbei zu ziehen.

Womit sich der BVB letztlich auch um den Lohn eines zunächst sensationell verlaufenden Neustarts unter Trainer Favre brachte. So bewies die Vereinsführung um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc im Sommer nicht nur mit der Trainer-Verpflichtung sondern auch auf dem Transfermarkt ein glückliches Händchen. Das dänisch-belgische zentrale Mittelfeldduo Delaney-Witsel schlug ein, der aus Barcelona geholte Stürmer Paco Alcacer traf nach Belieben und der aus Madrid ausgeliehene Achraf Hakimi verdrängte schnell den alternden Ex-Kapitän Marcel Schmelzer (31). So stürmten die Westfalen durch die Hinrunde, holten 42 Punkte und standen zwischenzeitlich mit neun Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze. Zum Auftakt wurde Leipzig mit 4:1 niedergespielt, Aufsteiger Nürnberg schickten die Borussen gar mit 7:0 nach Hause, in Leverkusen wurde aus einem 0:2 ein furioser 4:2-Sieg, seinen Höhepunkt fand diese Phase im 3:2-Sieg gegen die Bayern. Erst am vorletzten Hinrunden-Spieltag – beim 1:2 in Düsseldorf – setzte es die erste Saisonniederlage.

Vielleicht hätten dort schon die ersten leisen Alarmglocken klingeln müssen, denn der Aufsteiger legte eiskalt die Schwächen des damaligen Spitzenreiters offen: Wie in der Rückrunde immer häufiger, fand das Favre-Team in Düsseldorf keine Lösung gegen den tiefstehenden, hart und leidenschaftlich verteidigenden und blitzschnell umschaltenden Gegner. Daraus resultierten zahlreiche gefährliche Ballverluste, wenig Torgefahr und einfache Gegentore. Probleme, die in der Rückrunde immer häufiger Punkte kosteten: beispielsweise beim 1:2 in Augsburg oder beim glücklichen 0:0 in Nürnberg.

Zumal sich neben psychischen Einbrüchen und spielerischen Fehlern noch ein drittes Problem breit machte: acht Gegentore nach Freistößen oder Eckbällen kassierte der BVB in den 15 Rückrundenspielen bislang, was Torwart Bürki nach dem Schalke-Spiel entnervt sagen ließ: „Ich sage da nichts mehr zu, das habe ich oft genug getan. Das müssen jetzt auch mal andere erkennen. Es ärgert mich, aber ich rege mich im Spiel nicht mehr auf. Das ist mir die Energie nicht wert.“ Womit Bürki auch auf Trainer Favre anspielte, der sich weigerte, an irgendeinem Punkt von seinen taktischen Vorstellungen abzurücken – und sei es nur, die Raumdeckung bei Standards auf Manndeckung zu ändern, wie von Bürki und anderen Spielern oft gefordert. All diese Schwächen kumuliert, offenbarten sich schließlich am 28. Spieltag beim desaströsen 0:5 in München, mit dem der FC Bayern zugleich die bis heute bestehende Tabellenführung übernahm.

FC Bayern so schwach wie seit 2011 nicht mehr

Und so muss am Ende des ersten Favre-Jahres bilanziert werden: Natürlich, eine Weiterentwicklung im Vergleich zur enttäuschenden Vorsaison (Platz 4, 55 Punkte) war überdeutlich, zeitweise agierte die Mannschaft gar über ihren Verhältnissen. Doch lediglich acht Siege und Platz vier in der Rückrunden-Tabelle reichen am Ende eben nicht, um den FC Bayern zu verdrängen. Selbst dann nicht, wenn die Münchner aktuell die punktemäßig schwächste ihrer vergangenen sieben Meister-Spielzeiten spielen. Diese Gemengelage ist zugleich eine große Enttäuschung für den BVB, denn letztlich ist damit belegt: Nicht der FC Bayern hat Dortmund geschlagen, allen voran hat sich die Borussia selbst geschlagen.

Aus Dortmunder Sicht ist das besonders bitter, denn die Chancen auf eine allzu baldige Wiederkehr der Meisterchance sind gering. der Abgang des 19-Jährigen Shooting-Stars Jadon Sancho (elf Tore, 17 Vorlagen) in sein Heimatland England. Ein Wechsel des Unterschied-Spielers wäre ein herber Rückschlag für das System Favres, in dem Sancho auf Außen und Reus in der Mitte für die kongenialen Momente zuständig sind. Und auch mit Sancho, dessen Vertrag beim BVB noch bis 2022 läuft, müsste der BVB zulegen und konstanter werden, will er tatsächlich erneut um den Titel mitspielen. Denn der FC Bayern bläst im Sommer zur Transferoffensive, mit Lucas Hernandez aus Madrid und Benjamin Pavard aus Stuttgart sind bereits zwei Zugänge für die diese Saison häufig schwache Defensive fix. Zugleich ist mit den in der Rückrunde bereits bärenstarken Leipziger zu rechnen – befeuert von den Red Bull-Millionen und Neu-Trainer Julian Nagelsmann.

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