Serie Profifußballer - Traumjob Mit Tücken Plötzlich Vorbild

Leverkusen · Julian Brandt hat mit 20 Jahren schon erreicht, was andere nie schaffen. Dass er auf viel verzichten muss, gehört für den Leverkusener Profi, der immer wieder im Elternhaus auftankt, zum Beruf dazu. Sein Wunsch: mehr Zeit für eine Ausbildung.

Das ist Julian Brandt
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Foto: Borussia Dortmund

Wer sich mit Julian Brandt trifft, sollte Zeit mitbringen. Denn er tut es auch. Das mag man beim ersten Eindruck vielleicht nicht glauben. Da kommt einer durch die Tür mit Löchern in der Hose, Baseballcap auf dem Kopf, darüber die Kapuze seines Pullis. Brandt hat genug über sich zu erzählen. Verbindlich, reflektierend, mit einer bemerkenswerten Sicht auf die Dinge. Dass dies erwähnenswert ist, mag an seinem Alter liegen. Der Bayer-Profi ist erst 20. Experten halten ihn für einen Hochbegabten. Er hat bereits erreicht, was andere nie schaffen: 82 Erstligaeinsätze, Spiele in der Champions League, seit Sommer ist er A-Nationalspieler und Olympiazweiter.

"Ein Wahnsinns-Jahr", findet er. Ein Jahr, das für den offensiven Mittelfeldspieler zwar nicht ohne Wellentäler blieb, das angesichts der Ereignisse dennoch ein herausragendes war. Brandts Ziel, Stammkraft zu werden, erreichte er. Mehr noch: Der Blondschopf trägt Verantwortung - früher als viele in seinem Alter. Er ist schnell, verfügt über eine herausragende Technik, und er hat Dinge drauf, die andere eben nicht haben. Deshalb holte ihn Leverkusen vor drei Jahren. Er ist nicht nur Symbolfigur für die Einkaufspolitik von Bayer, er ist auch Vorbild. Der Weg zum Profi ist allerdings steinig und mitunter belastend.

"Machen wir uns nichts vor, das ist ein toller Beruf. Aber es gehört eben auch eine Menge Verzicht dazu." Ein Stück weit hat Brandt seine Jugend geopfert. Bis 15, sagt er, "war das eine entspannte Zeit mit den Freunden". Mit dem Wechsel vom FC Oberneuland ins Internat des VfL Wolfsburg änderte sich das. Fortan dominierte das Leistungsprinzip. Während die Freunde mit 16, 17 anfingen, in Discos zu gehen, saß Julian zu Hause. Mit 20 nun ist er Teil der mächtigen Fußball-Maschinerie. Wer erfolgreich mitmischen will, muss entbehren können. "Das fällt mir zum Glück nicht schwer. Ich vertrage eh kaum Alkohol", entgegnet Brandt und lacht. "In Zeiten, in denen beinahe jeder ein Handy besitzt und Menschen in sozialen Netzwerken teilen, was ihnen vor die Linse kommt, muss man aufpassen, wie man sich verhält."

Und doch, suggeriert er, ist das auch für ihn kein einfacher Spagat. "Ich sehe eine große Gefahr in den Smartphones, weil theoretisch kein Schritt unbemerkt bleibt. Nicht mal im Urlaub. Permanent damit rechnen zu müssen, dass man gefilmt oder fotografiert wird, nervt ehrlich gesagt, gehört aber leider dazu." Auch deshalb meidet er etwa Facebook. "Ich habe auch keine Internetseite. Vielleicht bin ich da out, aber es gibt mir nichts." Zur Frage, ob ein 20-Jähriger überhaupt Vorbild sein kann, hat er seine eigene Meinung: "Ich versuche, Vorbild für meine Geschwister zu sein. Das klappt ganz gut. Ob ich das auch für 30-Jährige sein kann? Ich weiß nicht."

Brandt nimmt man ab, dass Fußball nicht alles ist. Seine Eltern, seine beiden jüngeren Brüder und die Nähe zu ihnen - das zählt. "Zuhause ist für mich Rückzugsort." Dort erholt er sich von physischen, vor allem aber mentalen Anstrengungen. Den Druck, permanent Topleistungen abrufen zu müssen "spürt man als Nationalspieler noch mehr. In manchen Situationen gerät man schon an seine Grenzen. Ich kann damit bisher aber gut umgehen."

Zuhause kann er ganz der Julian sein. Dort muss er nicht funktionieren. "Meine Mutter hat mich sowas von im Griff", sagt er lächelnd. Sich auch mal im Hotel Mama verwöhnen zu lassen, genießt der gebürtige Bremer, der in seiner Wohnung in Köln längst auf eigenen Beinen stehen muss. "Im Wäsche waschen bin ich inzwischen spitzenmäßig." Aber auch bei den Eltern hat er seine Aufgaben. "Ich muss bei jedem Wetter mit dem Hund raus, und das ist nicht selten, weil wir einen kleinen Welpen haben. Aber ich bin's ja gewohnt, an der frischen Luft zu sein."

Brandt würde sich wünschen, mehr Zeit für eine Ausbildung zu haben. "So schnell man als Fußballer Geld verdient, so schnell wird man es auch wieder los. Es ist wichtig, sich mit der Zukunft zu beschäftigen", findet er. Bei Spielen im Drei-Tage-Rhythmus sei das jedoch schwer zu realisieren. "Der Verein zahlt viel Geld und erwartet viel. Ich ziehe den Hut vor denen, die nebenbei noch ein Studium schaffen."

Zu Zukunftsfragen lächelt Brandt. Sein Arbeitsverhältnis läuft bis 2019. Es ist kein Geheimnis, dass sich nach wie vor Klubs wie der FC Bayern, Dortmund und auch europäische Topvereine für ihn interessieren. Mit künftigen Verträgen will er sich nicht öffentlich auseinandersetzen. Dafür hat er Vater Jürgen. "Das Modell hat sich bewährt. Daran wird sich auch so bald nichts ändern", stellt der Sohn klar. Er macht deutlich, dass der Wohlfühlfaktor stimmen muss. "Wenn Topvereine anklopfen, ist das interessant und vor allem eine Bestätigung für die eigene Leistung." Die Frage sei nur: Macht ein Wechsel auch Sinn? "Es mag ,in' sein, in China oder Russland zu spielen, das könnte ich mir aber nicht mal für 20 Millionen im Jahr vorstellen. Ich fühle mich in Leverkusen und darüber hinaus in NRW sehr wohl, und brauche die Nähe zur Familie. "Wer sagt, dass ich meinen Vertrag nicht verlängere?", fragt er und ergänzt: "Ich werde mir das sehr gut überlegen."

(RP)
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