Bayer Leverkusen Uefa-Cup-Sieg 1988 - der Weg ins Finale

Leverkusen · Bevor Bayer 04 am 4. und 18. Mai 1988 im Europapokal-Finale Espanyol Barcelona gegenüberstand, schaltete die Werkself fünf Gegner aus – ohne Niederlage. Die Stationen lauteten: Wien, Toulouse, Rotterdam, Barcelona und Bremen.

 Der blonde Engel fällt: Im Halbfinale prallen Bernd Schuster (l.) und sein FC Barcelona an Wolfgang Rolff und seinen Leverkusenern ab.

Der blonde Engel fällt: Im Halbfinale prallen Bernd Schuster (l.) und sein FC Barcelona an Wolfgang Rolff und seinen Leverkusenern ab.

Foto: Peter Thönes

Bevor Bayer 04 am 4. und 18. Mai 1988 im Europapokal-Finale Espanyol Barcelona gegenüberstand, schaltete die Werkself fünf Gegner aus — ohne Niederlage. Die Stationen lauteten: Wien, Toulouse, Rotterdam, Barcelona und Bremen.

1. Runde, Austria Wien Die Ansichten über den internationalen Auftakt bei Bayer 04 gehen hinterher weit auseinander. Nach nur einem Sieg aus acht Liga-Partien und dem Erstrunden-Pokalaus gegen Gladbach freut sich Trainer Erich Ribbeck über "die stärkste Saisonleistung" der Seinen beim 0:0 in Wien. Spieler Knut Reinhardt hakt den Auftritt im Uefa-Cup hingegen unter der Überschrift "So ein Mist. Wir hätten gewinnen müssen" ab. Fast alle düsteren Gedanken sollten sich zwei Wochen später verflüchtigen. Angeführt vom Mann des Abends Wolfgang Rolff zerlegt Leverkusen konditionsschwache Wiener nach der Pause. Nur: Kaum jemand sieht der Werkself bei ihrer Eigenwerbung zu. Nur 11 500 Gäste verlaufen sich ins Haberland-Stadion. Christian Schreier findet es "schade, dass die zweite Halbzeit nicht live übertragen worden ist".

2. Runde, FC Toulouse Das mit dem Fernsehen ändert sich eine Runde später. Das mit dem schmalen Besuch im Stadion nicht. Vor dem Hinspiel in Toulouse versorgt Bayer 35 Landrat-Lucas-Schüler, die zu Gast bei einer französischen Partnerschule weilen, mit Tickets. Sie bekommen beim 1:1 zwei Tore zu sehen, weil Schreier den Gästen eine Führung aus heiterem Himmel und Falko Götz ("Das war keine Absicht") dem Gegner einen Elfmeter beschert. Ribbeck analysiert messerscharf: "Ich bin zufrieden, obwohl ich bei einem 2:0 sicherer gewesen wäre, dass wir die nächste Runde erreichen." Zum Rückspiel greift der Werksklub tiefer in die Freikarten-Tasche: 35 Schulklassen werden mit Tickets ausgestattet. So verfolgen 14 000 Personen ein 1:0 und den Einzug ins Achtelfinale vor Ort. Weil diesmal das Fernsehen zu Gast ist, kommen auf heimischen Sofas in der Spitze bis zu 13,5 Millionen Schaulustige hinzu. Gut zwei Millionen davon halten nicht bis zu Schreiers Abstauber-Tor durch. Sie schalten zur Pause um — im Nachbarsender läuft Denver-Clan, Folge 149: "Ein Verlierer gibt nicht auf".

Achtelfinale, Feyenoord Rotterdam Vom Verlieren auf internationalem Parkett ist Bayer 04 noch Monate entfernt. Das Hinspiel in Rotterdam ist der insgesamt neunte Auftritt des Klubs im Uefa-Cup; zum neunten Mal bleibt er ungeschlagen, weil er sich nach 2:0-Führung nur fünf unachtsame Minuten und zwei Gegentore leistet. Ein bescheidener Ribbeck analysiert messerscharf: "Ich bin nicht so vermessen zu sagen, dass das Weiterkommen schon perfekt ist." Derweil möchte sich Präsident Gert-Achim Fischer nur noch auf das Wesentliche fokussieren: "Ich stelle den Antrag, nur noch Uefa-Cup-Spiele bestreiten zu dürfen" — Bayer hat die Liga-Hinrunde soeben als Zehnter abgeschlossen. International gelingt dagegen trotz beachtlicher Verletztenliste der Sprung unter die besten Acht. Nach dem 1:0 im Rückspiel streichen die Spieler satte 6000 Mark Prämie ein, Fischer spricht vom "größten Fußball-Tag in Leverkusen". Da kennt er den nächsten Gegner noch nicht.

Viertelfinale, FC Barcelona Kaum bekommt Torwart Rüdiger Vollborn seinen Wunschgegner zugelost, analysiert Ribbeck messerscharf: "Jetzt werden wohl auch die letzten Zweifler überzeugt sein, dass Bayer ein größeres Stadion braucht" — und das steht in Köln-Müngersdorf. 41 000 Zuschauer kommen oder wollen zumindest kommen. Während Tausende die erste Halbzeit im Stau auf der Autobahn verbringen, schaffen es die kommenden Bayer-Trainer Rinus Michels und Christoph Daum rechtzeitig ins Stadion. Auch Johan Cruyff ist da und bestreitet, dass er im Sommer Barca-Trainer wird — es dürften die kommenden 90 Minuten sein, die bei ihm zu einem Sinneswandel führen. Denn offensiv fallen die Spanier nur gelegentlich in Gestalt von Bernd Schuster auf, die meiste Zeit sind sie damit ausgelastet, das Bollwerk hinten aufrechtzuerhalten, an dem sich Bayer und sein erstmals international spielberechtigter Brasilianer Tita die Zähne ausbeißen — 0:0. Ribbeck analysiert messerscharf: "Wir müssen noch nicht resignieren." Wohl wahr. Denn im Rückspiel, zu dem sich 20 000 Gäste ins Camp Nou verirren, fällt Schuster vor allem durch einen verschossenen Elfmeter auf, während Tita aus elf Metern trifft und mit seinem Siegtor Bayer ein gehöriges Problem bereitet: Nach Schlusspfiff sind keine alkoholischen Getränke aufzutreiben. Thomas Hörster nimmt es wie ein Profi: "Wir haben doch unseren Mineraldrink."

Halbfinale, Werder Bremen Trotz F-Jugend-Vorspiel und angekündigter Lasershow bleibt auch gegen den designierten Meister ein Viertel der Ränge im Haberland-Stadion leer. Die 15 000, die kommen, dürfen immerhin sitzenbleiben. "Es war ein taktisches Spiel, das die Zuschauer nicht eben von den Sitzen riss", findet Manager in spe Reiner Calmund. Denn so verkrampft der Kartenverkauf, so verkrampft verläuft zunächst das Hinspiel. Erst als Alois Reinhardt nach einer Stunde aus 18 Metern trifft, agiert Leverkusen wie ein kommender Finalist. Dass in den folgenden zwei Stunden Spielzeit kein Treffer mehr fällt, verdankt Bayer vor allem der solide-nüchternen Arbeit seiner Abwehrspieler. Vollborn, Alois Reinhardt, Erich Seckler und Libero Rolff sorgen für ein torloses Rückspiel und verbauen Riedle und Co. den Weg ins Finale. Ribbeck analysiert messerscharf: "Wir sind natürlich alle sehr glücklich."

(RP/ac)
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