Bayern Münchens Königstransfer Der Artur ist gelandet

München/Düsseldorf · Bayerns neuer Mittelfeldspieler Arturo Vidal kam gestern aus Chile zum Medizincheck nach München.

Arturo Vidal im Porträt
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Das ist Arturo Vidal

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Foto: afp, IW

Die ganz Aufgeregten standen schon am frühen Morgen am Münchner Flughafen. Eine Nachricht im Internet hatte sie elektrisiert. Arturo Vidal veröffentlichte bei Twitter in der Nacht ein Foto, das in dreierlei Hinsicht bemerkenswert ist. Der Chilene, den sie so schön einen "Krieger" nennen, lächelte sehr freundlich in die Kamera. Er saß in einem Flugzeug. Und er kommentierte das Bild so: "Eine neue Etappe, ein neuer Traum, auf geht's nach München!"

Bayern Münchens sogenannter Königstransfer für diese Saison steht demnach unmittelbar vor dem Abschluss. Gut 36 Millionen Euro wird der deutsche Meister an Juventus Turin überweisen, Vidal (28) unterschreibt einen Fünfjahresvertrag.

Seit zehn Tagen unterhalten der Spieler und sein neuer Klub die Fußballwelt mit neuen Nachrichten um Summen, Vertragsdauer, Lieblingspositionen und den Zeitpunkt der Unterschrift unter den Vertrag. Das erklärt die Begeisterung von Fans und Medien für die Twitter-Nachricht aus Chile.

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Foto: imago images / Sven Simon/Frank Hoermann/SVEN SIMON;via www.imago-images.de

Zu viel Begeisterung führt allerdings auch schon mal zu ein wenig leichtfertigem Quellenstudium. So warfen die ganz Schnellen alle geografischen Bedenken über den Haufen. Weil Chile und Brasilien in Südamerika liegen, erwarteten sie den neuen Mann mit dem ersten Flugzeug aus Sao Paulo. Es landete um 9.35 Uhr. Ohne Vidal.

Das erschreckte die stetig wachsende Schar der Wartenden nur vorübergehend. Denn jemand hatte einen Fahrer des FC Bayern entdeckt. Der holte tatsächlich einen jungen Herrn vom Flughafen ab, der wiederum wenig Ähnlichkeit mit Arturo Vidal hatte. Er trug sein Haupthaar weder im Irokesenschnitt, noch verdeckte er das Augenpaar durch eine verspiegelte Sonnenbrille. Darüber hinaus wirkte er ziemlich blond. Allein über die Körperbemalung konnte kein näherer Aufschluss gewonnen werden, er war eher zugeknöpft unterwegs. Also ganz sicher nicht Vidal, der sich nach besonders erfolgreichen Spielen gern das Trikot vom prima gebauten Leib reißt, damit ein jeder die jüngsten Botschaften und Bilder nachlesen und betrachten kann, die er sich in schmerzhaften Sitzungen beim Lieblings-Tätowierer unter die Haut stechen ließ.

Schmerzen hält er nicht nur aus, er verursacht auch welche. Seine Spielweise im Mittelfeld gefällt in aller Regel nur den Kumpels in der eigenen Mannschaft. Gegner müssen ständig damit rechnen, in Zweikämpfe verwickelt zu werden. Sie dürfen sogar ganz sicher sein, dass sie mit dem Ball am Fuß nie lange allein sind, wenn Vidal sich gerade in der Nähe aufhält. Bei seinem läuferischen Vermögen hält er sich in der Regel immer in der Nähe auf. Und dann tut's manchmal weh.

Das ist ein Grund für die Erfolge der chilenischen Nationalmannschaft, die zuletzt die Copa America gewann. Vidal prägt ihr Spiel. Sie spielt schnell, mit hohem Laufaufwand, attackiert die Gegner früh und lässt ihnen keine Zeit zum Luftholen. Im Frühjahr 2014 durfte sich die DFB-Auswahl davon überzeugen. In Stuttgart rannte Chile das Team von Bundestrainer Joachim Löw in Grund und Boden. Es vergaß nur das Toreschießen. Die Deutschen wussten am Ende selbst nicht, warum sie mit 1:0 gewonnen hatten. Sie waren bestimmt nicht unglücklich, dass ihnen Chile beim WM-Turnier in Brasilien nicht über den Weg rannte.

Vidal war ebenfalls eine der wesentlichen Größen bei der Rückkehr von Juventus Turin an die Spitze des europäischen Fußballs. In vier Jahren gewann er mit Juve viermal die Meisterschaft, im Frühsommer war der Sturm durch die Champions League erst im Finale zu Ende. Der FC Barcelona war beim 3:1 in Berlin eine Nummer zu groß. Der Auftritt der Italiener war trotzdem bemerkenswert. Und das Interesse der Bayern war geweckt.

Dabei ist Vidal im vornehmen Ballbesitzfußball von Trainer Pep Guardiola zunächst einmal ein echter Exot. Der vorläufig letzte Straßenkämpfer, dem Guardiola in seiner Trainerlaufbahn begegnete, ist der Schwede Zlatan Ibrahimovic. Der ist zwar einen Kopf größer als der immerhin auch 1,80 Meter große kompakte Chilene, aber mindestens so ausgiebig tätowiert und von ausgesprochener Wildheit im Umgang. Ibrahimovic war Angriffspartner von Lionel Messi beim FC Barcelona. Bis heute wirft der Schwede dem damaligen Coach Guardiola vor, den Argentinier bevorzugt zu haben. Letzten Endes habe der Trainer dafür gesorgt, dass Barca ihn, Ibrahimovic, vom Hof gejagt habe. Seine ausgesprochene Verachtung für die Kunst des feinen Fußballlehrers Guardiola fasste der Schwede in diesen schönen Satz: "Diesen Philosophen brauchen wir hier nicht. Der Zwerg und ich reichen völlig aus."

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Foto: dpa, ft at uw

Derartige Unartigkeiten leistet sich Vidal vielleicht im Zweikampf, nicht aber in der Auseinandersetzung mit Trainern. Seine Betreuer, unter ihnen Jupp Heynckes, der ihn bei Bayer Leverkusen im zentralen Mittelfeld zu einem Mann internationaler Klasse machte, rühmen sein mannschaftsdienliches Verhalten. Sie nennen ihn einen guten Jungen. Auf die Idee wäre bei Ibrahimovic sicher niemand gekommen.

Bei aller Kampflust auf dem Feld hat Vidal in seinen mittleren Jahren zu einer Form eher kontrollierter Offensive gefunden. In vier Jahren bei Juventus Turin sah er nur einmal die Rote Karte, in 117 Bundesligaspielen für Bayer Leverkusen gar keine. Nah dran war er häufiger, dreimal reichte es in Leverkusen zu Gelb-Rot.

Näher dran als die Kollegen, die Vidals Ankunft aus Sao Paulo erwarteten, waren die cleveren Jungs, die beim Blick aufs Foto die Fluglinie erkannten, die von Santiago de Chile nach Madrid fliegt. Von dort schwebte er um 18.26 Uhr in München ein - rechtzeitig zum Medizincheck, den er vor der Vertragsunterschrift noch hinter sich bringen muss. Die Aufgeregten vom Morgen waren immer noch da.

(RP)
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