Mit der Nagelsmann-Entlassung Der FC Bayern begeht Verrat an eigener Zukunftsvision

Meinung | Düsseldorf · Die Entlassung von Julian Nagelsmann beim FC Bayern kommt von außen betrachtet überraschend. Gründe gibt es aber sicherlich einige. Dennoch verrät der Rekordmeister seine eigene Zukunftsvision.

Porträt: Das ist Julian Nagelsmann - TSG 1899 Hoffenheim, RB Leipzig, Bayern München
20 Bilder

Das ist Julian Nagelsmann

20 Bilder
Foto: dpa/Jan Woitas

Er ist immer noch erst 35, das vergisst man so schnell. Und bislang ist die Trainerkarriere von Julian Nagelsmann immer steil bergauf gegangen. Er rettete die TSG Hoffenheim als wirklich blutjunger Kerl mit einem verblüffend selbstbewussten Stil vor dem Abstieg und machte ganz nebenbei die Fußballlehrer-Lizenz. Er führte Leipzig auf ein anderes spielerisches Niveau, und er war dem großen FC Bayern 2021 eine Ablösesumme von 25 Millionen Euro und einen Fünfjahres-Vertrag wert. Ein gewaltiger Vertrauensvorschuss. Nagelsmann hat ihn nicht zurückzahlen können.

Denn jetzt gibt es den ersten Rückschlag in seiner Laufbahn. Der Rekordmeister setzt ihn vor die Tür, nachdem die Mannschaft vor dem Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund in der Bundesliga auf den zweiten Platz zurückgefallen ist – nach Münchner Maßstäben ein tiefer Sturz.

Nagelsmann hat dazu zweifellos beigetragen. In seinem ersten Jahr ließen die Oberbayern es ihm noch durchgehen, dass am Ende der Saison lediglich das Erreichen des Minimalziels stand, die Meisterschaft. Aber schon beim frühen Ausscheiden aus Pokal und Champions League wurde sehr lautstark über die Qualitäten des jungen Trainers geschwiegen. Die Bilanz der Auftakt-Saison wurde ihm offensichtlich als eine Art Lehrzeit in Deutschlands größtem Klub gutgeschrieben.

FC Bayern: Netzreaktionen zur Entlassung von Nagelsmann​
Infos

Netzreaktionen zur Entlassung von Nagelsmann

Infos
Foto: dpa/Marius Becker

Diese Schonzeit ist vorbei. Aus zwei Gründen. Die Bayern lösen ihren Cheftrainer ab, weil er in einer wenig jugendlichen Mischung aus Sendungsbewusstsein und ungesunder Hybris nicht nur seine Mannschaft, sondern auch sich selbst mit Ansprüchen überfrachtet hat. Sie lösen ihn außerdem ab, weil Thomas Tuchel (49) zurzeit auf dem Markt ist. So einfach ist das manchmal.

Aber es ist trotzdem keine einfache Lösung, denn die Bayern setzen sich nun einen ganz ähnlichen Typ auf die Bank. Tuchel ist ebenso wie Nagelsmann ein Taktiknerd, der am liebsten fünf verschiedene Grundordnungen in einer Halbzeit aufgeführt sehen will. Er hat ein mindestens ebenso großes Ego. Und er mag keine Götter neben sich. Daran scheiterte er schon bei Borussia Dortmund – nicht an mangelnder Qualifikation.

Aus beim FC Bayern: Julian Nagelsmann muss als Trainer gehen.

Aus beim FC Bayern: Julian Nagelsmann muss als Trainer gehen.

Foto: AP/Martin Meissner
Thomas Tuchel im Portät: Ex-Trainer von BVB, Chelsea und Paris Saint-Germain
29 Bilder

Das ist Thomas Tuchel

29 Bilder
Foto: AP/Andy Rain
Die Pressestimmen zum Nagelsmann-Aus bei Bayern​
Infos

Die Pressestimmen zum Nagelsmann-Aus bei Bayern

Infos
Foto: dpa/Sven Hoppe

Die Münchner bekommen daher lediglich einen älteren Nagelsmann. Damit rückt auch die Klubführung in den Blickpunkt. Vereinschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic haben Nagelsmanns Alleingänge gegen die Mannschaft gedeckt – zuletzt bei der Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic, den Vertrauten von Nationaltorwart Manuel Neuer. Nun haben sie das Murren im Team erhört und stehen auf der Seite der Spieler. Ihre eigene Vision von einer langfristigen Zukunft mit einem der größten Trainertalente Deutschlands haben sie verraten. Das wird ihnen vielleicht auch noch mal vorgerechnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort