Bayern gegen Juve Ein Fall für den Krieger
München/Düsseldorf · Vor ziemlich genau fünf Jahren ist der FC Bayern München im Achtelfinale der Champions League ausgeschieden. Daran erinnern sich nur noch Fußballfans mit einem sehr guten Langzeitgedächtnis. Denn seither ist der deutsche Rekordmeister immer mindestens bis ins Halbfinale gelangt, zweimal sogar ins Finale, das er 2013 mit 2:1 gegen Borussia Dortmund gewann.
Aus dieser Bilanz leiten notorische Bayern-Freunde ein geradezu natürliches Recht auf einen Platz unter den besten vier Teams Europas ab. Aber da kann man sich böse täuschen. Wie 2011, als der von Selbstzweifeln eher unbelastete Trainer Louis van Gaal nach einem 1:0-Erfolg bei Inter Mailand voller "Vertrauen", wie er damals sagte, ins Rückspiel ging. 90 unterhaltsame Minuten später hatte Inter mit 3:2 gewonnen, und der Vorjahresfinalist war draußen.
So weit soll es am Mittwochabend (20.45 Uhr/Live-Ticker) nicht kommen. Die Bayern gehen wieder mit einem guten Ergebnis aus dem Hinspiel ins Rennen. Aber sie wissen, dass sie sich auf dem 2:2 bei Juventus Turin nicht ausruhen können. "Es ist ein gefährliches Resultat", sagt Sportvorstand Matthias Sammer, dem ohnehin die Rolle des Mahners im Klub zufällt.
Wie seine Kollegen in der Firmenleitung des Münchner Fußball-Unternehmens geht er allerdings davon aus, dass die Bayern mit dem Druck umgehen können und Bestleistungen liefern, wenn es darauf ankommt. Anfang März haben sie diese Fähigkeit in der Bundesliga bewiesen, als sie ihren einzigen Verfolger Borussia Dortmund nach einem hochklassigen Spiel im ehemaligen Westfalenstadion (0:0) auf Distanz hielten.
Eine Schlüsselrolle in dieser Begegnung hatte Arturo Vidal. Der Chilene, den sie wegen seiner unnachgiebigen Spielführung einen Krieger nennen, brachte Dortmund unter Druck, kontrollierte das Mittelfeld und war extrem torgefährlich. Ähnlich stark war er auch beim 2:2 in Turin aufgetreten, an jenem Ort, der bis zum Wechsel zu den Münchnern seine sportliche Heimat war.
Obwohl er mit seiner eher ruppigen Erscheinung und der gelegentlich damit harmonierenden Zweikampfführung nicht dringend ins fußballerische Beuteschema seines Trainers passt, genießt der Chilene zumindest zurzeit hohe Anerkennung bei Pep Guardiola. "Arturo war die letzten Spiele top", sagt der Coach. So hat er schon häufig Fußballer geadelt, die anschließend keine Verwendung mehr fanden, aber das ist diesmal nicht zu befürchten. Vidal wird vermutlich die zentrale Position im Mittelfeld übernehmen. Dem könnte der spanische Quarterback Xabi Alonso zum Opfer fallen.
Von Vidals Beförderung zur wichtigsten Figur im Bayern-Konzept war vor ein paar Monaten keine Rede. Sein Wechsel wurde von viel Tamtam begleitet, die Leistungen waren jedoch nicht gerade herausragend. Der Mittelfeldspieler spielte nicht schlecht, aber häufig auch nicht besonders gut. Und im Umfeld des Klubs wurde weniger über die Auftritte auf dem Rasen als vielmehr über den Lebenswandel des 28-Jährigen mit dem gut beschrifteten Oberkörper gesprochen. Böse Menschen munkelten, Vidal trinke gern mal ein Gläschen mehr, als es Profisportlern zuträglich sei. Und sie erinnerten natürlich sehr bereitwillig daran, dass er wegen eines Unfalls unter Alkoholeinfluss in der Nähe von Santiago de Chile vor einem Jahr sogar festgenommen worden war.
Die Bayern-Bosse haben Gerüchte um einen unpassenden Lebensstil heftig dementiert, am lautesten selbstverständlich Sammer. Und seit der Spieler auf dem Rasen große Leistungen bietet, ist das alles kein Thema mehr in München.
Es ist an Vidal, dass es kein Thema mehr wird.