Nachfolger von Pep Guardiola Bayerns Zukunft heißt Ancelotti

München/Düsseldorf · Carlo Ancelotti ist mit seinen 56 Jahren kein ganz junger Mensch mehr. Aber er beschäftigt eine sehr zeitgemäß arbeitende Twitter-Abteilung. Bayern München hatte kaum bestätigt, dass der Italiener im Sommer als Trainer Nachfolger von Pep Guardiola wird, da erfreute Ancelotti die Öffentlichkeit in vier Sprachen auf Twitter mit dieser Botschaft.

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"Es ist eine große Ehre für mich, in der kommenden Saison Teil vom FC Bayern zu sein. Als ich vom Interesse des Clubs an mir erfuhr, kam für mich auch kein anderer Club mehr in Frage. Ich wünsche Bayern München und meinem Freund Pep Guardiola alles erdenklich Gute für den Rest der Saison. Mir bleibt nur noch, den Bayern-Fans und euch allen Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr zu wünschen." Dazu lächelt er in einem ziemlich staatstragenden Foto wie der Vorsitzende eines Dax-Konzerns. Ganz zufällig ist das Bayern-Logo ebenfalls im Bild.

Auf Guardiola, der nach drei Jahren in München wahrscheinlich zu Manchester City wechselt, folgt erneut ein Schwergewicht des internationalen Fußballs. Ancelotti hat als Trainer schon dreimal die Champions League gewonnen — zweimal mit dem AC Mailand, einmal mit Real Madrid. Unterwegs verschaffte er sich den Ruf, ganz besonders gut mit schwierigen Superstars umgehen zu können. Das unterstrich er vor allem als Coach von Real Madrid. Er ließ den Stars das hoch entwickelte Ego, aber er brachte es auch fertig, mannschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen.

Toni Kroos erlebte den Italiener in der vergangenen Saison. Und er sagte in einem Interview mit der "Zeit": "Er konnte die Erfolgsbedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Menschliche, was gerade bei Real Madrid nicht so einfach ist."

Das muss ihn nicht unbedingt von Guardiola unterscheiden, der zumindest in der Öffentlichkeit seine Spieler ausdauernd preist. Ancelotti aber hat eine andere Vorstellung von der taktischen Ausrichtung. Guardiola will, dass seine Mannschaft ihr System möglichst in jeder Spielsituation ändern kann. Deshalb schickt er sein Personal in einen manchmal wild anmutenden Wechsel über jede Position auf dem Feld. Dahinter steckt die urholländische Idee vom Voetbal totaal, dem totalen Fußball, die Johan Cruyff einst dem FC Barcelona verpasste. Guardiola ist ein treuer Schüler.

Der Katalane gibt seiner Mannschaft ein System. Ancelotti richtet sein System an den Gegebenheiten aus, an seinen Spielern und deren Eigenarten. Er wäre in Madrid nicht auf die Idee verfallen, Cristiano Ronaldo zeitweise eine Rolle im zentralen Mittelfeld zu verpassen, damit er auch das mal übt. Er ließ den portugiesischen Star die Freiheiten, auf dem Platz zu improvisieren. Das war gut für die Mannschaft. Deshalb wird das von allen akzeptiert.

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Ancelotti ist klug genug, auf Freiheit zu setzen, wenn sie auch ihm Nutzen bringt. Er hält sich dann eher im Hintergrund. Das unterscheidet ihn ebenfalls von Guardiola. Der Katalane wirkt oft wie der zwölfte Mitspieler, die sogenannte Coaching-Zone reicht ihm bei weitem nicht. Er steht nicht selten wild gestikulierend auf dem Feld, und er bemerkt das gar nicht, weil er so gefangen ist von der Vorstellung.

Sein Nachfolger hat ein völlig anderes Temperament, zu Tänzen an der Linie fehlt ihm vielleicht auch die Begabung. Jedenfalls erträgt er zumeist recht entspannt den Vortrag seiner Spieler. Das einzige Zeichen für mögliche nervliche Anspannung ist der Kaugummi, den er hartnäckig bearbeitet. Darüber hinaus lässt er den Dingen ihren Lauf.

Die Arbeit am Produkt hat er vorher erledigt. Die neue Bundesliga-Sitte, Spieler als Briefträger für taktische Umstellungen aufs Feld zu jagen, ist nicht nach Ancelottis Geschmack.

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Dafür kann er sehr wohl ein Team und eine Spielweise formen. Das erforderliche Grundwissen eignete er sich als Teil der großen Milan-Mannschaft der späten 80er und frühen 90er Jahre an. Er spielte eine ähnliche Position wie Guardiola als Taktgeber im defensiven Mittelfeld, dort, wo heute die Sechser verortet werden. Das sind immer jene Fußballer, von denen ihre Betreuer später sagen, sie hätten schon als Spieler wie Trainer gedacht.

Es ist kein Zufall, dass viele dann tatsächlich auch Trainer werden. Der Fußballlehrer Ancelotti hat mit diesem Wissen eine weitere große Milan-Elf entwickelt. Als er mit dem AC Mailand zweimal die Champions League gewann, da standen taktische Naturbegabungen wie Mittelfeldspieler Andrea Pirlo oder Stürmer "Pippo" Inzaghi auf dem Rasen. Ancelotti hatte ihre Fähigkeiten erkannt.

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Sie schätzten wie die Kollegen bei Real Madrid Ancelottis zurückhaltende Art und seinen Humor. Bayern Münchens künftiger Trainer kann sehr entspannt plaudern. Und er gilt als großer Genießer. Anhänger einer extrem figurbetonten Diät wird er jedenfalls in diesem Leben nicht mehr. In seiner Biografie schreibt er: "Ich schlinge Essen runter wie ein Pferd. Nehmt mich mit zu einer Trattoria und schaut mir einfach nur zu."

Vielleicht gibt es bald Ortstermine in München. Und vielleicht wird er über seine Leidenschaften künftig auch auf Deutsch Auskunft geben. "Wenn Giovanni Trapattoni Deutsch lernen kann, dann kann ich das sicher auch", hat er vergangene Woche gesagt. Da wusste er, was jetzt alle wissen: Bayerns Zukunft heißt Ancelotti.

(pet)
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