Südtribüne in Dortmund Der graue Beton als Mahnmal

Meinung · Fußball in Dortmund war am Samstag wie Braten mit Kloß ohne Soße. Hauptgericht und Beilage wurden gereicht, geschmeckt hat es trotzdem nicht.

Borussia Dortmund spielt vor gesperrter Südtribüne
14 Bilder

BVB spielt vor gesperrter Südtribüne

14 Bilder
Foto: rtr, joh

Es wurde Bundesliga-Fußball gespielt und 56.906 Besucher schauten zu, als die Borussia den VfL Wolfsburg mit 3:0 (1:0) besiegte. Das würzige Bindeglied hat dabei aber gefehlt. Knapp 25.000 Fans, die normalerweise die Südtribüne füllen, waren vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ausgeschlossen worden. Der graue Beton war ein Mahnmal. Gegen Gewalt. Aber auch für die Auseinandersetzung mit deutscher Fankultur.

Die Verantwortlichen von Borussia Dortmund haben die Strafe des DFB akzeptiert, auch weil sie der Überzeugung waren, "dass es in der emotional noch immer aufgeladenen Atmosphäre derzeit weder möglich noch sinnvoll erscheint, eine inhaltlicher Debatte über im juristischen Sinne ,angemessenes', ,erforderliches' oder ,weitsichtiges' Strafmaß zu führen", wie Präsident Reinhard Rauball und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im Stadionheft verlauten ließen. Und weiter: Wir haben "unserer Meinung deutlich Ausdruck verliehen, dass wir Kollektivstrafen, von denen eine überwältigende Mehrheit friedlicher, unschuldiger Fans betroffen sind, nicht für ein zweckdienliches Mittel halten".

BVB-Fans kommentieren Südtribünen-Sperrung
8 Bilder

BVB-Fans kommentieren Südtribünen-Sperrung

8 Bilder
Foto: rtr, joh

Borussias Führung verurteilt — wie jeder klar denkende Mensch — die Vorkommnisse gegen Leipzig vor zwei Wochen, als Dortmunder Fans auf der Südtribüne unter vielen zu tolerierenden kritischen auch einige geschmacklose Banner präsentierten. Und vor allem, als ein kleiner Teil völlig Fehlgeleiteter außerhalb der Stadionmauern Gästefans mit Wurfgegenständen attackierte.

Kollektivstrafen sind zu kurz gefasst

Fankurven wie die Südtribüne in Dortmund üben eine große Faszination aus. Auch, weil sie trotz homogener Gesangs- und Hüpfeinlagen im Herzen heterogen sind. Würde man eine Befragung der knapp 25.000 Besucher auf der Südtribüne durchführen, wären die Ergebnisse vermutlich nach allen Maßstäben der Sozialforschung repräsentativ. Nirgends findet man alle sozialen Schichten Deutschlands auf einem engeren Raum. Es verwundert daher kaum, dass in diesen Fankurven die gleichen Probleme auftreten wie in der Gesellschaft selbst. Und diese Probleme sind eben genau so wenig mit einfachen Handgriffen zu beseitigen. Dieser Fankurve nun durch eine Kollektivstrafe den Auftrag zu suggerieren, die Probleme selbst lösen zu müssen, ist zu kurz gefasst. Verpflichtende Zivilcourage sollte genauso wenig Grundlage eines Rechtsstaates sein wie Sippenhaft.

Ein gutes Zeichen des DFB war es, die 88 Personen mit Stadionverboten zu belegen, die nur eine Woche nach den Vorfällen gegen Leipzig mit Sturmhauben und Kampfhandschuhen ganz offenkundig nur zum Auswärtsspiel in Darmstadt aufgebrochen waren, um zu randalieren — oder im Wissen, Randalierer zu begleiten. Nur, und darauf legen auch die BVB-Verantwortlichen in ihrer Stellungnahme wert, diese Gewalttäter sind nicht mit "den Ultras" gleichzusetzen.

Borussia Dortmund: Bruma erzielt Dortmunder Führung per Eigentor
6 Bilder

Bruma erzielt Dortmunder Führung per Eigentor

6 Bilder
Foto: ap, mm

In einer immer mehr zu Politikverdrossenheit erzogenen Gesellschaft ist die Ultrakultur eine der wenigen übriggebliebenen Jugendsubkulturen. Deutschlandweit sammeln Ultras Spenden für soziale Zwecke, setzen sich gegen Diskriminierung und Rassismus ein oder helfen bei der Integration von Flüchtlingen. Sie machen sich das Leben aber auch durch übertriebene Verfehlungen und eine sehr selbstgerechte Außendarstellung schwer. Kritik am eigenen Verhalten muss trotz aller Rebellion gegen den kommerzialisierten Fußball noch gelernt werden. Dennoch wären die Verantwortlichen gut beraten, auch die Bedenken der Fanbasis bei allem Gigantismus in der Fußballwelt nicht außer Acht zu lassen.

Der DFB muss zusammen mit den Vereinen weiter daran arbeiten, einzig diejenigen zu bestrafen, die den Fußball missbrauchen, um ihre perfiden Gewaltfantasien auszuleben. Worauf der DFB aber auch achten muss, ist, dem Hochglanzprodukt Bundesliga nicht ein Theaterpublikum verordnen zu wollen. Der Fußball lebt von Emotionen, auf dem Platz — und auf den Rängen. Mal herzlich, mal rau. Dazu gehört die Anfeuerung ebenso wie die — im Rahmen des zumutbaren - zur Schau gestellte Abneigung der Rivalen. Dortmunder Fans brachten es mit einem Banner am Samstag auf den Punkt: "Ohne Süd kein wir".

(erer)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort