Kolumne: Gegenpressing Altmodische Vereinstreue

Bald schlagen sie sich zum Torjubel wieder kernig mit der Hand aufs Herz – dahin, wo auf den Trikots das Vereinswappen klebt. Das ist ein Zeichen äußerster Verbundenheit mit dem Klub, ganz Einfallsreiche küssen das Vereinslogo.

Unser Kolumnist Robert Peters.

Unser Kolumnist Robert Peters.

Foto: Phil Ninh

Bald schlagen sie sich zum Torjubel wieder kernig mit der Hand aufs Herz — dahin, wo auf den Trikots das Vereinswappen klebt. Das ist ein Zeichen äußerster Verbundenheit mit dem Klub, ganz Einfallsreiche küssen das Vereinslogo.

Vielleicht wird das sogar im Training geübt. Ganz sicher ist den meisten Fußballprofis aber herzlich gleichgültig, wessen Wappen sie liebkosen. Hauptsache, es ist das des augenblicklichen Arbeitgebers. Vor Verwechslungen schützt beim Wappenkuss der jeweilige Zeugwart. Er wird schon die richtige Garderobe bereitlegen.

Herzenssache wird der Verein spätestens mit der Vertragsunterschrift. Und bevor geküsst und geschlagen wird, gibt es natürlich entsprechende Wortbeiträge. "XY ist immer mein Verein gewesen", ist eine sehr beliebte Formel. Da besteht schon eher Verwechslungsgefahr. Wahrscheinlich werden die Berufsspieler deshalb ausgiebig rhetorisch geschult.

Zum Glück gibt es immer noch ein paar Athleten, zu deren Karriereplan nicht der alljährliche Wechsel des Arbeitgebers gehört. Bastian Schweinsteiger ist so einer. Er kletterte schon mit seiner Freundin über den Zaun des Vereinsgeländes und badete anschließend im klubeigenen Whirlpool der Bayern, als viele seiner Kollegen gerade die erste Stufe des Karriereplans bei Teutonia Pusemuckel erklommen. 17 Jahre spielt Schweinsteiger bereits für Bayern München — eine Zeitspanne, die an die Gründerjahre der Liga erinnert, als niemand auf die Idee kam, zu Wolfsburg oder RB Leipzig zu wechseln. Derartige Fußballunternehmen gab es nicht, und Nationalspieler blieben Nationalspieler, auch wenn sie nicht in der Champions League antraten. Vereinstreue war nicht einfach ein Wort, das lässig zehn Minuten nach der Vertragsunterzeichnung heruntergeleiert wurde.

Schweinsteiger muss also ein altmodischer Mensch sein. Trotzdem könnte er auf die alten Tage doch noch mal den Klub wechseln (müssen). Denn die Bayern überlegen erstaunlich laut, ob der Weltmeister eine Zukunft als fixe Größe in der Aufstellung seines Trainers hat. Die Bayern sind nämlich inzwischen ziemlich modern, seit Pep Guardiola dort das Sagen hat. Seinen Anzug ziert kein Klubwappen. Das ist auch gut so. Alles andere wäre schließlich gelogen.

Und, wer weiß, vielleicht ist Weltmeister Schweinsteiger auch gar nicht so altmodisch, sondern nur von Anfang an bei dem Verein gelandet, für den sich alle gern auf die Brust schlagen.

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(RP)
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