Wirbel um Bayern München Mitleid passt nicht zu Nagelsmanns Aus

Meinung | Düsseldorf · Der überraschende Trainerwechsel beim deutschen Rekordmeister hat viele Facetten. Allein die menschelnde Ebene will nicht dazu passen. Wer Empathie in diesem Geschäft erwartet, ist naiv. Das gilt für den Umgang von Vereinen mit ihren Angestellten genauso wie für die geheuchelte Kollegialität unter Trainern.

Das ist Bundestrainer Julian Nagelsmann - von Hoffenheim über Leipzig, Bayern München zum DFB
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Das ist Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann

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Foto: dpa/Arne Dedert

Mit der Freistellung von Julian Nagelsmann als Trainer des FC Bayern München ist es wie mit so vielen Neuigkeiten unserer Zeit. Die reine Nachricht wird schnell abgelöst von zahlreichen Metaebenen. Im Fall Nagelsmann betreffen diese die Frage nach der generellen Strategie der Münchner, das offensichtliche Versagen der Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic sowie die verbrannten zig Millionen Euro an Ablöse und Abfindung für Nagelsmann. Nur auf eine Metabene dieses Themas gehört bitte schnell wieder der Deckel drauf: die menschelnde. Denn Mitleid muss niemand haben mit Julian Nagelsmann – egal, wie die Freistellung am Ende abgelaufen ist. Wer im Haifischbecken Profifußball mitschwimmen will, darf nicht auf Empathie hoffen, wenn er gefressen wird.

In diesem Geschäft geht es nur um drei Dinge: Erfolg, Geld und Ego. Ego besitzt Nagelsmann derart üppig, dass handelsübliche Türmaße in mitteleuropäischen Gebäuden oft eng kalkuliert wirken, wenn er hindurchtritt. Dass ihn nun dem Vernehmen nach gerade dieses Ego, eine für seine Umgebung spürbare Form von Unbelehrbarkeit und die emsig gepflegte Aura des vermeintlich Allwissenden das Amt kosteten, weil die noch größeren Egos in der Chefetage des Klubs um Erfolg, Geld und ihre eigenen Egos fürchteten, mutet da fast schon ironisch an.

Ironisch, ja fast höhnisch muss des Weiteren auch jede Form von kundgetaner Kollegialität unter Profitrainern wirken. Alles nur leere Worthülsen, alles nur öffentlichkeitswirksame Heuchelei. Wer eine Stelle will und bekommen kann, hat noch nie darauf verzichtet aus Mitgefühl mit dem zuvor entlassenen Kollegen.

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Das ist Thomas Tuchel

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Foto: AP/Andy Rain

Und wer Thomas Tuchel bei seiner Inthronisierung in München erlebt hat, sah einen klar und kühl agierenden Machtmenschen, für den dieser Job jetzt gerade passte und der Kahn und Salihamidzic in den vergangenen Tagen deutlich zu verstehen gegeben haben dürfte, dass er nicht bereit ist, zu warten. Überspitzt formuliert hat Tuchel Nagelsmann damit auch ein bisschen entlassen. Erlaubt ist, was die eigene Karriere voranbringt.

Mit Tuchel muss dann übrigens auch niemand Mitleid haben, falls er in zwei Jahren München wieder verlassen muss, weil sein Ego mit den anderen Bayern-Egos kollidiert ist.

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