Erfolgstrainer Wie Jupp Heynckes sich neu erfand

Leverkusen · Die Rückkehr des 72-Jährigen zu den Bayern ist perfekt. Das Image als einfühlsamer Erfolgstrainer hat er sich erst erarbeitet. Vor allem 2009 bis 2011 in Leverkusen.

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Foto: dpa/Pedro Portal

Als der Dolmetscher ihn auch bei der zweiten Antwort als "Herrn Heineken" vorstellt, blickt ihn Jupp Heynckes jovial von der Seite an: "Sie können Don Jupp zu mir sagen." Es gab Zeiten, da hätte Heynckes im Fehler des Übersetzers wohl einen Witz auf seine Kosten gesehen, hätte es ihn darin bestätigt, warum er Medienarbeit nicht zu seinen Lieblingstätigkeiten als Bundesligatrainer zählt. Schließlich ist Heynckes nach seinen Anfangsjahren in Mönchengladbach und bei den Bayern und neben erfolgreichen Stationen in Bilbao, Madrid, Lissabon und auf Teneriffa hierzulande als Trainer auch gestrauchelt. In Frankfurt Mitte der 90er, auf Schalke (2003/04) und bei seiner Rückkehr zur Borussia (2008/09). Während dieser Stationen gilt er in Journalistenkreisen als dünnhäutig und schwierig. Als misstrauisch.

Doch der Jupp Heynckes, der im Februar 2011 bei der Pressekonferenz vor Leverkusens Europa-League-Spiel im ukrainischen und minus 15 Grad kalten Charkow sitzt, ist ein anderer. Gelassener, ausgeglichener, großzügiger. Die fünf Spiele in der Endphase der Saison 2008/09, in der er dem FC Bayern nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann noch die Champions-League-Qualifikation sicherte, haben ihn verändert. Aber in den zwei folgenden Spielzeiten als Coach der Werkself erfindet sich Heynckes neu. Noch heute wird man sich schwertun, einen Leverkusener Spieler zu finden, der nicht mit Heynckes zurechtkam. Einzig Michael Ballack, wahrscheinlich. Der war 2010 nach Leverkusen zurückgekehrt, aber mit seinen Starallüren mit Heynckes' etabliertem Primat des Teamgedankens angeeckt. Doch abseits des ständig schwelenden Themas Ballack herrscht zu dieser Zeit die große Harmonie in Leverkusen.

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Heynckes schafft es, zu den Südamerikanern wie Arturo Vidal oder Renato Augusto ein genauso gutes Verhältnis aufzubauen wie zu Arrivierten wie Simon Rolfes oder Sami Hyypiä. Gleichzeitig fördert er Talente wie Stefan Reinartz und findet sogar zur coolen, jungen Generation einen Draht. Dazu hat Heynckes gelernt, nicht alles selbst regeln zu müssen. Er vertraut seinem Trainerteam, und das honoriert das Vertrauen mit Wertschätzung.

Das Wichtigste aber: Das Gesamtgebilde ist erfolgreich. Heynckes wird mit Bayer erst Vierter, und im Jahr drauf verabschiedet er sich als Vizemeister mit 68 Punkten nach München, wo Uli Hoeneß ihn diesmal längerfristig auf der Trainerbank haben will. Erst der feststehende Abgang belastet das Binnenverhältnis im Werksklub. Als Heynckes sich verabschiedet, tut er dies mit persönlichen Zeilen und kleinen Aufmerksamkeiten - für jeden Mitarbeiter. Dass Heynckes in der Kombination von spanischer Gelassenheit und Anerkennung für die jüngsten Erfolge hierzulande zu seinem Kern gefunden hat, schließt hartes Durchgreifen übrigens nicht aus. Reinartz konstatiert so im April 2012: "Er konnte intern auch anders."

Mit diesem Gefühl für das richtige Maß von Vertrautem und Chef gewinnt Heynckes 2012/13 das Triple mit dem bajuwarischen Starensemble. Und wegen dieser Qualität holen sie ihn auch diesmal zurück - erneut mit seinem Co-Trainer Peter Hermann, für den die Bayern nach Informationen unserer Redaktion bis zu zwei Millionen Euro Ablöse an Fortuna Düsseldorf zahlen. In München soll das Duo ein Team wieder als Einheit zusammenbauen, in dem es zuletzt Spieler gab, die für, und welche, die gegen Carlo Ancelotti waren. 72 Jahre alt ist Heynckes inzwischen. Aber er traut sich den Job bei den Bayern ein weiteres Mal zu. Weil er eben der ist, der sich noch einmal neu erfunden hat.

Der Autor war während Heynckes' Amtszeit bei Bayer 04 Sportredakteur der Rheinischen Post in Leverkusen.

(klü)
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