Bayer Leverkusen Toprak folgt der Stimme seines Herzens

Leverkusen · Vor rund zwei Jahren hing die Karriere von Ömer Toprak nach einem schweren Kartunfall am seidenen Faden. Fußball-Anhänger in Deutschland und der Türkei nahmen damals Anteil am Schicksal des Deutsch-Türken. Nun sorgt Toprak wieder in beiden Ländern für Aufsehen.

 Ömer Toprak hat sich für die Türkei entschieden.

Ömer Toprak hat sich für die Türkei entschieden.

Foto: DANIEL ROLAND

Als Ömer Toprak vor rund zwei Jahren mit schweren Verbrennungen auf der Intensivstation einer Tübinger Spezialklinik lag, hieß die Frage nicht Deutschland oder Türkei. Für den damals 19-Jährigen ging es nach seinem Kartunfall nur darum, ob er wieder ein normales Leben führen und auf den Fußballplatz zurückkehren kann. Fußball-Anhänger in Deutschland und der Türkei nahmen damals Anteil am Schicksal des in Ravensburg geborenen Sohn türkischer Eltern, der nach seiner Genesung im Januar 2010 erstmals wieder für seinen damaligen Klub SC Freiburg auflaufen konnte.

Nun sorgt Toprak, der mit der deutschen U19-Auswahl vor drei Jahren den EM-Titel gewonnen hat, mit seiner Entscheidung zugunsten der türkischen Nationalmannschaft wieder für Aufsehen in beiden Ländern. Und das ausgerechnet vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen der Türkei und Deutschland am Freitag in Istanbul, für das Toprak erstmals in den türkischen Kader berufen wurde.

Schwierige Entscheidung

"Ich weiß, dass ich dem DFB viel zu verdanken habe, aber in meinem tiefsten Inneren fühle ich mich als Türke. Letztlich hat mein Herz entschieden", begründete der mittlerweile 22 Jahre alte Innenverteidiger von Vizemeister Bayer Leverkusen im kicker seinen Entschluss, zukünftig den türkischen Halbmond anstatt den Bundesadler auf der Brust tragen zu wollen: "Es war eine unheimlich schwierige Entscheidung, über die ich lange und sehr intensiv nachgedacht habe. Nach vielen Gesprächen mit meinem engsten Umfeld und der Familie habe ich mich letztlich für die Türkei entschieden."

Die Begründung Topraks hört sich allerdings auffällig nach der Losung an, die der türkische Nationaltrainer Guus Hiddink im Kampf der Verbände um hoffnungsvolle deutsch-türkische Nachwuchskräfte ausgegeben hat. "Es gibt viele Talente in der zweiten oder dritten Generation von Türken, die in Deutschland aufgewachsen sind", sagte Hiddink der "Bild am Sonntag": "Ich nehme natürlich Kontakt zu den Spielern auf, rufe an. Ich sage den Jungs: Du musst die Entscheidung treffen, zusammen mit deiner Familie. Du musst auf dein Herz hören."

Hören sollen die jungen Deutsch-Türken aber wohl auch auf die Versprechungen der Türken. Der Verband hat 13 Scouts in Deutschland im Einsatz. Sie sollen die Spieler beobachten und Kontakte zu ihnen knüpfen. So lief es auch bei Toprak, der neben Mehmet Ekici (Werder Bremen), Tunay Torun (Hertha BSC Berlin), Gökhan Töre (Hamburger SV) und Hamit Altintop (Real Madrid, zuvor Bayern München) für das Spiel gegen die deutsche Auswahl nominiert wurde. Im August fanden dann die entscheidenden Gespräche mit Hiddink, Teammanager Okan Buruk und Europascout Erdal Keser statt. "Sie haben sich sehr um mich bemüht", sagte Toprak.

Schon vor einem Jahr hatten türkische Medien berichtet, dass sich Toprak für die Türkei entschieden habe. Diese Meldungen hatte der Abwehrspieler, der im Freiburger Fußball-Internat ausgebildet wurde, noch dementieren lassen. "Damals war ich noch nicht so weit. Aber mittlerweile bin ich mir sicher, dass dies die richtige Entscheidung ist", äußerte Toprak, der im Sommer mit Trainer Robin Dutt von Freiburg nach Leverkusen gewechselt war.

Für Türkei-Kenner Christoph Daum ist die Wahl Topraks, der in Leverkusen auf Anhieb den Sprung in die Stammelf geschafft hat, keine Überraschung. "Das ist keine Entscheidung gegen Deutschland, dies wird oft falsch dargestellt", sagte der frühere Trainer von Besiktas sowie Fenerbahce Istanbul dem Internetportal eurosport.yahoo.de und brachte ebenfalls die Herzensangelegenheit ins Spiel: "Die Spieler geben dem DFB keinen Korb, sie entscheiden sich für ihr Herz."

(SID)
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