Analyse zum Hoeneß-Urteil Ist das Urteil angemessen?

Uli Hoeneß ist wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Das Urteil trennt das Land in zwei Lager. Noch zu milde für einen Millionen-Betrüger, sagen die einen. "Freiheit für Uli", fordern die anderen. Auch Chefredakteur Michael Bröcker und Wirtschaftschefin Antje Höning streiten: War dieses Urteil gerecht?

 RP-Chefredakteur Michael Bröcker.

RP-Chefredakteur Michael Bröcker.

Foto: Andreas Endermann

Auf Normalmaß geschrumpft Es ist eine gute Nachricht für Deutschland, die Richter Rupert Heindl am Donnerstag gegen 14.07 Uhr im Gerichtssaal des Landgerichts München verkündete. Haft für Hoeneß. Der Rechtsstaat gewährt auch Fußball-Idolen keine mildernden Umstände. Der "Nelson Mandela von der Säbener Straße" (Bayern-Manager Karl-Heinz Rummenige) ist auf das Format eines schnöden Steuerhinterziehers geschrumpft, eines Kriminellen. Das (vorläufige) Urteil ist eindeutig. Und es ist richtig.

Uli Hoeneß: Ist das Urteil im Steuerprozess gerecht?
Foto: dpa, mum kno

Es geht nicht um Häme Vorneweg: Es geht nicht um Häme gegen einen erfolgreichen Fußball-Manager — wohl niemand hat so viel Gutes für den deutschen Fußball getan wie Uli Hoeneß. Es geht auch nicht um den FC Bayern München, die scheinbar Unbesiegbaren aus dem Süden. Es geht schlicht und einfach um das Funktionieren des Rechtssystems, auf das wir alle angewiesen sind. Es geht um Wahrheit und Klarheit im Gericht.

Unglaubwürdig! Die angeblich tiefe Reue und Einsicht des Uli Hoeneß wirkte schon am ersten Tag des Prozesses unglaubwürdig. Die zeitliche Nähe zwischen der unvollständigen Selbstanzeige und den Recherchen eines Magazins war offensichtlich. Die Hektik bei der Erstellung der Selbstanzeige, die täglich höheren Millionensummen, die im Prozess bekannt wurden, untermauern die Richtigkeit des Urteils selbst für juristische Laien. Die hinterzogene Summe von 28,5 Millionen Euro (inklusive Solidaritätszuschlag) ist so gewaltig, dass eine Bewährungsstrafe, geschweige denn ein Freispruch, absurd gewesen wäre, will man den grundsätzlichen Richterspruch des Bundesgerichtshofs zur Steuerhinterziehung ernst nehmen. Mit dreieinhalb Jahren Haft ist Hoeneß noch gut weggekommen, seine Lebensleistung, sein Geständnis wurden angemessen berücksichtigt.

Scheinheilig Selbst für Bayern-Fans muss die Doppelzüngigkeit ihres Idols doch unangenehm gewesen sein. Tagsüber zockte der Fußball-Präsident mit Millionen, abends setzte er sich in Talkshows, attackierte gierige europäische Vereine und kritisierte Finanzspekulationen.

Gut, dass der Bayern-Bonus im Gericht ausgeblieben ist.

Das Urteil ist ein Segen Auch für den ehrlichen Steuerzahler ist das Urteil ein Segen. Dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist, sagen Politiker gerne. Nun ist es endgültig amtlich. Mehr noch: Steuerhinterziehung ist asozial — sie legt die Axt an ein funktionierendes Gemeinwesen. Es nimmt dem Staat die Möglichkeit, in unterfinanzierte Zukunftsfelder wie Familien und Forschung zu investieren.

Verlorenes Vertrauen "Mit einer Reichensteuer geht es dem kleinen Mann kein Stück besser", hat Uli Hoeneß in seinen unbescholtenen Tagen einmal über hohe Steuern für Wohlhabende gesagt. Wenn er nur selbst seine Steuern gezahlt hätte, allerdings schon. Denn mit einer Gefängnisstrafe gegen Uli Hoeneß ist gerade beim "kleinen Mann" viel Vertrauen verloren gegangen. Vertrauen in Vorbilder.

Nein, das Urteil ist nicht angemessen, meint hingegen RP-Wirtschaftschefin Antje Höning. Sie vermisst jede Verhältnismäßigkeit. Ein Jahr Haft für einen Vergewaltiger und dreieinhalb für Hoeneß — wo bleibt da das Augenmaß?

(brö)
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