Interview mit Oliver Bierhoff "Bin überrascht, dass ich in Frage gestellt werde"

sid: "Oliver Bierhoff, wie bewerten Sie als Kapitän die Aussprache nach den Vorfällen während des letzten Länderspiels in den Niederlanden?"

Bierhoff: "Die Aussprache hat in einer guten Atmosphäre stattgefunden und wurde von der Mannschaft gut aufgenommen. Wir schauen jetzt nach vorne. Es wäre aber besser gewesen, wenn alle Spieler, die in Holland dabei waren, auch bei der Aussprache dabei gewesen wären. Aber der Teamchef wollte das Thema nicht aufschieben. Jetzt muss sich die Mannschaft in den zwei Wochen vor der EM eben noch einmal zusammensetzen und gewisse Dinge intern regeln. Aber trotz der Unruhe nach dem Holland-Spiel ist die Truppe intakt."

sid: "Ist es trotzdem nicht bedenklich, dass es überhaupt zu dieser Aussprache kommen musste?"

Bierhoff: "Ich empfand die ganze Aktion in Holland ohnehin nicht ganz so wild. Was in der Halbzeit passiert ist, ist nichts Ungewöhnliches. Ich kann mir auch vorstellen, dass der Spieler das gar nicht böse gemeint hat. Man muss sich nur überlegen, ob es der richtige Stil ist, dass so eine Aussage derart gepuscht wird."

sid: "Zuletzt gab es auch Diskussionen um ihre Position in der deutschen Nationalmannschaft. Können Sie das nachvollziehen?"

Bierhoff: "Ich bin selbst immer wieder überrascht, dass versucht wird, mich in Frage zu stellen. Ich bin immerhin Kapitän der Mannschaft, habe im EM-Finale 1996 das Golden Goal erzielt, bei der WM drei Tore gemacht und auch bei der EM-Qualifikation siebenmal getroffen. Aber ich kann ganz gut damit leben. Und selbst wenn ich einmal nicht von Beginn an spielen würde, weil der Trainer etwas anderes ausprobieren will, würde ich das akzeptieren. Weil ich weiß, dass der Trainer mich schätzt. Er weiß, was er an mir hat."

sid: "Kommen vor dem Spiel am Mittwoch gegen Kroatien bei Ihnen noch einmal besondere Gedanken an das Aus im WM-Viertelfinale gegen die Kroaten hoch?"

Bierhoff: "Das war sicher eine ganz bittere Geschichte. Ich bin auch heute noch überzeugt, dass wir den Titel hätten gewinnen können. Aber das sollte inzwischen abgehakt sein, auch wenn viele das Spiel als WM-Revanche sehen. Wir müssen sehen, dass wir bei der Vorbereitung auf die EM weiter kommen. Ich hoffe, dass es ein faires Spiel wird - bei allen Emotionen."

sid: "Wo steht die deutsche Nationalmannschaft knapp zweieinhalb Monate vor der EM eigentlich?"

Bierhoff: "Ich weiß auch nicht hundertprozentig, wo wir im Moment stehen. Das Problem ist, dass wir immer wieder vier oder fünf Verletzte haben und uns so nicht richtig einspielen können. Das war vor der EM 96 anders. Aber nachdem wir die Qualifikation gut hinbekommen haben, bin ich guter Hoffnung, dass wir als Turniermannschaft auch die EM gut hinbekommen."

sid: "Der Druck auf die Mannschaft wird durch die jüngsten Pleiten jedoch immer größer..."

Bierhoff: "Bei der Nationalmannschaft hat man immer Druck. Ich habe im Umfeld noch nie eine positive Stimmung erlebt, abgesehen von der Zeit nach dem EM-Finale. Ansonsten wird immer nur nach dem Negativen gesucht."

(RPO Archiv)
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