Thiago, Gikiewicz und Hünemeier kritisieren DFL „Wie Affen im Zirkus“

München · Die Corona-Pandemie zwingt auch den deutschen Fußball in die Knie, ab Dienstag soll vorerst der Ball ruhen. Dass an diesem Wochenende noch gespielt werden soll, sorgt für heftige Kritik.

„Am Ende des Tages gewinnt dann doch nicht das Geld“
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Foto: dpa/Jan Woitas

Der Profifußball in Deutschland zieht die Notbremse und will ab nächster Woche zum Stillstand kommen, doch das sture Festhalten am "Geisterspieltag" geriet zur Farce. "Fußballer werden in dieser Situation wie Affen im Zirkus behandelt", twitterte Union Berlins Torhüter Rafal Gikiewicz, und der spanische Mittelfeldspieler Thiago von Bayern München schrieb: "Das ist verrückt. Bitte hört auf herumzualbern und kommt in der Realität an."

Zuvor hatte das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Freitag vorgeschlagen, wegen der Corona-Pandemie den Spielbetrieb in der Bundesliga und 2. Liga erst ab dem kommenden Dienstag bis einschließlich 2. April auszusetzen. Sollten die 36 Profiklubs dem Vorschlag bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Montag in Frankfurt/Main wie erwartet zustimmen, wird erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg (1944/45) der Ligabetrieb unterbrochen. Betroffen wäre allerdings in der Bundesliga lediglich der 27. Spieltag (20. bis 22. März).

Die Partien des Wochenendes sollten noch als Geisterspiele ohne Zuschauer über die Bühne gehen - doch dieser Beschluss geriet immer stärker ins Wanken. Das Spiel am Montag von Werder Bremen gegen Bayer Leverkusen wurde als erstes Bundesligaspiel abgesagt, weil die Stadt Bremen bis zu 3000 Menschen rund ums Weserstadion erwartete.

Trainer Steffen Baumgart vom Bundesligisten SC Paderborn lag vor dem Freitagspiel (20.30 Uhr/Sky) bei Fortuna Düsseldorf mit typischen Symptomen im Zimmer des Teamhotels - sein Corona-Test fiel aber negativ aus. Die Ergebnisse von Spielern standen am Freitagnachmittag noch aus. Fortuna beantragte dennoch bei der DFL eine Absage des Spiels. "Das Risiko ist aus unserer Sicht einfach zu hoch", sagte der Fortuna-Vorsitzende Thomas Röttgermann bei RP Online.

Bei Fabian Nürnberger vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg wurde ein positiver Corona-Befund bekannt. Das gesamte Team begab sich auf Anweisung der Gesundheitsbehörde in eine 14-tägige häusliche Quarantäne. Der FCN stellte einen Antrag auf Absetzung der Partie am Sonntag (13.30) beim FC St. Pauli. Auch das Zweitliga-Duell zwischen Hannover 96 und Dynamo Dresden findet wegen der Corona-Befunde zweier 96-Profis nicht statt.

Die organisierten Fangruppen kritisierten das Festhalten an der Austragung des 26. Spieltages. "Das zeigt deutlich, dass es den Machern nur ums Geld und nicht um die Gesundheit der Spieler geht", sagte Rainer Vollmer, Vorstand der Fan-Interessengemeinschaft "Unsere Kurve", dem SID.

Bayern Münchens Vorstandchef Karl-Heinz Rummenigge gab unumwunden zu: "Es geht am Ende des Tages auch im Profifußball um Finanzen." Wenn die ausstehende Zahlung der TV-Broadcaster ausbleibe, bekämen viele kleinere und mittlere Klubs Liquiditätsprobleme, betonte Rummenigge: "Es steht ein größerer dreistelliger Millionenbetrag für die 1. und 2. Liga im Feuer."

Trainer Julian Nagelsmann von RB Leipzig ist dennoch die Vorfreude auf das Geisterspiel am Samstag gegen den SC Freiburg vergangen. "Unterhaltung sollte dann stattfinden, wenn alles weitere so gegeben ist, dass es einem einigermaßen gut geht. Wenn die Supermärkte leer gekauft werden und man nicht mehr auf die Straße gehen darf, dann ist auch der Unterhaltungswert eines Fußballspiels gegen Null", sagte der 32-Jährige.

Die DFL betonte, man stünde bezüglich der Wochenendspiele im engen Austausch mit den Behörden und stufe die "Gesundheit der gesamten Bevölkerung und damit auch aller Fußballfans sowie aller Akteure" als oberste Priorität ein.

Das offizielle Ziel der DFL ist "weiterhin, die Saison bis zum Sommer zu Ende zu spielen", teilte die DFL mit: "Aus sportlichen Gesichtspunkten, aber insbesondere auch weil eine vorzeitige Beendigung der Saison für einige Klubs existenzbedrohende Konsequenzen haben könnte." In der Länderspielpause wolle man "das weitere Vorgehen" besprechen.

Eine Ausweitung des Kalenders bis Ende Juni ist möglich, sofern sich die UEFA dazu durchringt, die EURO 2020 um ein Jahr zu verschieben. Sollte es aber nicht wie erhofft weitergehen, würden sich zahlreiche Folgefragen stellen. Kann die Saison dann überhaupt beendet werden? Wird es erstmals seit 1947 keinen deutschen Meister geben? Wie werden Auf- und Abstieg geregelt? Und wie die finanziellen Folgen aufgefangen? Wird im Falle eines Saisonabbruchs die Tabelle "eingefroren" und gewertet - oder wird sie neutralisiert?

Die DFL-Spielordnung beinhaltet keinen Paragraphen, der den Abbruch einer Saison regelt. Mit seiner Zwischenlösung "Geisterspiele" kann sich der deutsche Fußball nicht wie erhofft über Wasser halten. Schnell wurde klar, wie absurd und sinnlos Profi-Spiele ohne Fans wirken. Vor dem Stadion von Borussia Mönchengladbach versammelten sich zum Derby gegen den 1. FC Köln Hunderte in Verkennung der Corona-Lage, um ihre Mannschaft dennoch zu unterstützen.

(eh/dpa)
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