Fanclub "Israelische Borussen" Schwarz-gelb in Tel Aviv

Tel Aviv/Netanya · Wenn das Team von Borussia Dortmund Fußball spielt, fiebern selbst in israelischen Kneipen Anhänger mit. Ein Fußballabend beim BVB-Fanclub "Israelische Borussen", der auch Juden und Muslime zusammenbringt.

Borussia Dortmund Fanclub "Israelische Borussen" in Israel
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"Israelische Borussen" in Tel Aviv

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Foto: Jessica Balleer

Die Kneipe "Habarbanel" liegt am Ende einer typisch israelischen Seitenstraße, nahe der Altstadt von Tel Aviv-Jaffa. Doch wer dort die Treppe hinaufsteigt, entdeckt Unerwartetes: Schwarz-gelbe Banner hängen an den Wänden der urigen Bar. Es gibt Bier und Pizza. Männer und Frauen sitzen hier, tragen Schals und Trikots von Borussia Dortmund. Sie kommentieren das Champions-League-Spiel des BVB bei Tottenham Hotspur, als hätten sie es jahrelang in einer Bar in Dortmund gelernt.

Sie sehen, wie Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang den BVB in Führung bringt. "Auf geht's Dortmund, kämpfen und siegen, weil wir dich so lieben", singen die israelischen BVB-Anhänger. Die Freude währt nicht lange. Nach schwacher Leistung unterliegt das Team mit 1:2 (1:0). "Vielleicht mussten wir wieder verlieren, damit Peter Bosz endlich gefeuert wird", sagt Uzi Levi (41). Die Stimmung ist gedämpft, alle haben das Bundesliga-Derby gegen den FC Schalke 04 schon im Hinterkopf. Dass dieses Spiel 4:4 enden und in die Derby-Geschichte eingehen wird, wissen sie da noch nicht.

Manche sind aufgrund deutscher Vorfahren Dortmund-Fans geworden. Andere, weil sie hier als Kinder dank Satellitenübertragung Spiele der Borussia verfolgen konnten oder nach Austauschprogrammen durch Städtepartnerschaften von der Faszination nicht mehr loskamen. Seither sind sie glühende Fans — und Mitglieder des größten israelischen BVB-Fanclubs "Israelische Borussen". Uzi Levi ist aus Netanya nach Tel Aviv gekommen — der Stadt, die 30 Kilometer entfernt liegt, seit 1981 Partnerstadt von Dortmund ist und vor allem 2008/09 wegen des erfolglosen Trainer-Engagements von Lothar Matthäus beim FC Maccabi Netanya bekannt wurde.

"Sport, vor allem Fußball, kann verbinden"

Die Geschichte des Fanclubs begann im Internet. Der Deutsch-Israeli Adam Lahav (29) gründete 2011 gemeinsam mit einem Freund die Facebookseite "Israelische Borussen". Nachrichten und Berichte rund um den BVB veröffentlichen sie dort. Mittlerweile hat die Seite fast 6000 "Gefällt mir"-Angaben und der Fanclub knapp 60 Mitglieder. Die Liebe zur schwarz-gelben Borussia bekam auch Lahav als Kind von der Familie seiner deutschen Mutter mit. Als Jugendlicher in Israel sei er politisch eher rechts orientiert gewesen. Das hat sich längst geändert. "Die Israelischen Borussen haben meinen Horizont erweitert", sagt er, denn hier stehen Deutsche und Israelis, Juden und Muslime zusammen. "Wir fragen nicht nach Religion oder Herkunft, bei uns sind alle willkommen."

Einen Abend später. Es ist 18 Uhr und längst dunkel, trotzdem trainiert die Mannschaft des FC Maccabi Netanya noch bei 20 Grad. Im Pulk der Fußballer läuft der einzige Deutsche über das Feld, der in Israels erster Liga spielt: Tim Heubach (29), gebürtiger Neusser. Deutsch-israelischer Fußballaustausch hatte hier in Netanya Ende der 1990er Jahre eine Hochphase: Die beiden einzigen Israelis, die je für Borussia Dortmund gespielt haben, stammen von hier. Shlomi Dahan und Amos Sassi wurden 1998 von einem Scout aus Dortmund entdeckt und zum BVB gelotst. Zwei Jahre später holten sie mit dem BVB die A-Jugend-Meisterschaft. Während Sassi noch Spiele in der Regionalliga für Dortmund bestritt, endete Dahans Karriere in Israel. Heute ist er 38 und Verantwortlicher beim FC Maccabi Netanya, doch er zehrt noch sichtlich von der Vergangenheit: "Ich war jung", sagt Dahan, "aber Dortmund war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde, und natürlich macht mich das zum BVB-Fan auf Lebenszeit. Er ist ein Teil von mir." Auch wenn der sportliche Austausch eingeschlafen ist, mehr als 4000 Jugendliche haben bereits an einem Austausch im Rahmen der Städtepartnerschaft teilgenommen. Und Dahan glaubt: "Sport, vor allem Fußball, kann verbinden."

Die These bestätigt sich regelmäßig in der "Habarbanel". Zwar ist der BVB-Fanclub in Tel Aviv nicht der einzige. Es gibt eine große Gruppe, die den FC Bayern bejubelt. Auch englische und russische Spitzenteams sind aufgrund der Einwanderer in bestimmten Stadtteilen beliebt. Doch für die Borussen sind die meisten von denen "nur langweilige Erfolgsfans". Ihre Liebe geht im wahrsten Sinne bis unter Haut. Denn die meisten haben sich BVB-Symbole sogar tätowieren lassen. Noch während des Champions-League-Spiels schickt ein muslimisches Fanclubmitglied ein Foto aus dem Urlaub in den Gruppen-Chat. Zu sehen ist das neueste Tattoo auf seinem Unterarm. Es ist ein riesen Banner über dem Kopf des ehemaligen Dortmunders Dedê: "Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen", steht da. Der Slogan also, mit dem Borussia Dortmund seit 2012 gegen zunehmenden Rechtsradikalismus einzelner Fangruppen vorgeht.

BVB organisiert Fahrten nach Auschwitz

Lange galt Borussia Dortmund als der Klub mit dem "rechten Problem". Seit einigen Jahren organisieren die Fanbeauftragten gemeinsam mit dem "Fanprojekt Dortmund" Fahrten in die Holocaust-Gedenkstätte Auschwitz — ihr Beitrag gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Doch der jüngste Rückschlag folgte Anfang November, als erneut Empörung aufkam. Zunächst hatten rechte Anhänger des italienischen Vereins Lazio Rom Aufkleber erstellt, die das Holocaust-Opfer Anne Frank im Trikot des Erzfeindes AS Rom zeigten. Fotos ähnlicher Aufkleber, die Anne Frank im Trikot des FC Schalke 04 zeigten, verbreitete unter anderem ein BVB-Hooligan im Internet. Borussia Dortmund distanzierte sich klar von dieser Aktion. Und die "Israelischen Borussen"? Sie stellten sich hinter ihren Verein.

"Wir haben auch viele Reaktionen bekommen, aber nur positive", sagt Adam Lahav. Viele hätten Nachrichten geschrieben und Freude darüber bekundet, dass der Fanclub existiert. "Dummheit und ein bisschen Bildbearbeitung reichen nicht aus, um Hunderttausende Borussia-Fans schlecht zu machen", sagt er. Er bemerke zwar, dass viele Aufkleber der "Israelischen Borussen" abgekratzt würden, aber körperlich angegriffen worden sei er noch nie. Von regelmäßigen Stadionbesuchen hält ihn aber nichts ab. Genau wie die anderen Fanclubmitglieder, die zum Teil drei, vier Mal im Jahr nach Deutschland reisen, um ihre Borussia live spielen zu sehen. Auch zum Derby gegen Schalke werden drei von ihnen kommen.

"Es ist diese Atmosphäre vor dem Spiel und währenddessen, das schwarz-gelbe Meer auf der Südtribüne", schwärmt Oshri, der am Samstag sein zweites Derby erleben wird. "Ich bekomme schon bei dem Gedanken an 'You'll never walk alone‘ Gänsehaut."

(ball)
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