Bayern-Trainer vor Start selbstbewusst Nagelsmann und das Problem zwischen den Ohren

München · Der neue Bayern-Trainer lässt sich trotz schwacher Testspiel-Bilanz nicht nervös machen. Julian Nagelsmann geht selbstbewusst ins erste Bundesliga-Spiel in Mönchengladbach.

 Gefordert: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.

Gefordert: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.

Foto: dpa/Matthias Balk

Mit Superlativen kennt Julian Nagelsmann (34) sich aus. Er war mit 26 Jahren bei der TSG Hoffenheim der jüngste A-Junioren-Meistertrainer. Er wurde in Hoffenheim mit 28 Jahren zum jüngsten hauptamtlichen Trainer der Bundesliga-Geschichte. Und er legte mit seinem neuen Klub Bayern München die schlechteste Testspielbilanz aller Zeiten hin – vier Spiele, drei Niederlagen, ein Unentschieden. „Das nervt schon“, sagt er im „Blickpunkt Sport“, der Sendung des Bayerischen Rundfunks, die sich seit Jahren erfolgreich der heimischen Heldenverehrung widmet.

Nagelsmann ist zum ersten Mal die Hauptperson der Sendung, und er wird in einer Bayern-Kabine vor dem Trikot von Giovane Elber im Trainingsdress mit kurzer Hose und dunklen Socken in den Adiletten in Szene gesetzt. „Seht her, ich bin ganz locker“, soll das signalisieren. Und Nagelsmann hält sich ein paar Tage vor dem Meisterschaftsauftakt in Mönchengladbach (Freitag, 20.30 Uhr/Sat.1) auch gar nicht lange mit Versagensängsten auf. „Wenn du das erste Spiel gewinnst und idealerweise auch den Supercup, dann sind die Fans, glaube ich, wohlgesinnt“, sagt er, „dann kann man angreifen.“

So funktioniert das berühmte „Mia san mia“ der Bayern, und so lernen es die Trainer wahrscheinlich in ihrer Ausbildung, weil alle gern so wären. Vielleicht gehört sogar ein kleiner Schauspielkurs dazu, denn positives Denken muss ja auch überzeugend gelehrt werden. Nagelsmann versteht dieses Geschäft, obwohl er in seiner Ausbildung zum Fußballlehrer ausnahmsweise mal nicht der Beste war, sondern nur der Zweitbeste – vermutlich der Tribut, den einer zahlen muss, der neben seiner Tätigkeit als Hoffenheimer Bundesliga-Trainer im Abstiegskampf zu den Kursen nach Köln fahren muss. Während er die Prüfungen auf der Fußballlehrer-Schulbank machte, führte er sein Team gegen alle alten Weisheiten mit ansehnlichem Kombinationsfußball ohne Mauern und finsteres Grätschen zum Klassenerhalt. Die Kabine mit all den vergleichsweise älteren Herrschaften hatte er schnell gewonnen.

Auch deswegen muss ihn heute niemand mit Waffengewalt von sich selbst überzeugen. Im Prinzip, das beteuert der 34-Jährige, ist er der Trainer geblieben, der er schon vor acht Jahren war. Natürlich ist er erwachsener geworden in einem Geschäft, das ihn schnell nach ganz oben spülte. Aber eines hat sich nicht geändert: „Du musst ein Gespür dafür haben, wie du auftrittst als Trainer. Da kannst du nicht wie der große Zampano auftreten und mega-autoritär. Du kannst nie eine Rolle spielen in dem Trainerberuf. Sonst wirst du nicht glücklich.“

Vor allem in der Zusammenarbeit mit den Weltstars bei den Bayern wäre es seltsam, sich vorzustellen, wie der 34 Jahre alte Trainer zum Beispiel den 35 Jahre alten Torwart Manuel Neuer auf dem Platz oder in der Kabine zusammenbrüllt. Da braucht es schon andere Formen der Kommunikation, und die Zeit, in der Trainer zum Beweis ihrer Autorität auf Tische sprangen wie der schon legendäre Louis van Gaal, sind ohnehin vorbei. Nagelsmann weiß auch, dass bei den Münchnern andere Kompetenzen gefragt sind als allein die fachkundige Vermittlung der Feinheiten im Kurzpass-Wesen. Hier sei es „schon ein bissel wichtiger die Spieler bei Laune zu halten“, als ihnen beizubringen, wie der Ball in den Fuß gespielt werden muss – was diese Übung natürlich nicht ausschließt.

Selbst wenn seine neuen Spieler im Fußball eigentlich alles schon erlebt haben, hält Nagelsmann es für seine vordringliche Aufgabe, auf den Geist einzuwirken. „Die größten Dinge in diesem Sport passieren zwischen den Ohren“, sagt er. Die vielzitierte Aufforderung, mehr mit dem Kopf zu spielen, bedeutet bei Nagelsmann eben nicht, den Kopfball zum Wesen des Spiels zu erklären. Die größten Möglichkeiten, die Spieler weiterzuentwickeln, bestehen für ihn nicht im physischen Bereich. Da sind die Grenzen fast erreicht. In dieser Überzeugung ist Nagelsmann ein sehr moderner Trainer.

Er kann ein sehr anstrengender moderner Trainer sein. Er liebt es, im Training gezielt zu überfordern, den Fußball-Intellekt an die Grenzen zu bringen. Und er erklärt gern. „Er redet viel und schnell“, sagt der französische Stürmer Kingsley Coman. Das war wahrscheinlich schon immer so. Nagelsmann versichert jedenfalls: „Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, zu sein, wie ich bin.“ Dann lächelt er ein bisschen grimmig, als müsse er dabei einen unsichtbaren Kaugummi gewaltsam zermalmen, und er sagt seinen augenblicklichen Lieblingssatz: „Ich bin nicht der Zampano.“ Damit da mal keine Missverständnisse aufkommen.

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