ZDF strahlt Doku-Drama aus Uli Hoeneß — der Patriarch

München · Das letzte Wort spricht er nicht vor Gericht. Das letzte Wort spricht Uli Hoeneß vor den Mitgliedern des FC Bayern München. "Der FC Bayern ist mein Lebenswerk", sagt er, "das war's noch nicht." So verabschiedet sich der einstige Präsident nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in die Haft. Und so endet das sehenswerte ZDF-Doku-Drama "Der Patriarch", das vom Aufstieg und Fall einer der wichtigsten Figuren des deutschen Fußballs erzählt.

Uli Hoeneß — ZDF zeigt "Der Patriarch" am Donnerstag
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Es erinnert an den steilen Aufstieg des Spielers Hoeneß aus der Provinzstadt Ulm zum Star des FC Bayern und an einen Manager, der den deutschen Profifußball erst so richtig erfunden hat. Der Film kommt dem Phänomen Hoeneß ganz nah. Es zeigt einen guten Menschen, einen fürsorglichen Chef, ein selbstgerechtes Alphatier, einen süchtigen Zocker. Im Zentrum des Films steht die Gerichtsverhandlung gegen Hoeneß, dem der Schauspieler Thomas Thieme seine passende barocke Figur und Ausstrahlung leiht.

Vor der Strafkammer verliest Hoeneß (Thieme) eine Erklärung, die perfekt kalkuliert seinen Weg aus kleinen Verhältnissen bis an die Spitze nachzeichnet. Sie enthält Bekenntnisse der Reue für sein Steuervergehen und den durchgängigen Versuch, den Steuerbetrug mit seiner Spielsucht zu erklären. "Wenn man zockt und verrückt ist, wie ich es war, will man Gewinne erzwingen", sagt Hoeneß. Die Zahlen, um die es in diesem Prozess vor anderthalb Jahren ging, lassen nicht nur das Publikum im Gerichtssaal in erstauntes Murmeln ausbrechen. Bis zu 50.000 Transaktionen hat der Bayern-Manager im Jahr über ein Nummernkonto in der Schweiz abgewickelt — weit über 100 am Tag. Einmal hat er in 24 Stunden 18 Millionen Euro versenkt. "Es war ein einziges Durcheinander", erklärt er dem Gericht. Man könnte fast Mitleid bekommen, auch weil Regisseur Christian Twente Spielszenen einblendet, in der Hoeneß sich als ertappter Täter mit seiner Frau Susi in den Armen liegt. Da ist Verzweiflung drin, Wut und Liebe, viel menschliche Wärme. Im Gerichtssaal sucht er den Augenkontakt mit seiner Frau.

Twentes Film liefert aber auch das andere Bild. Die Chuzpe, am ersten Verhandlungstag die Summe, um die er den Staat gebracht hat, locker um das Achtfache auf 28 Millionen Euro zu steigern, zeichnet dieses andere Bild vor. Da ist ein Mann, der gewohnt ist, selbst zu bestimmen, was richtig und falsch ist. Der berichtet, dass er fünf Millionen Euro an gemeinnützige Einrichtungen gespendet hat, und sagt: "Ich bin kein Sozialschmarotzer." Dem das Unrecht seiner Steuerstraftat nicht so recht aufzugehen scheint und der bis zum Schluss nicht mit der Haftstrafe rechnet. Beobachter des Prozesses wie die Journalistin Annette Ramelsberger stellen fest: "Er tut sich schwer mit Demut."

Und er tut sich schwer mit Niederlagen. "Niederlagen sind nicht vorgesehen", sagt Ramelsberger. Die ganze Geschichte des Uli Hoeneß im Film ist die eines Mannes, der es nicht erträgt, irgendwo die Nummer zwei zu sein. Als Fußballspieler war er schnell ganz oben, und ihn trieb das frühe Karriere-Ende wegen einer Knieverletzung regelrecht zu seinen Erfolgen als Manager. Seine Karriere, so heißt es in der Dokumentation, habe sich in der Funktion des Managers erst vollendet.

FC Bayern München: Uli Hoeneß schaut beim Training vorbei
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Uli Hoeneß schaut beim Bayern-Training vorbei

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Er machte die Bayern zum größten Klub in Deutschland, und auch in diesem Geschäft konnte er Niederlagen nicht ertragen. Er machte aus sportlichen Niederlagen oft Siege, weil er dieses Geschäft beherrschte. Vor Gericht wird deutlich, dass er sich im Finanzgeschäft längst nicht in diesem Umfang auskannte. Da sitzt einer auf der Anklagebank, der das nicht zugeben will, der aber bereit ist, "die Verantwortung zu übernehmen und zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren". Innerhalb dieses Widerspruchs zwischen Moral und Kalkül, Verantwortungsbewusstsein und Selbstüberschätzung wird die Persönlichkeit des einstweilen früheren Funktionärs entwickelt.

Uli Hoeneß verabschiedet sich von seinem FC Bayern München
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Uli Hoeneß verabschiedet sich von seinem FC Bayern

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Der Titel "Patriarch" passt zu Hoeneß. Das darf der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude im Film sagen: "Ein Patriarch ist fürsorglich zu seinen Untergebenen, aber er maßregelt sie auch. Da ist er ein bisschen wie der Unternehmer des 19. Jahrhunderts." Hoeneß würde sagen: wie der "gute Unternehmer" des 19. Jahrhunderts. Seit mehr als einem Jahr sitzt er im Gefängnis. Als Freigänger arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern. Und es ist ziemlich sicher, dass er noch mal in eine noch wichtigere Position zurückkehrt. Versprochen hat er es ja.

(pet)
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