Umstrittenes Trainingslager Wie ein Bayern-Fan den Katar-Trip sieht

Düsseldorf · Der FC Bayern München bezieht erneut sein umstrittenes Trainingslager am Golf. Für Bayern-Fans ist das Thema eine emotionale Herausforderung.

Doha, Katar, Anfang Januar 2018: Ein Zuschauer macht mit Münchens damaligem Cheftrainer Jupp Heynckes ein Selfie.

Doha, Katar, Anfang Januar 2018: Ein Zuschauer macht mit Münchens damaligem Cheftrainer Jupp Heynckes ein Selfie.

Foto: imago/DeFodi/Roland Krivec/DeFodi.de

Der Fußball-Kalender der Bundesliga ist für Fans hübsch vorstrukturiert. Es gibt die Hinrunde, die Rückrunde, den DFB-Pokal – und es gibt die Zeit um den Jahreswechsel, in der alle verlässlich den FC Bayern verteufeln können, weil er nun schon zum neunten Mal sein Wintertrainingslager in Katar abhält. Alljährlich kocht die Kritik an den Münchnern hoch, weil im Gastgeberland der WM 2022 die Menschenrechte eben nicht unantastbar und Arbeitsbedingungen für hunderttausende Gastarbeiter bedenklich sind. Und da Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bei der Wut-PK im Oktober vollmundig die laut Grundgesetz unantastbare Würde des Menschen ins Gespräch gebracht hatte, als er Teile der medialen Berichterstattung geringschätzte, ist die Fallhöhe für den Rekordmeister in Sachen Katar vielleicht diesmal noch höher.

Präsident Uli Hoeneß verweist bei dieser Thematik so verlässlich wie nüchtern auf die „hervorragenden Trainingsbedingungen“, die sein Verein nun mal am Persischen Golf vorfinde. Was er nicht unbedingt so herausstellen will, aber dennoch natürlich bekannt ist: Die nationale Fluggesellschaft des Emirates ist seit dem Vorjahr ein Großsponsor des FC Bayern. Seit dieser Saison zahlt Qatar Airways dem Vernehmen nach mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr, um auf dem Trikotärmel der Münchner präsent zu sein.

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Foto: dpa/Matthias Balk

Wenn die Bayern dann doch mal versuchen, ihre Reise nach Katar zu rechtfertigen, dann meist über das Argument, nur wer in Dialog trete, könne Dinge verändern, verbessern. Nur, wenn sich Vertrauen aufbaue, könne man etwas bewirken. Stefen Niemeyer kann diese Argumentation verstehen. „Wer in den 70er Jahren groß geworden ist, hat die Dominanz des Prinzips ,Wandel durch Annäherung’ erlebt. Uli Hoeneß hat die 70er Jahre nicht nur fußballerisch, auch politisch miterlebt und kennt das Prinzip. Er förderte nach eigener Interpretation in Katar so die Abschaffung des berüchtigten Systems zur Fesselung der Millionen Gastarbeiter und trägt nun auch zur Gleichberechtigung bei – schließlich fliegt seit 2018 auch das Frauenteam im Januar nach Doha“, sagt Niemeyer.

Niemeyer ist 51 und PR-Berater. Doch er ist nebenbei auch Bayern-Fan. Er betreibt unter www.ueberdielinie.de ein Fan-Blog und ist als @FCBlogin auch bei Twitter aktiv. Mit Niemeyer wollen wir darüber sprechen, wie es ist, sich als Anhänger der Münchner mit dem Thema des Katar-Trainingslagers auch emotional auseinanderzusetzen. Wo ein Großteil Fußball-Deutschlands genüsslich den erhobenen Zeigefinger über Hoeneß und Co. heben kann, weil man den Bayern eh nicht wohlgesonnen ist, ist es für Bayern-Fans die Ausgangslage eine andere . Was hält also Niemeyer von Hoeneß’ Argumentation? „Ein Argument ist nicht schon deshalb falsch, weil es von Uli Hoeneß kommt – tatsächlich tut sich etwas im monarchisch-absolutistisch organisierten Staat“, sagt Niemeyer. Die Gesetzeslage für Ausländer habe sich verbessert, wie auch Human Rights Watch bestätige. Selbst in der Frage der Isolation Israels, was gerade für den FC Bayern mit dem Kurt-Landauer-Erbe [früherer Bayern-Präsident jüdischer Herkunft, Anm. d. Red.] ein wichtiges Thema sein sollte, komme etwas in Bewegung.

Niemeyer ist kein Freund von Schwarz-Weiß-Denken. Insofern kann er Hoeneß’ Argumentation in Teilen durchaus nachvollziehen und sich trotzdem der großflächigen Kritik am Trainingslager unter Palmen anschließen. „Also alles gut mit so einem Trainingslager? Mitnichten. Katar gilt weiterhin als Förderer des IS und der Hamas, die zu den übelsten Terrororganisationen der Welt gehören. Aber wie in jedem Land gibt es Kräfte, die es in die eine oder andere Richtung treiben wollen. Ich finde es gut, wenn wir mithelfen, wenn die Kräfte in Richtung Freiheit und Gleichberechtigung gestärkt werden“, sagt Niemeyer – und schickt seinem FC Bayern aber gleich auch eine Bitte hinterher, den nachdenkenden Fan nicht für dumm zu verkaufen. „Dazu gehören mehr als eine reine Anwesenheit oder ein paar Show-Termine mit Bevölkerung und Machthabern, sondern ernste Gespräche mit ihnen und zum Beispiel Besuche bei christlichen oder jüdischen Familien – Wird es dazu kommen? Ich hoffe es“, sagt er.

Dass die Münchner am Golf abseits der beabsichtigten Völkerverständigung auch sportlich eine Menge Arbeit haben, steht außer Frage. Schließlich geht man nicht als Gejagter, sondern als Dortmund-Jäger in die Rückrunde. Und in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur trauen nur 32 Prozent der Befragten dem Titelverteidiger zu, den Sechs-Punkte-Rückstand auf den BVB noch aufzuholen. 36 Prozent sind dagegen nicht vom erneuten Triumph der Münchner überzeugt.

Am 18. Januar eröffnet die Mannschaft von Niko Kovac mit dem Freitagsspiel bei der TSG 1899 Hoffenheim die Rückrunde.

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