Der perfekte Torjäger Warum Lewandowski besser als Messi ist

München · 34 Tore hat der Pole in der Bundesliga für die Bayern geschossen. Der perfekte Torjäger ist längst in einer eigenen Liga angekommen. An Wirkung übertrifft er sogar den Weltstar vom FC Barcelona.

 Torjäger und Torjäger-Kanone: Robert Lewandowski.

Torjäger und Torjäger-Kanone: Robert Lewandowski.

Foto: dpa/Kai Pfaffenbach

Den Rekord des unerreichbaren Gerd Müller hat er nun doch nicht eingestellt. Das war auch nicht zu erwarten. Aber wenn einer noch mal in der Lage sein sollte, in einer Bundesliga-Saison 40 Tore zu schießen, dann ist es Robert Lewandowski (31). 34 Treffer waren es diesmal, die den Stürmer von Bayern München zum dritten Mal in Folge zum Torschützenkönig machten. 31 Spiele hat er dafür gebraucht – ein grandioser Wert.

So erfolgreich war er noch nie. Und es ist nicht vermessen, im Robert Lewandowski der Saison 2019/20 den besten Lewandowski aller Zeiten zu sehen. Er ist längst in einer eigenen Liga unterwegs, in der er sich nur noch an sich selbst messen muss. Nicht nur in der Bundesliga, auch im Pokal. In fünf Endspielen schoss er sechs Tore, das ist Rekord. Zum Vergleich: Der Finalgegner Bayer Leverkusen (Samstag, 20 Uhr) hat es in drei Endspielen auf drei Treffer gebracht.

Lewandowski hat nicht erst diese Saison zu einem unverwechselbaren Spiel gefunden. Kein Stürmer auf der Welt ist im Zweikampf stärker, keiner hält dem Aufprall von herumfliegenden Zweimeter-Abwehrmännern leichter stand als der Pole, und keiner bewegt sich aus den körperlich schwierigen Duellen schneller in Richtung Tor. Diese Stabilität und Beweglichkeit verdankt Lewandowski auch dem Training mit seiner Frau Anna, die eine Weltklasse-Karatekämpferin war. Und er verdankt sie den Judo-Übungen in früher Jugend.

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Zur Weltklasse reichen Beweglichkeit und Standfestigkeit allein natürlich nicht aus. Lewandowski reichert die körperlichen Grundtugenden mit einer Kälte vor dem Tor an, die ihm den nicht unbedingt schmeichelhaften Vergleich mit einem Roboter eintrug. Mit dieser Kälte friert er Gegenspieler und Torhüter regelrecht ein, und es scheint, als könne er für ein paar Augenblicke die Fußballwelt ein bisschen langsamer machen, so überlegt vollstreckt er. Wahrscheinlich ist es die große Kunst der großen Torjäger, über einen eingebauten Zeitlupeschalter zu verfügen.

Lewandowski ist im Dribbling nicht so elegant wie Lionel Messi vom FC Barcelona oder Mo Salah vom FC Liverpool, er hat auch nicht deren Fähigkeit, aus dem Stand zu beschleunigen wie ein Rennauto. Und er ist auch kein erklärter Zuarbeiter für die Kollegen wie diese beiden anderen außergewöhnlichen Stürmer. Aber er übertrifft beide an Wirkung vor dem Tor. Messi kam bei 28 Einsätzen auf 22 Treffer, Salah bei ebenfalls 28 Spielen auf 17 Tore. Lewandowski hat zumindest in dieser Saison bewiesen, dass er besser ist als Messi. Diesen Beweis blieb unter anderem sein ehemaliger Mitspieler Mario Götze schuldig, obwohl ihm Bundestrainer Joachim Löw bei der Einwechslung ins WM-Finale 2104 ins Ohr geflüstert haben soll: „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi.“

Lewandowski benötigt keine Einflüsterer. Er benötigt sie wenigstens jetzt nicht mehr. Am Anfang seiner Karriere standen einige, die ihm so gar nichts zutrauten, das mussten sie ihm nicht mal flüstern. Denn er war ein schmächtiges Kerlchen, das sie bei Legia Warschau wegschickten zum Drittliga-Klub Znicz Pruszkow in die Provinz.

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Dort aber entdeckten sie sein Talent im Strafraum. Einer hatte ganz besonders hingesehen. Cesary Kucharsky, der selbst mal sehr manierlich im griechischen, polnischen und Schweizer Profifußball mitgemischt hatte, erkannte das Außergewöhnliche. Er wurde Lewandowskis erste wichtige Bezugsperson im Fußball. Und er sorgte dafür, dass der Stürmer an seinen körperlichen Schwächen arbeitete. Lewandowski wurde ein Athlet.

Kucharsky entwarf einen Karriereplan, den Lewandowski nüchtern wie ein Beamter umsetzte. Er ging zu Lech Posen, wo sie ihm das jährliche Einkommen gleich mal vervierfachten, wuchs in Dortmund (bei noch mal deutlich besseren Bezügen) nach einem Jahr Anlauf zu einem Stürmer internationaler Klasse. Und er wurde bei den Bayern zu einem Angreifer, den man mit keinem anderen mehr verwechseln kann.

An jeder Station streuten seine Berater in regelmäßigen Abständen ein paar Gerüchte über Interessenten im Weltfußball und die Wechselwilligkeit ihres Klienten. Das machte die Vereinsbosse immer zuverlässig ganz wuschig und Lewandowski bald noch ein bisschen reicher. Auch auf diesem Klavier spielt er hervorragend.

Es scheint allerdings, als habe der Spieler nun doch seine Heimat gefunden. Zum vorläufig letzten Mal klagte er vor zwei Jahren über mangelnde Anerkennung im Klub, als ein Wechsel zu Real Madrid gescheitert war. „Ich habe mich damit beschäftigt“, räumte er unlängst ein. Seither aber arbeitet er ganz offensichtlich daran, seine Karriere bei den Münchnern zu vollenden. Treuherzig und geradezu liebenswürdig stellt er fest: „Ich habe immer zu Bayern gehört. Wir sind eine Familie, da gehört es dazu, dass man manchmal anderer Meinung ist.“

Das mit der Familie darf man allerdings nicht überschätzen. Auch wenn Lewandowski wie an allen anderen Stationen zuvor seine familiären Pflichten stets treu erfüllt, wird er über die Zusammenarbeit hinaus nie ein Freund seiner Kollegen. Lewandowski geht zur Arbeit wie jeder andere Arbeitnehmer, und nach der Arbeit geht er nach Hause. Den Fußballer Lewandowski kennen seine Kollegen, den Menschen nicht. So nah lässt er allenfalls seine richtige Familie an sich heran, vielleicht nicht einmal die. In seiner Biographie sagt seine Mutter: „Er war sehr introvertiert.“ Daran hat sich nichts geändert.

Auch an seinem Ehrgeiz nicht, der ihn seit den Tagen in der dritten polnischen Liga antreibt, erfolgreicher, besser, kompletter zu werden. Noch vor ein paar Jahren hat er gesagt: „Wenn ich Messi und Ronaldo sehe, dann erkenne ich, was mir in der Ausbildung gefehlt hat.“ Die klassischen Fußballschulen hat er nicht absolviert, weil ihn die Lehrer in den größeren Klubs für nicht geeignet hielten. Denen hat er es längst gezeigt. Und auch den Ronaldos und Messis, denen er das Modell Lewandowski entgegen stellen kann.

Das macht selbstbewusst. Und so schaut Lewandowski bereits über das Pokalfinale am Samstag gegen Bayer Leverkusen hinaus. „Ich sehe klar die Chance, dass wir diese Saison den Henkelpott holen können“, erklärt er. Die Champions-League-Trophäe fehlt noch in seiner Sammlung. Vielleicht nicht mehr lange.

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